Autor Thema: Lied masochistischer Subs (Oder ein Gebet an den Herrn?)  (Gelesen 784 mal)

Erich Kykal

Lied masochistischer Subs (Oder ein Gebet an den Herrn?)
« am: August 13, 2023, 23:15:33 »
Du nahmst mich unter deine warmen Hände
wie einen Vogel, der nicht fliegen kann,
der, ganz egal, was ihm das Leben fände,
den Himmel scheute, den sein Traum begann.

Du hast mir Poesie ins Herz gedichtet
mit Reimen, rot und strahlend auf der Haut.
Ich las die Zeilen, deiner Glut verpflichtet,
aus tiefster Seele, hemmungslos und laut.

Du trugst mich durch die dunkelsten Verliese
des eignen Herzens hin zu deinem Licht
aus grellem Leid, als ob nur dies bewiese,
dass ich mich fühlen kann wie anders nicht.

Du hast mich hart an deinen Pfahl gebunden
mit Ketten jeder Sehnsucht, die mich rief.
Ich habe niemals je so tief empfunden,
was unerweckt in meinem Wesen schlief.

Du quältest mich, damit ich dich erleide
wie eine Buße, selbst mir auferlegt,
zu fühlen bis in meine Eingeweide,
dass du der Herr bist, der mein Leben trägt.
« Letzte Änderung: August 13, 2023, 23:21:42 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Lied masochistischer Subs (Oder ein Gebet an den Herrn?)
« Antwort #1 am: August 17, 2023, 20:30:23 »
Hallo  Erich,

Du beschreibst die totale Hingabe eines Menschen. Als Metapher gelesen, für alle Lebensbereiche treffend. Fanatisch religiös gelesen  beschreibst du vortrefflich die Gedankenwelt einer sich dem  Glauben verschriebenen Person. Etwas älter schon. Denn es schlägt nicht das Feuer der Jugend aus deinen Zeilen, sondern eher die vom  Leben geschlagene  Sanftheit des Alters.

Sehr schöne Lyrik

Gruß Copper
« Letzte Änderung: August 17, 2023, 20:35:51 von Copper »

Erich Kykal

Re: Lied masochistischer Subs (Oder ein Gebet an den Herrn?)
« Antwort #2 am: August 18, 2023, 11:06:28 »
Hi Cop!

Danke! Die Zweischneidigkeit völliger Hingabe - ein ewiges Thema!

Hier ist mir etwas gelungen, das man als harmlose epiphnaische Huldigung an einen Gott lesen kann - oder als sadomasochistische Anbetung eines Doms, der das LyrIch zu seinem persönlichen Sex- und Foltersklaven dressiert hat. (Mit dessen Einverständnis natürlich, das dazuzusagen sollte nicht mehr nötig sein, aber viele Menschen nachen sich immer noch ein völlig falsches Bild von der aktuellen legalen S/M-Szene.)

Dementsprechend die verborgenen Anspielungen: Die 'Reime, rot und strahlend auf der Haut' werden zu Peitschenstriemen, das 'Licht aus grellem Leid' steht für die Lust am Schmerz. Der Sklave/die Sklavin wird  'an den Pfahl gebunden', sprich an die Erektion seines/ihres Herrn, und das 'Fühlen bis in die Eingeweide' kann man als normale Penetration oder als Analverkehr interpretieren.

Gläubigen Naiven werden diese Anspielungen kaum auffallen, ihre 'reine' Perspektive lässt das gar ncht zu. Wie viele solche 'Heiligen' mag es geben? Wer hätte ohne meinen verräterisch klaren Titel nichts von alledem bemerkt und wirklich nur das inbrünstige gottesliebende Gebet wahrgenommen?
Psychologisch daran interessant ist, dass die Hirntätigkeit bei beidem dieselbe ist: Sowohl bei der Gottesanbetung wie bei der erotischen Unterwerfung sind weitgehend dieselben Hirnareale aktiv! Die Lust am Schmerz war auch den Gläubigen nie fremd: Von Selbstgeißelungen bis hin zum freiwilligen Tragen von beständig schmerzenden Foltergeräten 'im Namen des Herrn' - in den Klöstern von jeher keine Seltenheit.

Ob zur vermeintlichen Abtötung der Lust oder deren zelebrierter Erhöhung - ob glaubenskulturell kolportierter Himmel oder Hölle - am Ende bleibt alles eins.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Lied masochistischer Subs (Oder ein Gebet an den Herrn?)
« Antwort #3 am: August 20, 2023, 13:43:41 »
Lieber Erich,

eine toll formulierte Synopse zweier Welten mit Bloßlegung ihrer gemeinsamen triebhaft - sadomasochistischen Wurzel.

Mit großem Vergnügen gelesen.

Chapeau von gummibaum

Erich Kykal

Re: Lied masochistischer Subs (Oder ein Gebet an den Herrn?)
« Antwort #4 am: August 21, 2023, 21:04:31 »
Hi Gum!

Die menschliche Natur - wären doch nur mehr sich ihrer bewusst, dann gäbe es weniger Gewalt, Kriege und Verbrechen aus 'Leidenschaft'.  ::)

Danke für den freundlichen Zuspruch!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.