Autor Thema: Der Versager  (Gelesen 575 mal)

Erich Kykal

Der Versager
« am: Januar 18, 2022, 18:10:21 »
Die Nacht drückt ihre Dunkelheit ins Zimmer,
ein stumpfes Licht kämpft stumm dagegen an,
und von den Kissen kriecht ein Herzgewimmer
durch seinen Kreis und stößt sich nicht daran.

Oft liegt er wach und denkt an einen Morgen,
ganz unersehnt, doch unausweichlich nah,
ein neuer Tag, ein Schicksal sich zu borgen
von der Gelegenheit, die ihn nie sah.

Er weiß, er wird gleich welche Gunst nicht fassen -
es gar nicht zu versuchen spart den Schmerz.
Wer sich nie bindet, wird auch nie verlassen,
und wer sein Fühlen tötet, braucht kein Herz.

So wächst der Schuldenberg der ungenutzten,
vertanen Chancen unerbittlich hoch,
doch er träumt wieder nur sich mit verschmutzten,
verblassten Socken in sein Mauseloch.

Die Nacht lässt draußen an Dämonen raunen,
was nicht mehr in die tote Stube passt,
und der Versager drückt sich in die Daunen
und tränkt sich mit den Schatten, die er hasst.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Der Versager
« Antwort #1 am: Januar 18, 2022, 21:56:25 »
Lieber Erich!

Wenn auch nicht ersehnt, so doch in der Vorstellung immer wach: das andere, das beglückende Leben zu zweit. Aber, da es nicht von selbst kommt, und ihm der Mut, es herauszufordern fehlt, die Angst, es zu verlieren ihn hemmt, er den Schmerz über den Mangel aushält, so bleibt er -mit einem wachsenden Versagensgefühl- einsam.

Inhaltlich berüblich, sprachlich super, tolle Bilder ("was nicht mehr in die tote Stube passt").

Chapeau von gummibaum


Erich Kykal

Re: Der Versager
« Antwort #2 am: Januar 18, 2022, 22:11:35 »
Hi Gum!

Danke für den gezogenen Hut!  :)

Ich meinte hier nicht nur das Versagen in punkto Partnersuche, sondern allgemein die Unfähigkeit oder Unwilligkeit, sich dem Leben zu stellen, Risiken einzugehen, Selbstverwirklichung zu wagen - auch in allen anderen denkbaren Bereichen: Karriere und Berufsleben, Kreativität, Sport, Vereinstätigkeit und Hobbies, Engagement aller Art  usw ...

Der Selbstverhinderer, Selbstzerstörer scheut dies alles, er sabotiert sich sogar selbst, wenn er doch mal wider Erwarten irgendwie Erfolg hat!  ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Der Versager
« Antwort #3 am: Januar 19, 2022, 10:44:46 »
Hi eKy!
Sehr schöne und hochoriginelle Bilder künden von einem bedrückenden Setting, von einem in sich selbst Gefangenen Menschen.
Auffällig ist, dass wir eine ganz private Situation haben - das lyrische Objekt ist völlig mit sich selbst allein und doch wird der Leser von der auktorialen Erzählstimme des Gedichts zum (man könnte sagen: unfreiwilligen) Zeugen des namenlos Leidenden gemacht, was - jedenfalls bei mir - beträchtliches Unbehangen auslöst.
Die Szene ist gewissermaßen indezent, weil man sich als Leser in das abgeschiedene Dasein eines sozialen Anachoreten hineingezwungen sieht. Man fragt sich also: Wem gehört eigentlich die Erzählstimme des Gedichtes? Ist das Objekt des Gedichtes auch zugleich sein Subjekt, ein verdecktes lyrisches Ich?
Abseits davon verdient eine Formalität noch besondere Erwähnung: Du präsentierst uns hier ein Herz-Schmerz-Gedicht und der totgerittene Reim fällt kaum als ein solcher auf, so gut ist er in die formale Struktur des Gedichtes eingebettet. Tricky! :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Der Versager
« Antwort #4 am: Januar 19, 2022, 11:15:32 »
Hi Suf!

Hüte dich vor jeglichem direkten emotionalen Pathos, wenn du Herz auf Schmerz reimst!  ;) ;D - So könnte sich die Anleitung dafür lesen, wie man es macht, ohne dass es unangenehm auffällt.

Das Gedicht ist natürlich weitgehend autobiografisch (wie ja die meisten meiner Werke - das ewige Thema des Egomanen ist nun mal er selbst ...  ::)), und die Erzählstimme ist mein nüchtern selbstanalytischer Teil, der sich sozusagen vom Rest abtrennt, um das gepinnte Insekt des eigenen Wesens wertfrei studieren zu können.

Unbehagen wollte ich keins auslösen, aber es schmeichelt meinem literarischen Talent, dass ich - wie auch immer - zu bewegen vermag.  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.