Autor Thema: Olympia  (Gelesen 1694 mal)

Seeräuber-Jenny

Olympia
« am: Februar 02, 2010, 00:32:25 »

(Édouard Manet: Olympia)

Olympia, du Kühle, du Kokette!
Mit rosenzartem Leib und festen Brüsten,
mit deinem frechen Mund, dem vielgeküssten,
so thronst du aphroditengleich im Bette.

Ach, wenn die Herrn Betrachter alles wüssten,
was deine Dienstmagd zu verraten hätte
und auch dein Kätzchen an der Lagerstätte -
wie sehnten sie sich nach verbotnen Lüsten.

Dein Bildnis, präsentiert von deinem Meister,
verstoße, hieß es, gegen gute Sitte
und sei unappetitliches Gekleister.

Doch schlich sich nachts Napoleon der Dritte,
wie mancher der moralbeflissnen Geister,
zu dir, schnell zu verjubeln die Rendite.
« Letzte Änderung: Februar 06, 2010, 12:32:32 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

cyparis

Re:Olympia
« Antwort #1 am: Februar 02, 2010, 09:44:35 »
Liebe Seeräuber-Jenny,

kokett, und doch kühl bis ans Herz hinan -
so wirkt Olympia auf mich.
Von Deinem Sonett wäre sie sicherlich höchlichst angetan.
Lediglich das "unakademisch" sagt mir nicht so zu, ich weiß aber nicht, warum das so ist.
Lob! Die zwei Quartette sind einmalig gut!


Lieben Gruß
von
cyparis
« Letzte Änderung: Februar 03, 2010, 12:02:43 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re:Olympia
« Antwort #2 am: Februar 02, 2010, 11:01:37 »
Liebe cyparis,

aye, kokett und kühl präsentiert sie sich - wie es sich für eine Edelkurtisane geziemt. Weshalb ich aus "du Schöne" nunmehr "du Kühle" gemacht habe.

Das Wort "unakademisch" wirkte tatsächlich unbeholfen. Habe die Zeile entsprechend geändert.

Ich war auf diesen Begriff gekommen, weil das Bild, als es im Pariser Salon ausgestellt wurde, einen großen Skandal hervorrief.
Eine  Prostituierte offen darzustellen und durch ihren direkten Blick zum Betrachter auf die Vielzahl der potenziellen Kunden zu verweisen war revolutionär. Ebenso die Malweise, welche die Prinzipien der Académie auf den Kopf stellte - weswegen Manet aufgrund dieses Bildes heute als Begründer der modernen Malerei gesehen wird.

Hier ein paar der damaligen Reaktionen:

Jules Claretie schrieb in L’Artiste: "diese schrecklichen Leinwände, an den Pöbel gerichtete Herausforderungen, Possen oder Parodien, was weiß ich? Was soll diese gelbbäuchige Odaliske, dieses billige, ich weiß nicht wo aufgelesene Modell". Paul de Saint-Victor berichtet: "Wie im Leichenschauhaus drängt sich die Menge vor der verruchten Olympia des M. Manet." und Théophile Gautier urteilt am 24. Juni 1865 in Le Moniteur universel: "Ein erbärmliches Modell. Die Fleischtöne sind schmutzig. Die Schatten sind durch mehr oder weniger breite Streifen von Schuhcreme angedeutet". Ernest Chesneau stellt fest: "eine nahezu infantile Unkenntnis der Grundelemente des Zeichnens, ein Hang zu unglaublicher Gemeinheit" und F. Deriège findet in Le Siècle vom 2. Juni 1865 die Worte: "Diese rötliche Brünette ist von einer vollendeten Hässlichkeit. Das Weiß, das Schwarz, das Rot, das Grün erzeugen ein schreckliches Getöse auf dieser Leinwand".

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
« Letzte Änderung: Februar 02, 2010, 11:37:11 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz