Autor Thema: Stürmische Gedanken  (Gelesen 592 mal)

Erich Kykal

Stürmische Gedanken
« am: Februar 17, 2022, 09:56:50 »
Wo die Winde wütend stieben
um das altgediente Haus,
und die Tropfen wie getrieben
aufwärts tanzen an den Scheiben,
schaut so mancher still hinaus
in das wilde Wolkentreiben.

Denkt ans Brausen seiner Jugend,
seines Lebens Sturm und Drang,
als noch keine weise Tugend
ihn verlockte, einzuhalten,
bis zum Tag, da dies gelang,
um sich milder zu gestalten.

War sein Wirbeln das des Regens
auf den Fenstern, nass und blind,
Tänzer eines fremden Segens,
Taumelnder durch Urgewalten -
oder war er selbst der Wind,
seine Strömung zu gestalten?
« Letzte Änderung: November 22, 2024, 22:53:59 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Stürmische Gedanken
« Antwort #1 am: Februar 17, 2022, 18:23:40 »
Gefällt mir sehr, lieber Erich,

da es gute Naturbeobachtung und Introspektion mit schöner Sprache vereint. Ja, der Wandel der Empfindungen mit zunehmendem Alter:

Ich hatte gestern und heute, vom momentanen Sturmtief inspiriert, ähnliche Gedanken. Erinnerte mich an 1962 (Sturmflut in Hamburg), als ich, 8-jährig, auf dem Heimweg vom Voltigieren vom Sturm rückwärts getrieben wurde und mich immer weiter von zu Haus entfernte. Ich bekam Angst. Aber später war ich gern  -zum Beispiel beim Drachensteigen oder Segeln - Gefährte rauer Wetter, weil ich mich mit Kraft und Temperament identifizierte.  Heute geht es mir auch eher wie dem Mancher-LI hinter dem schützenden Fenster.

Chapeau und Gruß von gummibaum

   


Erich Kykal

Re: Stürmische Gedanken
« Antwort #2 am: Februar 17, 2022, 21:36:56 »
Hi Gum!

Sah gestern übrigens eine Doku zu besagter Hamburger Sturmflut, und während sie lief, erzählte der Newstickerstreifen am unteren Bildrand von einem aktuellen Sturmtief von der Nordsee her, mit einer Warnung für alle Küstenregionen.
Heute kam dieser Sturm bei mir in Nordösterreich an und wütete den ganzen Tag (sicher nicht mehr so heftig wie an der Nordseeküste) - selbst jetzt noch, da ich dies tippe, höre ich von draußen das Brausen im Dunkeln. Zum Glück hat es mittlerweile schon etwas nachgelassen.

Beim Blick aus dem Fenster heute kamen wir denn auch die obigen Gedanken: Sind wir, wenn wir unser Leben zu gestalten versuchen, eher der Wind selbst - oder doch eher die von ihm bewegten Zweige oder wirbelnden losen Blätter, ausgeliefert einem böigen Geschick und dem Diktat äußerer Umstände?

Ich denke, mal so und mal so - bei den meisten aber sicher eher Laub denn richtungsweisender Wind. Die wenigsten finden sich je in ausreichend günstigen Positionen, um überhaupt mehr als bestenfalls das eigene Fortkommen zu dirigieren, und selbst da verpassen sie die meisten Schlüsselmomente - ich spreche aus leidiger Erfahrung!
Aber es gibt auch Personen - leider selten würdige oder der Lage gewachsene - die sich, mit Gück oder ausreichend Ehrgeiz in Positionen von welthistorischer Bedeutung wiederfinden. Sie sind Erschaffer oder Zerstörer - meist letzteres, denn das ist immer viel einfacher. Dementsprechend geht es ja denn auch zu in der Welt, und ein Mitgrund dafür, warum so viele lebenslang verwirklichungskastrierte Opfer der Umstände bleiben müssen.

Vielen Dank für deine Anmerkungen und das wohlwollende Lob - und natürlich für den seltenen Einblick in deine Kindheitserinnerungen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.