Autor Thema: Die tiefste Traurigkeit  (Gelesen 643 mal)

Erich Kykal

Die tiefste Traurigkeit
« am: Oktober 28, 2021, 09:42:16 »
Vom so Ersehnten, das ich nie erreichte,
begraben von Erfahrung und der Zeit,
verblieb mir nur vergilbter Träume Seichte
und nebenher: Die tiefste Traurigkeit.

Zu prallem Leben, das ich feige scheute,
verwundet von Verachtung, nie bereit,
erzeugte ich nur Gestern aus dem Heute,
und fand darin: Die tiefste Traurigkeit.

Aus allen Werken, die mir doch gelangen,
wie angefeuert von erlebtem Leid
im eignen Dauern, sang ein wundes Bangen
sein altes Lied: Die tiefste Traurigkeit.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Die tiefste Traurigkeit
« Antwort #1 am: Oktober 28, 2021, 10:42:41 »
Hi erich,
wenn ichs richtig verstehe, so haben wir hier wohl den "dunklen Zwillingsbruder" vom "höchsten Glück" vor uns...

Man könnte auch sagen: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten!
Hier trauert ein LyrIch um  ungelebte Liebe, ungelebtes Leben....

Warum ungelebt? Weil das Ziel zu ferne lag - oder nur der eigene Anspruch(an sich selbst wie an den anderen) zu hoch war?

Der Drang nach "Perfektion" geht oft ins Leere- weil es perfekte Menschen, perfektes Leben einfach nicht gibt.
Das mag man sich zwar wünschen - aber dieser Wunsch führt zwangsläufig zu(r) Enttäuschung(en).

Das erlösende Wort, das ich in dem Zusammenhang für mich  gelernt habe ist "hinreichend gut"  oder auch "gut genug".

Glück mag immer einem  Spiel des Zufalls überlassen sein - aber zur Zufriedenheit, da führt ein gangbarer Weg.😉

Langer Rede kurzer Sinn: Auch dieses Gedicht berührt durch seine Wahrhaftigkeit.

Lg, larin

Erich Kykal

Re: Die tiefste Traurigkeit
« Antwort #2 am: Oktober 28, 2021, 11:04:26 »
Hi larin!

Wo Begehrlichkeit andere Menschen beschädigen würde, muss sie ungelebt bleiben. Aber das meinte ich nicht - hier ist ja die Rede vom "Ersehnten, das ich nie erreichte", und es meint eben, was das LyrIch durch soziale Ungelenkheit oder Empathiemangel, Feigheit oder falsche Annahmen nie erreichen KONNTE.

Und du hast ganz recht mit dem "hinreichend gut" - man lernt, sich zu bescheiden und das zu genießen, was man eben erreichen konnte, oder was einem - selten aber doch - über die Jahre aus freien Stücken geschenkt wurde.

Wir leben immer zwischen den Extremen, irgendwo zwischen dem höchsten Glück und der tiefsten Traurigkeit - vielleicht weil wir beides, wenn es uns begegnete, auch gar nicht ertrügen ...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Die tiefste Traurigkeit
« Antwort #3 am: Oktober 31, 2021, 20:46:38 »
Lieber Erich,

auf Leid reimt sich hier viel, und man hat den Eindruck, dass es wie ein schwarzes Loch alles in seinen Bann zieht... und dass die "Werke, die...doch gelangen", den Röntgenblitzen darin sterbender Sterne vergleichbar sind.

Sehr gern gelesen.

Grüße von gummibaum

« Letzte Änderung: November 01, 2021, 00:58:38 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Die tiefste Traurigkeit
« Antwort #4 am: November 01, 2021, 09:12:38 »
Hi Gum!

Hier steht dem Werk zum Glück sein Antipode "Das höchste Glück" entgegen, das ich an gleichen Tag einstellte. Vielleicht hätte ich sie gemeinsam in einen Faden stellen sollen, aber irgendwie hatte ich den Eindruck, jedes dieser Extreme wollte für sich allein stehen. Direkt untereinander hätten sie sich irgendwie gegenseitig auf eine entwertende Weise aufgehoben, die jedem die eigentliche Tiefe des zu vermittelnden Gefühls nimmt.

Vielen Dank für die üppigen Worte des Lobes! (Besonders schön: Die Röntgenblitze in schwarzen Löchern sterbender Sonnen - danke für den tollen Vergleich!)  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Die tiefste Traurigkeit
« Antwort #5 am: November 01, 2021, 17:40:59 »
das Gedicht packt, lieber Erich und zeigt ganz deutlich: man muss selbst an seinem Glück, sprich der Erfülljung seiner Träume arbeiten. Irgendwann ist es zu spät sie sich zu erfüllen. Es gibt da sozusagen keine Nachspielzeit. Die Grenzen, andere dabei nicht zu beschädigen, sollte man jedoch einhalten, sonst wirft es einen Schatten auf das Glück. Selbstbestimmt leben, das war immer mein Motto und es scheint mir, wenn ich dieses lese, nicht das schlechteste gewesen zu sein.
Sehr gut geschrieben, wenn auch sehr traurig.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Die tiefste Traurigkeit
« Antwort #6 am: November 02, 2021, 14:10:26 »
Hi Agneta!

Vielen Dank für dein positives Echo zu so negativen Zeilen.  ;)

Oft kann man Ersehntes einfach nicht mehr umsetzen, durch Trägheit, Krankheit, Vergessen, Ablenkung, berufliche Abgekämpftheit usw ... - dann muss man sich eben davon verabschieden können, ehe sie in einem zu gären beginnen und einem die Tage vergällen, die man noch hat.

Mamchmal denke ich, die Menschen treffen irgendwann in ihrer Kindheit oder Jugend die grundlegende Entscheidung, ob sie ihr Sein positiv und lebensfroh betrachten, oder als sudernde Pessimisten durchs Leben gehen. Bewusst trifft sie natürlich so keiner, aber Erlebnisse, Lebensumstände, grundlegende Charaktereigenschaften, ob vererbt oder anerzogen, und wahrscheinlich noch einige Parameter mehr dürften da irgendwann die Waage nach einer bestimmten Seite kippen. Wann und wie genau, das bleibt die zu erforschende Frage ...
Manche schaffen es sogar, besagte Waage ausgeglichen zu halten.

Ich gehöre leider selten dazu, ich bin die sudernde, selbstbemitleidende, traurige Sorte, die in allem, was ihr begegnet, nur das Negative, Zweifelhafte, Hinterfragungswürdige sehen kann und will - würde ich nicht zuweilen bewusst gegensteuern. Aber das hält man eben, wenn es nicht Teil der unbewussten Natur ist, nicht ewig durch ...  ::)

Diese unterschwellige Traurigkeit ist so zu meiner einzig verlässlichen emotionalen Lebenskonstante geworden. Ich kann damit umgehen - sonst hätte ich mich schon vor Dekaden "weggemacht".  ;)
Zuweilen schreibe ich gern davon, so als Art Erdung - ich lade alles auf meine Verse ab, eine Art Seelenhygiene, und hinterher hab ich es mit buchstäblich "von der Seele geschrieben". Das hält eine Weile vor - bis zum nächsten Weltschmerzgedicht ...  ;) >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.