Autor Thema: Arbeitsplatz Hölle (Doppelsonett)  (Gelesen 1116 mal)

Erich Kykal

Arbeitsplatz Hölle (Doppelsonett)
« am: Oktober 25, 2024, 20:03:26 »
An jedem Tag der Pflicht das gleiche Brennen
in meinen Eingeweiden, wenn ich gehe
an diesen Ort, wo manche mich nicht kennen,
die mich nicht grüßen wollen, wo ich stehe.

Verachtung spiegelt sich in ihren Blicken,
auch wenn sie tunlichst nie den meinen suchen,
mich in das Nirgendwo als Niemand schicken,
mir eine Reise in den Orkus buchen.

Sie wissen ganz genau, warum sie strafen,
kein Häuchlein eines Zweifels ficht sie an -
so sind die Unverzeihenden geraten:

Im Glanz des Rechtes legen sie sich schlafen,
wo niemand ihre Meinung ändern kann -
nicht Zeit, nicht Wort, und keine guten Taten.

So soll ich werden, was sie in mir sehen,
damit ihr rasches Urteil sich bestätigt,
sie nicht es prüfen müssen, mich verstehen,
ganz anders als ihr starrer Geist sie nötigt.

Sie sind nicht viele, diese schnellen Richter,
und mich verlangt es nicht nach ihrer Güte,
doch sehe ich die eisigen Gesichter,
tut's dennoch weh in meinem Herzgemüte.

Die Freude am Beruf ist lang begraben,
seit diese Mienen mich tagtäglich morden,
und Krankheit holt mich umso schneller ein.

Ihr könnt das Ziel all eurer Kälte haben:
Ich bin im Frieren schneller müd geworden,
und möchte längst für mich alleine sein.
« Letzte Änderung: Oktober 25, 2024, 20:17:42 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Arbeitsplatz Hölle (Doppelsonett)
« Antwort #1 am: Dezember 26, 2024, 02:35:14 »
Lieber Erich,

ich habe das schöne Gedicht mit Interesse und Sorge gelesen.

Jeder Arbeitsplatz kann zur Hölle werden, wenn man von den Kollegen abgelehnt, verachtet und ausgegrenzt wird. Die Ausgrenzung von Abweichlern stärkt immer das Wertgefühl der eigentlich Schwachen und den Zusammenhalt der ängstlich Angepassten und dadurch Selbstgerechten. Sie wächst mit der geistigen Enge und Unsensibilität der Mitglieder des sozialen Systems und dessen Intoleranz. Auch eine Schule wie deine kann so sein.

Der durch die anderen Verfemte wird unglücklicher und unsicherer, anfälliger für Fehler, er erkrankt an Seele und Körper, übernimmt evtl. die Einschätzung der anderen: verstummt und zieht sich in sich selbst zurück, um einen letzten Schutz zu finden.

Dein Gedicht zeigt klar im ersten Sonett die Gefühle und Verhaltensweisen der Täter/Richter und im zweiten die ihres Opfers/Angeklagten. Auch wenn die Zahl der Richter begrenzt ist und das Opfers ihre Charaktere durchschaut und so ihre Macht schwächt, der seelische Schmerz quält immer mehr und zerstört das Opfer allmählich.     

Sehr gut geschrieben.


Liebe Grüße von gummibaum



 

« Letzte Änderung: Dezember 26, 2024, 02:39:29 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Arbeitsplatz Hölle (Doppelsonett)
« Antwort #2 am: Dezember 29, 2024, 07:54:39 »
Hi Gum!

Dies war mein letztes Gedicht zu meinem Arbeitsplatz, denn mittlerweile bin ich im Dauerkrankenstand und werde mit Ende Jänner krankheitshalber pensioniert.
Meine Tablettenchemo hat ihre Wirkung verloren, und mein Bauch ist voller geschwollener Lymphknoten, die mir die Peristaltik ruinieren. Ohne Abführmittel geht zur Zeit nix mehr.
Zudem bekomme ich über das kommende Jahr eine Infusionschemo mit Tablettenunterstützung. Dazu hat man mir einen Venenport unter die Haut gesetzt.
Weil meine Werte zur Zeit so mies sind, war ich die zwei Wochen vor Weihnachten im Krankenhaus, auch für die ersten drei Chemo-Infusionen.
Ich habe abgenommen und fühle mich schlapp, aber zumindest die mit den heftigeren Chemos einhergehende Übelkeit ist mir bisher erspart geblieben.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 29, 2024, 07:57:36 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Arbeitsplatz Hölle (Doppelsonett)
« Antwort #3 am: Dezember 29, 2024, 12:52:07 »
Hallo Erich.
vorallem der Schluss ist genial geschrieben. Dieses Gedicht kannst du ja an die Pinnwand deiner Schule heften. Als Abschiedsgruß.
Ich wünsche Dir, dass es bald wieder besser und erträglicher für Dich wird.
Einen schönen Übergang ins neue Jahr und ein gesundes und schmerzfreies 2025 wünsche ich Dir.

Gruß Copper.

Erich Kykal

Re: Arbeitsplatz Hölle (Doppelsonett)
« Antwort #4 am: Dezember 30, 2024, 18:28:42 »
Hi Cop!

Dank für die verständnisvollen Worte.

Das liegt jetzt alles hinter mir, da ich krankheitshalber in den Ruhestand versetzt werde. Das Gedicht habe ich nicht offen ausgehängt, obwohl ich ehrlich versucht war, aber am Ende war es mir die Sache nicht wert. Zumindest habe ich die ausgedruckte Kopie in meinem Lehrerkoffer hinterlassen. Ich lasse das Schicksal entscheiden, ob es gefunden oder dann weitergereiicht wird - mir ist es längst egal: Es liegt in der Vergangenheit.


LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 30, 2024, 22:40:41 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.