Autor Thema: Les Choristes  (Gelesen 951 mal)

Erich Kykal

Les Choristes
« am: M?RZ 14, 2021, 12:03:55 »
Wie ist es manchen Sterblichen gegeben,
ein wahrlich Großes in der Welt zu tun,
das wir empfangen und in dem wir leben,
um dankbar unser Müdes auszuruhn.

Wie hebt der klare Ton mich schwelgend mit
ins Hohe, das mir deine Stimme baut,
wenn mich dein Singen wie ein Traum betritt,
der nah die Himmel allen Sehnens schaut!

Wo still mein Innerstes im Klingen kniet,
das du entrückt an meine Sinne trägst
zu jenem Ort, den aller Hader flieht,
und den du ernst durch mein Gefühl bewegst.

Du große Stimme voller Fühl und Fülle,
wie schlägst du mich in deinen Zauberbann,
und bist dabei nur eines Knaben Wille
auf seinem eignen Dornenweg zum Mann.
« Letzte Änderung: Juni 17, 2021, 21:27:44 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Les Choristes
« Antwort #1 am: M?RZ 25, 2021, 21:52:16 »
Hi eKy!
Auffällig der fremdsprachliche Titel - Polylingualität ist in der postpostmodernen Lyrik immer noch en vogue (wenn auch mittlerweile ganz leicht abgenutzt) - es nimmt also nicht Wunder, dass Du dieser Mode nicht zu frönen pflegst.
Hier dürfte es sich aber keineswegs um eine modische Zutat sondern vielmehr um einen Verweis auf die "Kinder des M. Mathieu" handeln, einen Film, von dem ich nur das (mir durchaus zu gefallen wissende) musikalische Hauptthema kenne, ansonsten ist mir dieses Werk bis dato entgangen. :)
Inhaltlich finde ich "coming of age"-Anklänge (sic!), sollten auch Anspielungen auf den Film vorkommen, entgehen mir diese aus oben genannten Gründen.
Formal sind die Zeilen, wie Deine allerbesten, "aus einem Guss", ohne fehlerhafte Kanten oder Stolperer und von großer Ebenmäßigkeit - ein Leseschmeichler! :) Man beachte beispielsweise die Einrahmung der männlichen Kadenzen in S2 und S3 durch gekreuzte Kadenzen in S1 und S4. :)
Ein sprachliches Mittel, das mir nicht ganz so liegt, ist die Substantivierung von Verben (das Fühl, das Sehnen) oder Adjektiven (Großes, Müdes, Hohes, Innerstes) in einer versachlichten Form - hier treten derlei Konstruktionen sehr geballt auf, ohne Zweifel ein (wahrscheinlich rein intuitiv) gewähltes Stilmittel, das ich rein subjektiv gerne ein kleines bisschen abgerüsteter gesehen hätte - ganz klar eine Geschmacksfrage, man kann das auch gerade als besonders attraktiv empfinden; das ist wie mit grünem Koriander, der eine schwört drauf, der andere mags nicht so recht leiden. Also viel zu viele Worte von mir zu diesem speziellen Aspekt.
Davon ab gilt: Sehr genossen! :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Les Choristes
« Antwort #2 am: M?RZ 25, 2021, 22:58:28 »
Hi Suf!

Richtig, das Werk bezieht sich unter anderem auf diesen Film, respektive die autoritären "Zustände" im damaligen Schul- und Internatwesen, wo ein selbstherrlicher, herrischer und gewalttätiger Direktor noch Gott spielen durfte, dessen Gebote und Handlungen kritiklos hinzunehmen waren.

Worum es aber wirklich geht, ist der Zauber einer begnadeten Knabenstimme, oder eines Kinderchores, in dessen Timbre und Klangmagie immer eine gewisse Reinheit, eine Art heiliger Unschuld mitschwingt.
Ich entdeckte auf YouTube das damalige Konzert, mit welchem der Chor im Zuge des Filmerfolges 2005 Erfolge feierte: "Les Choristes in Concert". Das führte mich zu dem Film, den ich bis dahin nur dem Namen nach kannte, und, davon bezaubert, sah ich mich nach weiteren Stimmtalenten dieser Art um, bis hin zum "aktuellen" walisischen Knabensopran (engl.: boy treble) Cai Thomas und dessen CD "Seren", die ich ebenfalls nur empfehlen kann.
Seine Interpretation von "Suo Gan", einem alten walisischen Wiegenlied, Cineasten ein Begriff aus dem Film "Das Königreich der Sonne", wo ein junger Christian Bale dazu die Lippen bewegte, ist höchst gelungen. Ein Highlight auf YouTube.
Ein weiteres ist sein "Ave verum". Der mitsingende Bariton Aksel Rykkvin war übrigens ein paar Jahre zuvor selbst ein bekannter Knabensopran.

Mit Substantivierungen stehe ich - wie obiges Werk beweist - nicht auf Kriegsfuß, aber hier ist es ein wenig viel davon, das muss ich zugeben. Es mag der weihevollen Stimmung geschuldet sein, die mich zu diesen Zeilen inspirierte, dass ich da ein wenig ins verbale Pathos griff. Ist aber insgesamt noch erträglich, denke ich.

Vielen Dank für deine profunde Analyse und die freundlichen Lobesworte, derer ich nie müde zu werden verspreche!  ;) :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: M?RZ 26, 2021, 10:26:52 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Les Choristes
« Antwort #3 am: April 26, 2021, 23:09:57 »
Lieber Erich,

ich habe mir Chor und Solisten gerade angehört. Wirklich sehr schön. Dein Gedicht arbeitet aber auch so erlebbar heraus, was eine reine Stimme im Hörer freisetzt und wie beglückt sie ihn macht.

Mit großer Freude gelesen.

Beste Grüße von g

   

Erich Kykal

Re: Les Choristes
« Antwort #4 am: April 27, 2021, 00:19:42 »
Hi Gum!

Ja, sehr schön! Die CD "Seren" habe ich mir sogar gekauft - ich höre sie seit Wochen rauf und runter! Und das als alter Schwermetaller!  ::)

So eine reine, klare Kinderstimme kann einen zu Tränen treiben, wiewohl ich natürlich weiß, dass das eine romantisierende Vorstellung ist - die Jungs, die da singen, sind ganz normale Kids außerhalb ihres besonderen Talents.

Leider setzt der Stimmbruch den meisten dieser kurzen Karrieren ein unrühmliches Ende, denn die wenigsten haben auch danach wirklich Klassik-taugliche Singstimmen. Bis ins 17. Jhdt hat man übrigens manche dieser besonders schönen Knabenstimmen erhalten wollen, indem man die Jungen kastrierte. Selbst ein Händel schrieb noch Stücke und Arien für diese sog. Countertenöre. Gruselig!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 17, 2021, 21:24:04 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.