Autor Thema: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust  (Gelesen 2219 mal)

Erich Kykal

Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« am: April 18, 2024, 18:40:35 »
M:

Ich kann es gänzlich nicht verhehlen, dass
mir Euer Anblick wenig will gefallen,
wie Ihr da, so erlöst und engelsblass
gar traulich tändelt mit den andern allen!

Von rechtens wart Ihr mein, mit Haut und Seele,
ein wahrer Narr, so wie die Menschen alle!
Doch kaum, dass Er dem Herrn sich anbefehle,
sei Er gerettet vor der eignen Falle,

in die Er sich durch Taten und Gedanken
beinah von ganz alleine hat gefahren!
Von jeher machte Euch der Zweifel schwanken,
und Eure Lust kaum reifer mit den Jahren!

F:

Ich hör dich wohl und will es nicht verhehlen:
Ich war ein Narr, wie alle Menschen bleiben.
Doch wer gehorcht, lernt niemals zu befehlen,
und wer nicht rudern mag, muss ewig treiben.

Ich wuchs - und irrte, wage ich zu sagen,
wohl mehr als mancher, der das Leben lernte,
wo nackter Ehrgeiz und Begehren tragen,
bis uns das Alter von der Gier entfernte.

Du bleibst ein Schelm, dich jagen keine Jahre,
ein Spötter, Possenreißer und Versucher.
So manchen klaubst du ab noch von der Bahre,
doch ich ging frei: Der ewigliche Sucher.
« Letzte Änderung: April 23, 2024, 21:54:04 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« Antwort #1 am: April 20, 2024, 21:47:37 »
Hallo Erich,

Doch wer gehorcht, lernt niemals zu befehlen,
und wer nicht rudern mag, muss ewig treiben

Genial diese Aussage. Pure Lebensweisheit. Konfuzius war wohl mal einer deiner Schüler🙂.

So hat sich Faust wohl seine verkaufte Seele illegale wieder zurück geholt und seine Jugend verloren.
Ewige Jugend ist auf Dauer auch viel zu anstrengend. Die Jugend ist so anstrengend, dass wir alt davon werden.

Hat Spaß gemacht zu lesen.

Liebe Grüße, Copper.

Erich Kykal

Re: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« Antwort #2 am: April 23, 2024, 21:49:04 »
Hi Cop!

Danke für deine lobenden Worte.

Ewige Jugend hatte Faust nie. Mephisto machte ihn nach ihrem Vertragsschluss wieder jung, um ihn mittels des jugendlichen männlichen Triebdrucks zu verführen, aber ab da alterte er wieder.

Technisch gesehen hat er auch seine Seele nie verloren, da Mephisto am Ende den Vertrag nicht erfüllen konnte. Faust war nie zufrieden mit sich und der Welt, hörte nie auf zu streben.

Dabei ging es um diese Wette: Mephisto soll den lebensüberdrüssigen Faust wieder für die Welt begeistern, seine Getriebenheit lindern, ihn Zufriedenheit lehren, um den Preis seiner Seele. Faust denkt nicht, dass dem Teufel das gelingt:

"...und werd ich je zum Augenblicke sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Dann magst du mich in deine Fesseln schlagen -
dann will ich gern zugrunde gehn!"

In Faust II bereist er die Welt, tut viele Dinge, ist oft egoistisch, aber nicht nur. Er will im Grunde das Gute, auch wenn er zuweilen das Gegenteil erreicht (Philemon und Baucis).

Die Quintessenz des Faust verdichtet sich in diesen beiden Sätzen aus den Stücken:

Faust I: 'Es irrt der Mensch, so lang er strebt.' (Stimme Gottes)
Faust II: 'Jedoch wer ewig strebt, den können wir erlösen.' (Gesang der Engel)

So zumindest meine Interpretation. Literarisch wie lyrisch interessant ist mehrheitlich allerdings nur der Tragödie erster Teil, also Fausts Vertrag und die Gretchengeschichte, die praktisch mit deren Hinrichtung endet.

Faust II verzettelt sich in vielen Schauplätzen und Nebenfiguren und baut keine echte Dynamik, keinen roten Faden auf. Teilweise ist er nicht einmal in Reimen geschrieben. Dementsprechend kennen die meisten Menschen nur den ersten Teil, und den auch meist nur vom Hörensagen.

Als ich den Faust mit Sechzehn zum ersten Mal gehört habe, war ich überrascht, wie viele geflügelte Worte und Redewendungen bis heute aus diesem Stück in die deutsche Allgemeinsprache eingeflossen sind!

LG, eKy
« Letzte Änderung: April 23, 2024, 21:52:35 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« Antwort #3 am: April 25, 2024, 20:55:19 »
Interessantes Gespräch, lieber Copper,

das den Charakteren der Figuren entspricht, in Gedankentiefe und Sprachstil auch dem des Dramas. Besonders gefällt mir: "klaubst du ab".

Mit Freude gelesen.

LG g

Erich Kykal

Re: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« Antwort #4 am: April 25, 2024, 21:53:05 »
Hi Gum!

Vielen Dank, auch wenn ich nicht Copper bin.  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« Antwort #5 am: April 27, 2024, 21:34:17 »
Hallo Gum,

fühle mich geehrt. Dass ich mal solche Werke schreibe, davon träume ich.

Hallo Erich,

gönne mir doch auch mal solche Erfolgserlebnisse. :)

Gruß Copper.

gummibaum

Re: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« Antwort #6 am: April 28, 2024, 11:16:24 »
Sorry...

Erich Kykal

Re: Kürzliches Gespräch zwischen Mephistopheles und Faust
« Antwort #7 am: April 28, 2024, 15:51:23 »
Never mind!

Ich gönne Copper das geborgte Erfolgserlebnis von Herzen, und Gum nehm ich nichts krumm!  ;D

Der einzige Grund, aus dem ich misslaunig werden könnte ist, wenn keiner meine Werke kommentiert ...  ::)

Kichernde Grüße, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.