Autor Thema: Massaker von Glencoe oder vom Wert der Gastfreundschaft  (Gelesen 2321 mal)

Seeräuber-Jenny

Massaker von Glencoe oder vom Wert der Gastfreundschaft
« am: Januar 23, 2010, 19:40:19 »
Ins grüne Tal marschierten die Soldaten.
Sie kamen, die MacDonalds zu besuchen.
Und Bruderherz hat Bruderherz verraten.

Die Gastfreundschaft, als edelste der Taten,
man musste sie im Hochland nicht lang suchen.
Ins grüne Tal marschierten die Soldaten.

Wohl roch MacDonald frühzeitig den Braten:
Die Campbells konnte William für sich buchen.
Und Bruderherz hat Bruderherz verraten.

Doch als sie an dem Tor um Einlass baten,
da gab es Obdach, Abendmahl und Kuchen.
Ins grüne Tal marschierten die Soldaten.

Frühmorgens schritten sie zu Greueltaten.
MacDonald ruht in kalten Leichentuchen.
Und Bruderherz hat Bruderherz verraten.

Dem Edlen will ich drum zur Vorsicht raten,
die Campbells bis zum jüngsten Tag verfluchen.
Ins grüne Tal marschierten die Soldaten.
Und Bruderherz hat Bruderherz verraten.
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

cyparis

Re:Massaker von Glencoe oder vom Wert der Gastfreundschaft
« Antwort #1 am: Januar 23, 2010, 20:13:57 »
Liebe Seeräuber-Jenny,

ich mußte mir die verzwickte Geschichte von Verrat, Betrug und Mord ergoogeln, da ich aus der Zeit nur (via Film) Rob Roys
Schicksal kannte.

Sehr gut in Strophen und Verse gesetzt!
Wie nennt man die Form, in der eine Zeile immer wiederholt wird?
Sehr eindrücklich und beklemmend.
Gefällt mir außerordentlich gut!

Lieben Gru
von
cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re:Massaker von Glencoe oder vom Wert der Gastfreundschaft
« Antwort #2 am: Januar 30, 2010, 18:40:30 »
Liebe cyparis,

das ist meine erste und bislang einzige Villanelle.

Diese Form ist durch die Wiederholungen sehr eindringlich und eignet sich auch bestens für historische Stoffe wie das entsetzliche "Massaker von Glencoe".

Im Jahre 1688 revoltierte das englische Parlament gegen König Jakob II., der zugleich als Jakob VII. König von Schottland und Irland war, ein Stuart und Britanniens letzter römisch-katholischer Monach. An seiner Stelle wurde statt seinem Sohn, dem rechtmäßigen Thronfolger, sein protestantischer Schwiegersohn Wilhelm von Oranien zum König ernannt. Die schottischen Hochlandbewohner rebellierten gegen diese Entscheidung, und es kam zu verschiedenen Schlachten, in denen die Jakobiten unterlagen.

Wilhelm bot den Hochlandclans eine Amnestie hinsichtlich ihrer Teilnahme am Aufstand an. Bedingung war, dass sie bis zum 1. Januar 1692 einen Treueeid auf ihn ablegen müssten. Einige Clans leisteten sofort den Eid, während andere dies verweigerten. Zu ihnen gehörte der Clan MacDonald, der aber am letzten Tag den Eid leistete, angeblich verspätet. Er erhielt zwar von dem Sheriff von Argyll, einem Campbell, einen Schutzbrief, aber dieser wurde nicht anerkannt. Ein willkommener Anlass, um ein paar politische Gegner auszumerzen.

Eine Verschwörung begann, in die der königliche Ankläger und Sekretär des Königs, John Dalrymple, der Kommandant der Streitkräfte in Schottland, Sir Thomas Livingston, und sogar – weil er die Befehle schließlich unterzeichnete – König Wilhelm verwickelt waren.

Anfang Februar 1692 wurden die 1. und 2. Kompanie des Earl of Argyll’s Regiments unter dem Kommando von Robert Campbell of Glenlyon, etwa 120 Soldaten, beim Clan der MacDonalds in Glencoe einquartiert. Diese bewirteten sie, wie es traditionell im Hochland üblich war. Captain Campbell war durch seine Heirat mit dem alten MacDonald verwandt, deshalb wurde er im Haus des Clanoberhaupts einquartiert. Etwa 14 Tage lang besuchte Captain Campbell jeden Morgen das Haus von Alexander MacDonald, Alistair MacDonalds jüngstem Sohn, der mit Campbells Nichte verheiratet war. Sie war die Schwester von Robert Roy MacGregor, dem "schottischen Robin Hood".

