Hi Gum!
Du vertiefst da auf deine unnachahmlich lyrische Weise ein Thema, das vielleicht mehr ältere Menschen betrifft als gedacht. Mir zumindest ergeht es ebenso. Mit dem Nachlassen des hormonellen Drucks, des damit verbundenen Ehrgeizes und der Getriebenheit von Charakter und Libido relativieren sich irgendwann die Lebensprämissen, und man definiert Ziele neu oder streicht sie endgültig. Die Summe der Lebenserfahrung tut schließlich ein Übriges, um so manche Tür endlich zu schließen, die ständig in uns für kalten Durchzug gesorgt hat.
Die alten Wunden heilen endlich oder wachsen einfach zu, überlagert von neuen Schichten Persönlichkeit und Erinnerungen. Sie bleiben präsent, um zu formen, was und wer wir sind, aber sie tun nicht mehr so weh wie einst, als man Diverses noch anders sah oder wichtig nahm. Das führt, mit der Abgeklärtheit des Alters, die für weniger 'Action' sorgt, biswelen zu dem Gefühl, nichts Neues finden zu können, mit dem man sein Leben wertig füllen könnte, in seiner Intensität vergleichbar dem Erinnerten aus früheren Jahren, vor allem der Jugendzeit, als wir uns an der Welt formten.
Das führt dann zu diesem Gefühl der inneren Leere, die einen den Schmerz alter Wunden vermissen lässt, da dieser es war, der uns das Gefühl gab, am Leben zu sein, tief genug, dass wir uns spürten.
Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich meistens sogar erleichtert bin, dass mein Lebensdruck nachgelassen hat, ich kein Getriebener mehr bin, und dass manche ungelebten Erinnerungen ausdünnen und verblassen. Auf der anderen Seite erkenne ich erst jetzt dank jahrzehntelanger Gewissensschulung, was ich zuweilen für ein Arschloch gewesen bin, ohne es zu merken oder wahrhaben zu wollen, und das generiert neuen Schmerz, der mich definiert. Aber diesen Prozess erlebt ein jeder anders.
Sehr gern gelesen!
LG, eKy