Das Herz (Versuch über Gitter)

[Sufnus]

Das Herz (Versuch über Gitter)

Sein Herz ist vom Verticken vieler Stunden
so alt geworden, fast schon leergelebt:
Die letzten Wunden kaum als Schmerz empfunden,
ein krankes Tier, das müd die Augen hebt

und sieht noch mal die Gitter, Mauern, Schranken,
aus denen sichs einst seine Welt gebaut
und flüchtet dann verzagt in den Gedanken,
wie übern Schlaf ein neuer Morgen graut.

[Erich Kykal]

Hi Suf!

Eine Hommage an Rilke's 'Der Panther'.

Schon der Einstieg erinnert an Verse aus dem Gedicht: 'Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe // so müd gworden, dass er nchts mehr hält'

Das 'kranke Tiier' und die in S2Z1 erwähnten 'Gitter' tun ein Übriges, auf die Quelle der Inspiration zu verweisen.

Einzig das 'sichs' in S2Z2 erscheint mir sprachtechnisch wie klanglich etwas ungelenk. Klarer: 'aus denen andre seine Welt gebaut,'  - Hier fehlt zwar das Hilfszeitwort 'haben', aber das ist poetisch statthaft. Zudem meine ich, dass das Ende von Z2 durchaus ein Komma veträgt.

Fr Z4 wäre auch anzudenken gewesen: 'wie letztem Schlaf ein neuer Morgen graut.' Das würde die Verkürzung 'übern' ersparen.


Sehr gern gelesen, war doch Rilke's Panther dazumals meine Initialzündung in Sachen Lyrik, als ich ihn als Zwölfjähriger zufällig im österreichischen Schullesebuch fand. Nicht dass meine Deutschprofessorin das Werk je durchgenommen hätte, und das Gedicht ist - so wie jegöiche Form von Lyrik - längst aus dem offiziellen Schullesebuch verschwunden. Ich glaube, es gibt mittlerweile gar kein solches mehr in Österreich. Die Menschheit verarmt zusehens literarsich im Zeitalter des Twitterwahns ...
Als ob es nur das wäre - mittlerweile habe ich jede Menge Schüler, die keine analoge Uhr mehr lesen können - als Zwölfjährige!!!


Allergernst gelesen! 

LG, eKy

[gummibaum]

Lieber Sufnus,

an Rilkes „Panther“ musste ich auch gleich denken, weil der Rhythmus des Gedichts, das Gitter, Herz und kranke Tier darauf verweisen.

Aber es ist hier anders, weil das Verkaufen der Lebenszeit das Herz entkräftet, entleert und schmerzunempfindlich gemacht hat, während es die Gitter, Mauern und Schranken waren, aus denen es sich die Welt gebaut hatte.

Ich denke mir, dass so eine selbst gezimmerte Gefängniswelt tatsächlich nichts Belebendes einlässt, keinen Austausch gewährt, nur zu einem langsamen Vertrocknen und Zerbröseln führt... Da wäre ich auch verzagt und ohne Perspektive.
   
Bei „emfpunden“ sind zwei Buchstaben vertauscht, bei sichs fehlt evtl. ein Apostroph.

Sehr gern gelesen.
LG g

[Sufnus]

Hey eKy & gum!
Da freue ich mich, dass Ihr den Panther gleich herausgehört habt! Den von Dir, gum, scharf erspähten Dreckfuhler korrigiere ich gleich. Bzgl. Deiner Verbesserungsideen, eKy, muss ich noch ein bisschen nachdenken, da sie auch die Aussage stark verändern. Mir ging es hier entscheidend auch darum, dass die Erzählstimme (anders als der unschuldig eingesperrte Panther) selbst an der Errichtung der Mauern um sie herum maßgeblich beteiligt war. Du hast das, glaube ich, lieber gum, genau so herausgehört.
Also: Vielen lieben Dank Euch beiden für die Kommentare!
LG!
S.