Am 12. Februar kam ein Captain Drummond in Glencoe an. Aufgrund einiger Auseinandersetzungen zwischen MacDonald und Drummond im Zusammenhang mit der Eidesleistung war Drummond kein gern gesehener Gast. Drummond verbrachte den Abend mit Kartenspiel mit seinen ahnungslosen Opfern und nahm noch eine Einladung zum Essen am folgenden Tag mit dem Clanoberhaupt MacDonald an, bevor er schlafen ging.

Alastair MacDonald wurde getötet, als er morgends aufstehen wollte, aber seine Söhne konnten fliehen, wie zunächst auch seine Frau. Insgesamt wurden 38 Männer in ihren Häusern oder während der Flucht in die Hügel ermordet. Weitere 40 Frauen und Kinder starben, da sie der winterlichen Witterung ungeschützt ausgeliefert waren, nachdem ihre Häuser niedergebrannt worden waren. Andernorts hatten einige Soldaten ihre Gastgeber gewarnt, andere, wie die Leutnants Francis Farquhar und Gilbert Kennedy, zerbrachen lieber ihre Säbel, als den Befehl auszuführen. Sie wurden festgenommen und ins Gefängnis gebracht, später jedoch entlassen, weil sie als Zeugen der Anklage gegen ihre kommandierenden Offiziere aussagten.

Zusätzlich zu den Soldaten, die sich in Glencoe aufhielten, standen in dieser Nacht zwei weitere Abteilungen mit jeweils 400 Mann bereit und sperrten die Fluchtwege ab. Beide Abteilungen erreichten jedoch ihre Positionen zu spät, nicht zuletzt durch den Schneesturm, der den Weg über den Devil’s Staircase bei Kinlochleven unpassierbar machte. Ebenso ist es möglich, dass sie nicht rechtzeitig ankommen wollten, um an dem Verbrechen nicht teilnehmen zu müssen.

1695 wurde eine Kommission eingesetzt, die die Vorfälle untersuchen sollte. Im schottischen Recht gibt es eine strafverschärfende Vorschrift, den „Mord unter Missbrauch des Vertrauens“. Das Glencoe Massaker passte eindeutig in diese Kategorie. Die folgende Untersuchung wies eindeutige Parallelen zu den späteren Nürnberger Prozessen auf, in denen auch die zentrale Frage behandelt wurde, ob Verbrechen dadurch gerechtfertigt werden können, dass Befehle befolgt werden mussten.

Ziel der Anklage war es, die Verantwortlichen für die Befehle zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei gab es einige Schwierigkeiten. Der König, der die Befehle unterschrieben hatte, sollte nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Das Argyll Regiment war zwischenzeitlich nach Frankreich versetzt worden und hatte sich in Flandern den Franzosen ergeben. Aus diesem Grund standen Campbell, Drummond und Duncanson der schottischen Gerichtsbarkeit nicht zur Verfügung.

Der Abschlussbericht der Kommission bestätigte die Unschuld des Königs und schob alle Schuld dem Staatssekretär John Dalrymple zu. Nachdem das schottische Parlament den Kommissionsbericht zur Kenntnis genommen hatte, erklärte es die Hinrichtung der MacDonalds zum Mord und beauftragten das „Komitee für die Sicherheit des Königreichs“, sich an den König zu wenden, damit dieser die für das Massaker Verantwortlichen bestrafen und gleichzeitig die überlebenden MacDonalds entschädigen sollte. Niemand wurde für das Massaker zur Rechenschaft gezogen.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
« Letzte Änderung: Januar 30, 2010, 20:11:11 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

cyparis

Re:Massaker von Glencoe oder vom Wert der Gastfreundschaft
« Antwort #3 am: Januar 30, 2010, 18:45:00 »
Ja, liebe Seeräuber-Jenny -


das hatte ich mir auch über ecosia (nix mehr google, ecosia rettet Bäume!)  erschlossen.
Schlimm, schlimm - wenn traditionelle Gastfreundschaft durch hinterlistigen Mord verraten wird.
Ich habe 

n i c h t   gesehen,

daß dies eine Villanelle ist - Asche auf mein Haupt.
Dann ist es doppelt gut und gelungen!

Lieben Gruß
von
cyparis

(von camster & glencairn)
Der Schönheit treu ergeben
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