Autor Thema: Anmut sparet nicht....  (Gelesen 800 mal)

Sufnus

Anmut sparet nicht....
« am: Mai 23, 2021, 15:14:50 »
Anmut sparet nicht noch Mühe...

Rudi rotzt aus Kraut und Rüben
ein Poem hin (schlichter Machart),
ist an Kunst zurückgeblieben
und an Anmut wurd gespart.

Will nicht klingen, ist irgendwie schlicht
und rumpelt auch und ist nicht rund.
Nicht alles, was sich reimt, ist gleich
ein Gedicht. Das meiste ist Schund.


... Leidenschaft nicht, noch Verstand!

Heiner schreinert seinem Engel
ein Gedicht aus Eichenholz,
doch des Engelchens Gequengel
perforiert den Künstlerstolz.

Hab ich nicht die dicken Bretter
mit viel Mühe fest verleimt?
Was soll Liebeleins Gewetter?
Ist doch alles durchgereimt,

und des Metrums Hobel glättet
die Idee gemäß der Norm,
dass der Lesende sich bettet
in das Möbelstück konform.




Erich Kykal

Re: Anmut sparet nicht....
« Antwort #1 am: Mai 23, 2021, 17:53:14 »
Hi Suf!

Ist es Absicht, dass sogar der Titel falsch formuliert ist?

Da fehlt ein Nomen zwischen "nicht" und "noch".

zB: Anmut sparet nicht Beflissenheit noch Mühe, Leidenschaft nicht, noch Verstand.


Zum Text:

Wieder eins zur Rubrik "Versuch über schlechte Lyrik"?  ;) >:D

Über die metrische Katastrophe von Teil 1 müssen wir nicht näher referieren, die spricht für sich selbst - oder vielmehr: stammelt!

Das Bild im 2. Teil hinkt für mich ein wenig: Aus Eichenholz ein Gedicht schreinern? Ein Gesicht vielleicht, aber Schnitzkunst und Lyrik kommen hier nicht so recht zusammen für meinen Geschmack, das sind einfach zu unterschiedliche Kunstbereiche. Umso mehr, da von verleimten Brettern die Rede ist, stellvertretend für eine krude Wortschöpfung eines unbegabten Dichters.
Ein Gedicht als Möbelstück? Naja ...

Das Gedicht erscheint mir - beabsichtigt? - ähnlich unbedarft wie der darin beschriebene "Schnitzversuch" des Heiner.


LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 23, 2021, 18:14:22 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Anmut sparet nicht....
« Antwort #2 am: Mai 23, 2021, 19:31:03 »
ja, ich stimme zu, die Gedichte in den Foren werden schlechter, im Durchschnitt gesehen. Manches ist nicht mehr lesbar. Aber dennoch, Sufnus, machen wir einfach weiter...  ;D
von Agneta

Sufnus

Re: Anmut sparet nicht....
« Antwort #3 am: Mai 26, 2021, 10:09:39 »
Hi, Ihr Lieben!
Dankeschön fürs Kommentieren! :) Ja... die Zeilen sind ein leiser Tadel der Schlichtlyrik und bedienen sich dabei des Mittels der Parodie. In Teil 1 wurde an Mühe gespart, was der Form zuungute kam und in Teil 2 hapert es an Verstand, was sich in einer gewissen Anfechtbarkeit der Bildgestaltung niederschlägt - das Eichenholzmöbel, in welches der Lesende sich betten soll dürfte eher dem Bereich des Sepulkralen als dem der Kunst zuzuordnen sein. ;)
Nur für den zweigeteilten Titel, der eKy fehlerhaft erschien, möchte ich ein gutes Wort einlegen. Es handelt sich nicht um einen (unvollständigen) indikativischen Satz mit "Anmut" als Subjekt, sondern um eine imperativische Konstruktion, bei der Anmut, Mühe, Leidenschaft und Verstand gleichrangige Objekte sind. Das ganze ist ein Zitat aus der Kinderhymne von Brecht.
Und ja, Agneta, wir machen weiter!!! :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Anmut sparet nicht....
« Antwort #4 am: Mai 26, 2021, 12:39:43 »
Hi Suf!

Das mag sein mit dem Titel, aber du musst zugeben, dass bei dieser Formulierung der Phrase die Deutung naheliegt, dass es ein "weder - noch"-Konstrukt ist, bei dem das "weder" durch "nicht" ersetzt wurde, wie zB in: "ich scheute nicht Kosten noch Mühen".

Das den "Kosten" entsprechende Nomen fehlt bei dieser Lesart eben dann in diesem Titel.

Damit der Imperativ deutlich hervorstritt, wäre eine Umstellung des Zitats überdenkungswürdig (was auch für Brecht hätte gelten sollen):

"Sparet Anmut nicht noch Mühe ..."

Das hätte derlei Missverständlichkeiten vorgebeugt, vor allem, wenn man das Zitat aus dem (bei Brecht sicher hilfreichen) Sinnzusammenhang gerissen präsentiert.  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.