Autor Thema: Weit haben wir's gebracht  (Gelesen 649 mal)

Erich Kykal

Weit haben wir's gebracht
« am: Januar 07, 2022, 13:18:45 »
Affengrunzen, Zähnefletschen,
Feinde in der Faust zerquetschen,
harter Stein auf nackten Schädeln,
Wutgebrüll und Keulenwedeln,
Bogensingen, Bronzebeile,
Phalanxspeer und Schilderkeile,
Hörner- und Trompetenklänge,
Trommelwirbel, Schlachtgesänge,
Kriegsgeschrei und Schwerterklirren,
Büchsenknall und Kugelsirren,
Mörserdonner, Panzerknattern,
kaltes 08/15 – Rattern,
Schützengraben, Giftgasschwaden,
Bombenregen, Fallout – Schaden,
Seuchenkrieg und Selbstmordkrieger -
aber niemals je ein Sieger.
« Letzte Änderung: Februar 01, 2022, 18:05:21 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Weit haben wir's gebracht
« Antwort #1 am: Januar 09, 2022, 20:07:35 »
Lieber Erich,

sehr schön die sinnlosen Anstrengungen der Menschheit, Waffen und Kriege weiterzuentwickeln auf anschauliche Begriffe gebracht (schwedeln kenn ich nicht). Auch der ironische Titel passt.

Mit großem Vergnügen gelesen.
Grüße von gummibaum

« Letzte Änderung: Januar 09, 2022, 20:15:32 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Weit haben wir's gebracht
« Antwort #2 am: Januar 09, 2022, 23:41:18 »
Hi Gum!

Danke für den lieben Zuspruch!  :)

Ein zusammenfassender Überblick über die Historie der kriegsführenden Menschheit in Schlaglichtern - vom wütenden Affengrunzen bis zur Atomrakete.

Manche meinen ja, unsere Evolution würden wir zu großem Teil unserer Aggressivität verdanken, weil jeder, um den anderen zu übertrumphen, sein Hirn anstrengen musste, um noch bessere Waffen und Strategien zu ersinnen. Das trug erheblich zur Gehirn- und Kulturentwicklung bei.

Ich frage mich, ob ich, sollte das stimmen, nicht lieber Affe geblieben wäre, als nur dank der Arschlöcher dieser Welt geistig wie kultuerell so weit gekommen zu sein ...

Es nimmt mich immer wieder wunder, dass eine Art, die Talente wie die berühmten Maler, Bildhauer, Musiker und Dichter der Geschichte und deren Werke der Schönheit und Wahrheit hervorbringen kann, gleichzeitig so hirnlos destruktiv und negierend sein kann, so ausschließlich und ostentativ, so verallgemeinernd und intolerant, stur und überzeugt.

Wo es für jeden großen Geist abertausende gibt, die ihn erschlagen wollen - und leider nur zu oft erfolgreich sind damit! Nicht dass es jemals etwas genützt hätte, um die großen Ideen dieser Geister zu annulieren - im Gegenteil! Aber eben auch hier: Bis sie sich endlich durchsetzen: wieder unzählige unschuldige Opfer!

Unser ganzes Sein scheint ein ewiger sinnloser Kampf gegen unsere eigene Natur zu sein. Wenn wir tatsächlich nach Gottes Bild geschaffen sein sollten, dann muss dieser Gott extrem schizophren sein!  ;D ::)

Wie die Dombauer, die nie die fertige Kathedrale sehen würden, dies wussten und dennoch lebenslang weiterbauten, sind wir Intrumente einer Evolution, die wir nicht begreifen und erfassen. Die Baupläne ändern sich mit jeder neuen Vision über unzählige Gernerationen, aber das Gebäude muss irgendwann fertig werden! Wirklich?

Wollen wir indoktrinierte Ameisen sein, die an einem Bau arbeiten, den wir nie fertig sehen werden, von dem wir nie etwas haben werden und nicht wissen, ob dann wirklich je irgendjemand etwas davon haben wird - oder schaffen wir es, einfach nur zu leben und das schlicht gut zu finden, was wir JETZT sind, in all unserer Unvollkommenheit und Enthemmungsfähigkeit?

Vielleicht fiele es uns dann leichter, auch die - unvermeidliche - Unvollkommenheit anderer erträglich zu finden, und wir könnten endlich übereinkommen, ohne uns die Köpfe spalten zu müssen, nur allein schon, weil uns gewisse Randdetails am anderen nicht gefallen ... (wie zB Hautfarbe, Abstammung, Kultur, Glaube, Gewohnheiten, Rituale ...)

Vielleicht fiele es uns dann leichter, einander immer und einzig zuerst als Menschen zu sehen, über all die Randdetails hinweg, anstatt uns auf deren Basis gegenseitig zu entmenschlichen, damit uns das Hassen, Vertreiben und Töten leichter fällt ...

