Autor Thema: Wind  (Gelesen 1309 mal)

Emilie

Wind
« am: Dezember 23, 2023, 21:50:43 »
Es pocht dein Herz mir leise
und leiser zieht ein Wind
durch Gärten, die mir weiße
verblasste Blüten sind.

Aus Tiefen steigt ein Klang
empor zu einem Lauschen -
den Bäumen ist ganz bang,
als sie in ihm verrauschen.

Ich möcht aus Klagen steigen,
in Versen sie ausschweigen,
zu neuen Gärten tragen
und mich vor dem verneigen,
aus dem die Worte ragen,
die mir gegeben sind.

Erich Kykal

Re: Wind
« Antwort #1 am: Dezember 23, 2023, 22:30:26 »
Es pocht dein Herz mir leise
und leiser zieht ein Wind
durch Gärten, die mir weiße
verblasste Blüten sind.

Aus Tiefen steigt ein Klang
empor zu einem Lauschen -
den Bäumen ist ganz bang,
als sie in ihm verrauschen.

Ich möcht aus Klagen steigen,
in Versen sie ausschweigen,
zu neuen Gärten tragen
und mich vor dem verneigen,
aus dem die Worte ragen,
die mir gegeben sind.


Hi Em!

S1Z1 - Komma ans Ende.
S1Z2 - Wortwiederholung 'leise/leiser' beabsichtigt? Ansonsten 'stiller'
S1Z3 - Der Reim mit normalem s und scharfem ß ist unrein.

S2Z1 - Beabsichtigter Kadenzenwechsel? S1: wmwm, S2: mwmw
S2Z2 - Srachlich schöner: 'als sie darin verrauschen.'

S3Z1 - Sprachlich gediegener als 'möcht' (obendrein eine Verkürzung!) wäre 'will'.
S3Z2 - 'ausschweigen' will auf der ersten Silbe betint sein, der Takt deiner Zeile aber zwingt zu einer Betonung von Silbe 2: ausschweigen. Unnatürlich, unschön.
S3Z5 - Sprachlich schöner als 'aus dem' wäre hier: 'woraus'.
S3Z6 - bleibt ungereimt.

Versuch einer Überarbeitung der monierten Stellen:

Es pocht dein Herz mir leise,
und stiller zieht ein Wind
durch Gärten, wo nur greise,
verblasste Blüten sind.

Aus Tiefen steigt ein Klingen
empor zu einem Lied,
das alle Bäume singen,
da schon der Sommer flieht.

Ich will aus Klagen steigen,
in Versen sie verschweigen,
beschwichtigend und lind,
und mich vor dem verneigen,
woraus die Worte ragen,
gebunden und getragen,
die mir gegeben sind.


Man könnte einwenden, es sei nun ein fast völlig anderes Gedicht, und das Argument wäre nicht unrichtig, aber hier wäre alles formal korrekt. Nimm, was dir brauchbar erscheint, oder finde eigene Varianten, wenn es dir den Aufwand wert ist.

Was mich etwas befremdete: Das Werk beginnt mit 'dein Herz', was ein Liebesgedicht vermuten lässt, oder zumindest, dass es inhaltlich um eine Beziehung geht, aber danach wird ein 'du' mit keinem Wort mehr erwähnt, und was folgt, macht inhaltlich nicht den Eindruck, das es hier um soziale Interaktivität geht.
Solltest du mit der ersten Zeile den 'Wind' aus dem Titel ansprechen (Haben Winde ein Herz?), so torpedierst du dies sogleich mit Z2, wo mit 'ein Wind' wieder verallgemeinert wird, was nicht darauf schließen lässt, dass es der angesprochene Wind aus Z1 sein könnte. Eher, dass es womöglich mehrere Winde gibt: Den in Z1 persönlich adressierten und den in Z2 unpersönlich erwähnten.

Ansonsten gern gelesen!

LG, eKy

PS: Sorry, wenn ich zu lästig mit Kritik bin - ich kann nicht anders als der Sprache selbst verpflichtet zu sein, der ich die bestmögliche Bühne bereiten will.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Emilie

Re: Wind
« Antwort #2 am: Dezember 24, 2023, 00:41:29 »

PS: Sorry, wenn ich zu lästig mit Kritik bin - ich kann nicht anders als der Sprache selbst verpflichtet zu sein, der ich die bestmögliche Bühne bereiten will.

Lieber Erich,

bitte mache dir deswegen keine Sorgen. Ich weiß doch mittlerweile wie du bist!
Deine Kritik nehme ich sehr gern an und überdenke sie, weil ich weiß, dass sie Substanz hat. Bei anderen Usern, die "Kritik" "formulieren", bin ich schon sturer.

Die eigentliche Fassung des Kleinods ist komplett kleingeschrieben und völlig frei von Satzzeichen. Diese Version betrachtet die Zeichensetzung mehr als Zäsur bzw. als kleine Stopschilder, die für das Deklamieren relevant sind. Aber gerne nehme ich deine Korrektur entgegen! Die Wörter allerdings, so wie sie dastehen, mit den Vokalen... Bleiben so stehen, da es für mich Abstufungen sind. Aus "leise" wird "leiser" und "weiser". Das will die Verse etwas in die Stille drücken.

Mittlerweile vertrete ich die Einstellung, dass Lyrik keine Regeln der Prosa benötigt. Es gibt allerdings auch Werke, wo es mir sehr wichtig ist.
Aus dem Grund, vor allem wenn es für Dich ein Ansinnen ist, höre bitte nie damit auf! Denn dümmer werden kann ich davon nicht. Ich respektiere Deine Einwände.

Morgen poste ich ein "Möchtegern-Sonett", mal sehen was dabei herauskommt.

Ich weiß nicht, ob dir Weihnachten goutiert. Aber ich wünsche dir Besinnlichkeit und etwas Frieden.

Lg E!
« Letzte Änderung: Dezember 24, 2023, 00:47:09 von Emilie »

Erich Kykal

Re: Wind
« Antwort #3 am: Dezember 24, 2023, 02:57:29 »
Auch wenn ich selbst nicht feiere - vielen Dank für die guten Wünsche, und dasselbe retour!
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.