Autor Thema: Kindheit im Wirtschaftswunderland  (Gelesen 669 mal)

Erich Kykal

Kindheit im Wirtschaftswunderland
« am: Oktober 13, 2023, 15:33:02 »
Geboren ins stumme Vergessen der Täter,
gewachsen in Frieden und sichere Hut,
nur kalt war der Krieg in den Köpfen der Zeit.
Es schwiegen nach Hitler die arischen Väter,
was zählte, war Wohlstand und nicht unser Blut,
erlitten – und niemals verursacht! – das Leid.

Wir waren die glücklich geretteten Kinder,
dem Krieg und der Not immer ferne und fremd,
die Tage durchwachsen mit Kurzweil und Trubel.
Schon lange verstreichen sie leiser, gelinder,
der Lauf dieser Welt ist uns Jacke wie Hemd,
doch was davon blieb, ist ein Herz voller Jubel.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Kindheit im Wirtschaftswunderland
« Antwort #1 am: Oktober 18, 2023, 23:39:34 »
En Gedicht über die Kindheit in der Nachkriegszeit, die den Frieden zelebrierte und mit dem Bild einer heilen Welt Verdrängung übte. Das ermöglichte vielen Kindern ein viel unbeschwertes Aufwachsen als in früheren Zeiten, schuf aber Bürger, die oft wenig Sensibilität für das Leid anderer entwickelten, geschweige denn etwas riskieren wollten, um gegen Unrecht vorzugehen.

Sehr schön geschrieben (auch vers- und reimtechnisch), lieber Erich.
LG g

Erich Kykal

Re: Kindheit im Wirtschaftswunderland
« Antwort #2 am: Oktober 21, 2023, 01:58:05 »
Hi Gum!

Wenn wir es schaffen, unser Leben in Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu verbringen, von der Geburt bis zum Tod, dürfen wir uns glücklich schätzen und müssen darob auch kein schlechtes Gewissen haben. Dass andere es nicht so gut haben, ist nicht unsere Schuld, sondern die der von jenen anderen gewählten oder erduldeten und hingenommenen Systeme und Potentaten. Wir können nicht für die gesamte Menschheit zuständig sein, die meisten von uns kriegen kaum ihr eigenes Leben auf die Reihe! Glück ist niemals 'verdient', man hat es einfach - oder eben nicht. Ich gedenke nicht, mich für das Glück meiner Geburt zu schämen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.