Die fertige Kathedrale mag wunderschön sein, aber wenn man bedenkt, wieviel Fanatismus, Leid und Blindheit darin stecken, wie viele Ungesehene von den Kosten mehr gehabt hätten, die über Jahrhunderte in diesen steineren Hochmut, diese Geste der Anbiederung an einen theoretischen Gott geflossen sind (Arme zu kleiden und zu beherbergen, Hungernde zu ernähren, Kranke zu heilen und zu pflegen, Waisen zu bilden, ...), dann erscheint einem die ganze Pracht nur noch hohl, arrogant und eitel.

Genau wie jene, die ihre Utopien jagen - um jeden Preis und auf egal wessen Kosten! Die Affen grunzen bis zum heutigen Tag ...


LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 01, 2022, 18:07:03 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Weit haben wir's gebracht
« Antwort #3 am: Februar 01, 2022, 16:25:50 »
Hi eKy! :)
Ein Schnelldurchlauf durch die menschliche "Evolution" am Beispiel der Waffentechnologie - also dem Feld, in dem sich der menschliche Erfindungsreichtum bis dato am augenfälligsten manifestiert hat.
Inwieweit dabei die These, eine bewaffnete Auseinandersetzung habe niemals einen Sieger, wirklich haltbar ist, darüber lohnt sich ein Nachdenken, das sich vorschnellen Äußerungen bewusst verweigert.
Der Pazifist wird natürlich - den moralischen Anspruch ins Feld (horribile dictu) führend - schnell mit dem Kopf nicken und konstatieren, dass es immer einen sittlichen Bankrott bedeute, wenn man zur Durchsetzung seiner Interessen auf Gewalt zurückgreife. Der nüchterne "Realpolitiker" wird hingegen darauf hinweisen, dass ein Krieg "als Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln" u. U. sehr wohl zu einem - auch womöglich sehr nachhaltigen - Gewinn für den Sieger führen könne. Natürlich wird dann auch schnell das Argument des "gerechten Krieges" (Krieg der Alliierten gegen die Nazis) kommen und dann schließlich der Nuklearkrieg angeführt werden, der aufgrund seines Overkillpotentials keine Sieger zulässt.
Ich tue mir mit einem abschließenden Urteil schwer (natürlich auf dem Boden einer Sichtweise, die den Krieg als etwas grundsätzlich Furchtbares, als "grauenhafte Schlächterei" (Benedikt XV) betrachtet - nicht dass ich hier im Bemühen um Differenziertheit womöglich als Kriegsverharmloser wahrgenommen werde).
Gut möglich, dass wir in den nächsten Tagen einen Krieg in Europa erleben werden. Und selbst wenn noch einmal "alles gut geht".... die Geschichte der gewaltsamen Auseinandersetzungen wird weitergehen und die Entwicklung (Stichwort: künstliche Intelligenz in der Kriegstechnik) ist längst dabei, über die Technikstufe der Nuklearwaffen hinauszugehen. Dabei wird die Entmenschlichung der Kriegsmaschinerie (in dem Sinn, dass kein lebendiger Soldat mehr das Kriegsgerät bedient, sondern ein selbständig agierender Automat) leider nicht dazu führen, dass es künftig weniger Opfer gibt - die Opfer werden nur noch weiter in den Bereich der Zivilbevölkerung verschoben werden. Die Haager Landkriegsordnung (1899) und das Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (1949) sind leider nur Utopie geblieben.
LG!
S.


« Letzte Änderung: Februar 01, 2022, 17:11:49 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Weit haben wir's gebracht
« Antwort #4 am: Februar 01, 2022, 18:18:40 »
Hi Suf!

Danke für die detailreiche Antwort!  :)

Dass es nie je einen Sieger gegeben hat, habe ich natürlich nicht intellektuell gemeint, sondern moralisch. Aus taktischer (=soziopathischer) Sicht mag es natürlich Erfolge und Siege geben, aber letztlich bleibt ein Angriff, egal wie erfolgreich, immer ein moralisches Versagen, zumindest nach dem westlichen Wertekanon. Der Koran (oder seine militanten Ausleger) sieht das ja anders, wie man von denen hört, die ihn gelesen haben wollen.

Die einzige mögliche Ausnahme ist - wie du anführtest - ein Krieg gegen Grausamkeit und Unrecht, Völkermord, Rassismus und Wahnsinn. Aber Vorsicht, wer was definiert!
Aber "gerecht" wird auch so ein Krieg nie sein. ja, ich weiß schon - "gerecht" im Sinne des Anlasses, nicht in seinem kompletten Ablauf ... - Aber für mich ist eben das nicht trennbar. Wer zu Gewalt greift, wird immer auch Unschuldige treffen, und das desto mehr, je umfangreicher der Konflikt wird.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.