Autor Thema: Dankbar  (Gelesen 1537 mal)

Erich Kykal

Dankbar
« am: Januar 20, 2022, 21:36:53 »
Der Wind von Norden weht so scharf,
und ich, in seine Wucht gebückt,
die meine Schritte heimwärts drückt,
bin dankbar, dass ich leben darf.

Die gute Stube lockt mit deinen
vertrauten Düften, deiner Nähe,
die stille Glut, die ich erspähe,
wenn unsre Augen sich vereinen.

Dein Atem steigert den Bedarf
nach zarten Bildern, die aus allen
Bedenken in mein Sehnen fallen,
beglückt, dass ich sie leben darf.

Mit aller Welt bin ich im Reinen,
wo deiner Nähe weiche Wonnen
wie mit der Macht von tausend Sonnen
ins Dunkel meiner Tage scheinen.

Der Blick, der deine Wünsche warf,
gerann zu meinem Quentchen Glück,
und ich bin jeden Augenblick
so dankbar, dass es leben darf.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Dankbar
« Antwort #1 am: Januar 21, 2022, 16:42:43 »
Hi eKy!

Ein für Deine Verhältnisse ;) auf den ersten Blick geradezu vor Optimismus sprühendes Werk. Nur wenn man genauer hinschaut, bemerkt man, dass entlang der Stichwörter "Wind von Norden", "Bedenken" und "Dunkel meiner Tage" eine Schattengrenze zu ziehen wäre, die das hellte Glück von einer eingetrübten Zone des Nicht-Glücks trennt. Am Ende ergibt sich eine Art Bilanz und die fällt (soll man ergänzen: "nur" oder doch lieber: "immerhin"?) gerade so eben positiv aus: Ein Quentchen Glück.
Nebenbefundlich outet diese Schreibeweise den Autor zugleich als Anhänger der alten Rechtschreibung :),  die etymologisch genauer als die neue RS, die kleine Menge Glück nicht von einem kleinen Quantum (=> "Quäntchen"), sondern von einem alten Fünftelgewicht, dem Quentinus (=> "Quentchen") herleitet. :)

Die einzige Stelle, bei der ich noch etwas zwischen Irritation und Erfreunis schwanke, sind die tausend Sonnen in der vorletzten Strophe, eigentlich eine sehr schöne Anspielung (gewollt? ungewollt?) auf einen Buchklassiker von Robert Jungk über... die Atombombe...
Gerade in der Diskrepanz zwischen Liebeslyrik (ob hier nun eher die gute Stube oder das dorte wartende geliebte Wesen besungen sind, muss uns nicht interessieren, ebenso wenig, ob das geliebte Wesen ein Fell trägt oder nicht) - also diese Diskrepanz zwischen Liebeslyrik und Atomwaffen ist eigentlich eine coole Volte - da bin ich ganz auf der Erfreunis-Seite. Wo es für mich etwas schwierig wird, ist die Verbandelung der tausend Sonnen mit "weichen Wonnen" in der Gedanken- und Reimverknüpfung. Das finde ich als Bild etwas schief, weiche Wonnen habe ich dann doch eher in flauschigen Daunen als am Bodennullpunkt einer Nuklearexplosion... aber vielleicht sind andere Leser ja aus feuerfesterem Material gefügt. :)

Sonst sehr gern gelesen! :)

S.


« Letzte Änderung: Januar 21, 2022, 18:48:31 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Dankbar
« Antwort #2 am: Januar 21, 2022, 23:50:46 »
Hi Suf!

Vielen Dank für das positive Echo!  :)

Mir wurde vorgeworfen - übrigens nicht zum ersten Male - ich würde in meinen Werken "auf hohem Niveau jammern" - ewig so negativ, depressiv, defaitistisch, usw ...
Ich wollte mal was Positiveres Schreiben, indes - ich kann wohl nicht so ganz aus meiner Haut, deshalb wohl unbewusst die "eintrübenden" Stichwörter ...

Von wegen der "tausend Sonnen" - das ist die Crux des Hochgebildeten: Er sieht überall Querverweise und mögliche Anspielungen, auch wenn der - unbeschlagenere - Autor gar keine gemeint hatte!  ;) ;D

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Dankbar
« Antwort #3 am: Januar 23, 2022, 14:54:04 »
Lieber Erich,

eine mich als Leser erwärmende Dankbarkeit für ein Zuhause, das die belebende Nähe eines freundlichen und zärtlichen Wesens birgt. Sehr schön geschrieben.

