Autor Thema: Der Golem IV  (Gelesen 527 mal)

Erich Kykal

Der Golem IV
« am: Mai 29, 2021, 12:16:29 »
Der Herr und seine Kinder sind erschlagen,
ihr Blut gerinnt auf meinen harten Händen:
nun kann mich keiner mehr für sich verwenden,
mir endlich niemand mehr Befehle sagen!

Ich höre ihre Freunde sie beklagen -
schon finden sie sich raunend vor den Toren,
in Rachedurst versammelt und verschworen:
Geschärfte Klingen, die gen Himmel ragen!

Ich stehe still – was mich bewegen machte,
erlosch mit meinen ungeschlachten Plänen,
als ich die Fäuste rasend niederbrachte!

Der Wind der Welt von draußen streift mich sachte,
doch die Verlockung schwindet unter Tränen:
Ich stehe still: Der viel zu spät Erwachte!
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Der Golem IV
« Antwort #1 am: Mai 31, 2021, 16:58:54 »
Lieber eKy!
Wie ich sehe, hat übers Wochenende hinweg das Drama seinen Lauf genommen. Der Golem Teil IV könnte den Subtitel "Die Befreiung" erhalten. Aber der Preis ist hoch - der Meister wurde niedergestreckt und sein (mutmaßlich) unschuldigen Kinder desgleichen. Eine Erlösung aber erscheint unwahrscheinlich: Der Mob formiert sich bereits und fordert die Bestrafung des Monsters, dessen Willen nach der Tötung des Herrn dennoch (oder gerade deshalb) gebrochen scheint. Eine Parabel auf viele Unterdrückte und Ausgebeutete, die zwar in der revolutionären Tat sich des Jochs befreien können, aber dann nicht die Möglichkeiten besitzen, Ihre Freiheit auch nutzbar zu machen. So endet manche Revolution und all ihre Hoffnungen in einer Phase des Chaos, einem blutigen Karneval, und dann der reaktionären Gegenbewegung oder der Etablierung einer neuen Gewaltherrschaft, die sich der gleichen Unterdrückungsmechanismen bedient und nur den ideologischen Überbau gewechselt hat.
Aber dieser "politische" Blickwinkel wird unserem Golem zunächst einmal nicht gerecht - hier geht es um die persönliche Suche nach einem kleinen Glück.
Sehr gerne gelesen!
S.

Erich Kykal

Re: Der Golem IV
« Antwort #2 am: Mai 31, 2021, 19:39:37 »
Hi Suf!

Danke, dass du meinem Golem so treu bleibst!  :)

Ich hatte es dir gegenüber ja schon im Kommi anklingen lassen: die Geschichte verlangt geradezu danach, nicht gut auszugehen! Aus der Tragik des Scheiterns erst schöpft die Figur ihre moralische Berechtigung, wird die Story zu mehr als einem gewöhnlichen "Actionfilm".

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Der Golem IV
« Antwort #3 am: Juni 08, 2021, 17:41:33 »
Lieber Erich,

eine tragische Entwicklung, denn der Golem hat mit dem befreienden Mord an seinen Befehlsgebern seine einzige eigene Entscheidung verbraucht und ist nach zu langer Dienstbarkeit nicht imstande, weitere zur Gestaltung seiner Freiheit zu entwickeln.

Wieder sehr, sehr gut!

Grüße von gummibaum


Agneta

  • Gast
Re: Der Golem IV
« Antwort #4 am: Juni 08, 2021, 19:57:41 »
der Golem entwickelt sich weiter in Richtung frei sein wollen und tötet. Gewalt ist keine Lösung, wenngleich es sich zunächst so anfühlen mag. Immer noch aber fehlt mir der ausschlaggebende Punkt, der ihn plötzlich so umschwenken ließ. War es einfach, dass das fass übergelaufen war. Oder was?
Der Fanclub des Meisters , zu dem er kürzlich noch selbst gehörte, setzt ihm zu. macht ihn wieder unfrei. Aber nur dann,. wenn ihm der Fanclub etwas bedeutet.
Gesetzlich sieht es schon anders aus. Wenn der Golem nicht im Wilden Westen wohnt, kommt er dafür in den Knast, dass er getötet hat. Das hat schon was Tragisches.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Der Golem IV
« Antwort #5 am: Juni 08, 2021, 23:41:27 »
Hi Gum!

Ja, der der Freiheit gänzlich Ungewohnte wird sie erringen wollen, aber sie nicht leben können. Und man sollte zuvor tunlichst darüber nachsinnen, WAS Freiheit eigentlich sein soll, und was dieser weit gefasste Begriff für einen selbst oder auch andere beinhaltet und abverlangt.

Hi Agneta!

Um diese Entwicklung zu verstehen, hilft es, den berühmten Stummfilm zu kennen - im Spätmittelalter wurde nicht lang gefackelt, wenn es um Monster ging ...

Der klassische Golem ist kein "Fan", er gehorcht nur den Befehlen, die ihm der Zauberer, der ihn erweckt, auf Pergament schreibt und in die Brust legt. Im weiteren ist dies als Gleichnis brauchbar für absolut autoritätsgläubige Menschen, oder solche, die sich gewissenlos einer Sache verschrieben haben - sie tragen golemhafte Züge.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.