Hi eKy!
Gut hast Du daran getan, dieses schöne, wohlgebaute Sonett zu liften!
Dass im Entstehungszeitraum nicht mehr Lob kam, mag auch daran gelegen haben, dass Du in Deiner Antwort auf Daisys Kommentar Lob-Impulse durch tätige Selbstkritik womöglich etwas erstickt hast. Wobei es natürlich Schlimmeres für einen Dichter geben kann, als nicht ganz das Rilke-Niveau
zu erreichen (immerhin kommst Du aber doch immer wieder mal auf Spuckreichweite an Oldrainermaria ran
)...
Hervorheben (und zwar positivst rühmend und preisend!) möchte ich übrigens die Metrik von Z. 10. Man kann diese Zeile, wenn man das will, natürlich mit der metrischen Planierwalze jambisch durchtatammen, aber eigentlich wird "unkundig" in natürlicher Rede ja eher Xxx oder sogar X(X)x betont, nicht aber xXx wie es für einen völlig marschmäßigen Jambus nötig wäre. Das X(X)x hab ich dabei gerade erfunden, weiß nicht, ob es so eine Notation gibt: Ich will damit andeuten, dass die zweite Silbe in diesem Wort schwächer als die erste, aber stärker als die dritte betont wird, eine Art "mittelstarke" Akzentuierung.
Wie dem auch sei - wie würde man das jetzt als Gedicht lesen? Wie schon gesagt, man kann es natürlich knallhart jambisch durchziehen und etwas gegen die natürliche Betonung bürsten. Aber ein wirklich schöner Effekt stellt sich für mich dann ein, wenn man hier eine Art verschliffenen Spondeus (UN-KUN-dig, XXx) liest mit einer schwebenden Betonung, die irgendwo so zwischen dem UN und dem KUN hin- und hergeistert. Dazu muss man nach dem UN eine ganz kleine, kaum merkliche, Pause einlegen. Das ist ein Effekt bei Vortrag, der das verschnarchte Publikum mal ein bisschen wachrüttelt und einen richtig tollen Drive erzeugt. Rilke hat so Dinger gerne in seinen Versen eingebaut... womit sich der Kreis doch sehr schön schließt, wie ich finde.
Also! Meine Reverenz!
S.