Mit Freude gelesen.

Grüße von gummibaum

Erich Kykal

Re: Dankbar
« Antwort #4 am: Januar 23, 2022, 22:37:01 »
Hi Gum!

Danke für den Zuspruch! Für mich ist dieses Gedicht ja eine hypothetische Übung, aber in etwa so stelle ich es mir vor, wenn man mit einer Beziehung rundweg glücklich ist, und in aller Demut dankbar dafür.

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Dankbar
« Antwort #5 am: Januar 25, 2022, 14:30:50 »
Von wegen der "tausend Sonnen" - das ist die Crux des Hochgebildeten: Er sieht überall Querverweise und mögliche Anspielungen, auch wenn der - unbeschlagenere - Autor gar keine gemeint hatte!  ;) ;D

Hi eKy! :)
Vielen Dank für die Blumen! Ich dachte mir schon, dass die Anspielung nicht absichtsvoll erfolgt ist, da - wie ich schon schrieb - die Bilder der "weichen Wonnen" und der apokalyptischen Kräfte einer Kernspaltung einigermaßen disparat sind.
Ob diese Anspielung aber nun mit Absicht erfolgt ist oder nicht - sie ist dennoch vorhanden! Indem wir unsere Werke in die Welt entlassen, entziehen sie sich unserer Deutungshoheit, so dass man das, "was der Autor mit seinem Text sagen wollte", zwar nicht gerade ignorieren muss, aber doch auch nicht allzu ernst zu nehmen braucht. Sehr viele Autoren haben in ihren Werken Dinge in die Welt gesetzt (im Guten oder auch im Bösen), die sie sich in ihren kühnsten Gedanken nicht hätten träumen lassen.
Nunja... dieser Streit zum Spannungsfeld von Autorschaft und Textinterpretation ist alt und er gipfelte in der kämpferischen Parole vom "Tod des Autors" (Roland Barthes), einem Postulat, dem einige Jahre später das Motto von der "Rückkehr des Autors" entgegengeschmettert wurde.
Diese literaturtheoretischen Auseinandersetzungen sind wohl für den Nichtexperten eher unergiebig, aber ich denke, dass bei einem literarischen Text zwischen dem, was der Autor sagen wollte und dem, was er tatsächlich ausdrückt, durchaus manchmal eine bemerkenswerte Kluft klafft. ;)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Dankbar
« Antwort #6 am: Januar 25, 2022, 18:15:20 »
Hi Suf!

Oh, ich lasse gern andere Deutungen gelten - selbst, wenn sie nachgerade konträr zur eigenen Intention gehen. Je mehr Möglichkeiten, desto besser!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Dankbar
« Antwort #7 am: M?RZ 16, 2022, 05:39:08 »
Hi Erich,
dieses Gedicht ist doch mal Balsam auf die Seele, auch wenn es, wie du sagst , nur "hypothetischer" Balsam st.😉

Zufrieden sein zu können ist eine große Kunst, die schließt die Kunst der "positiven Resignation" mit ein, d.h. die Kunst, Abstriche machen zu können, überzogene Erwartungen zurückzunehmen, bescheiden zu sein und es zu bleiben.

Ich gehe sogar noch weiter und sage:  Demut und Hingabe an das Leben gebieten es!
Und das hat dann auch nichts mit Unterwerfung zu tun, sondern mir Loslassen können von all dem, was das eigene Ego sich gerade so anmaßt und einbildet - um dann
dankbar zu sein für das Leben, so schwierig es auch sein mag.

Hypothese gelungen, Praxisbeweis darf folgen.😉

LG, larin

Erich Kykal

Re: Dankbar
« Antwort #8 am: M?RZ 16, 2022, 13:06:15 »
Hi larin!

Danke für die lieben Wünsche, aber Praxiserweis wird es für mich nicht geben. In zu vielen Aspekten, die eine funktionierende Gemeinsamkeit bedingen, funktioniere ich nicht korrekt. Und es wäre ohnehin zu spät - ein schwer adipöser, kranker, haariger alter Fleischsack kurz vor Pflegestufe eins ... wer wollte sich das schon antun ...  ;) ::) :o

Sollte dein Kommi rein philosophisch auf den Seelenzustand an sich angespielt haben und nicht auf die dem Werk ebenfalls inhärente Zweierbeziehung, so sehe ich mich bereits seit Jahren hauptsächlich in diesem Zustand der "positiven Resignation".

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.