Autor Thema: Halkyonische Tage  (Gelesen 752 mal)

Sufnus

Halkyonische Tage
« am: Januar 25, 2021, 17:31:47 »
Halkyonische Tage

Ach, dass ich ein Eisvogel wäre,
über dem Schäumen der wogenden See... (Alkman)


Ihr Gesang war das Gelächter hoher Vögel
in der Brandung der Wolken.
Alle fremden Stimmen hinter der Wand 
der Bedeutung säumten die Ränder des Lächelns.

Betraten wir ihre Augen, so liefen wir auf Glas.
Es lag eine Scheu zu unseren Füßen
wie aus vergossenem Winter.

Die Erinnerung an Kommendes vermaß
die Vergeudung der Freude und
kein Tüddelchen Welt blieb über uns verloren.

"Wer bist Du?", ging unsere Frage
und lag als Schatten im Schlaf der Nacht.

Der Tag aber hallte wider vom Ton der Vögel,
war das Glas unserer weiteren Wege,

und nichts blieb wieder verloren.





Erich Kykal

Re: Halkyonische Tage
« Antwort #1 am: Januar 25, 2021, 19:46:32 »
Hi Suf!

Ich bin zu faul, um nachzuschlagen, was "halkyonisch" bedeutet und hoffe auf gelegentliche Aufklärung deinerseits.

Wiewohl ich Ungereimtes nicht sonderlich zu schätzen vermag, beeindruckt mich hier sehr wohl deine Sprachkunst, die packende, geradezu aufwühlende Macht ihrer Bilder und Formulierungen. Besonders die Str. "Betraten wir ihre Augen, ..." ist wahrhaft große Lyrik nach meinem bescheidenen Ermessen!

Was mich einzig in diesem hochfliegenden Sprachorgasmus als eher unpassend berührte, ist der verniedlichend klingende und gemeinsprachliche (ja dialekthafte!) Terminus "Tüddelchen". Ich plädiere an nämlicher Stelle für das wesentlich gehobenere "Quentchen".

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Halkyonische Tage
« Antwort #2 am: Januar 26, 2021, 13:14:29 »
Hi eKy! :)

Dass Du den Zeilen trotz absentem Reim etwas abgewinnen kannst, freut mich sehr! :)

Hinzu kommt bei diesem Gedicht ja auch noch eine gewisse Verweigerungshaltung gegenüber einer endgültigen Interpretierbarkeit - manches bleibt nur angedeutet und unerklärt, ja bis zu einem gewissen Grad hermetisch. Sowohl das Fehlen eines Reims als auch inhaltliche Dunkelheit stellen nun sicherlich für manchen, eher an traditioneller Lyrik geschulten, Gedichteleser eine gewisse Provokation dar, bis auf den heutigen Tag, da sich Lesegewohnheiten eben langsam verändern. Aus diesem Grund bemühe ich mich ja auch um Abwechslung, mal einfach verständliche Klapphornverse, mal ein Sonett in all seiner Formstrenge, mal ein klangschwelgerisches Werk und mal etwas aus dem modernen Formenkreis. So hat jeder mal was für sich Passendes. :)

Zum "halkyonisch": Als deutsches Fremdwort bezeichnet halkyonisch eine gelassene Stimmung von heiterer, friedvoller Ruhe. Die "halkyonischen Tage" aber sind etwas eindeutiger festgelegt: So wird die Zeit nach der Wintersonnenwende bezeichnet, in der im östlichen Mittelmeer häufig ein recht mildes Wetter mit nur sehr sanften Winden herrscht, so dass sich die antiken Handelsgaleeren relativ gefahrlos etwas weiter von der Küste wegbewegen konnten, ohne dass man vor einem Schiffbruch in stürmischem Wetter Sorgen haben musste. Man glaubte damals, dass zu dieser Zeit das Eisvogelweibchen den geringen Wellengang ausnutzend auf dem Meer sein Nest baut. Hintergrund ist ein alter Mythos von Halkyone, die sich bei der Nachricht vom Seefahrer-Tode ihres geliebten Mannes ins Meer stürzen wollte, von den mitleidigen Göttern aber in einen Eisvogel verwandelt wurde. In dieser Gestalt irrt sie nun auf der Suche nach ihrem Mann über die Wogen und nur in den so bezeichneten Halkyonischen Tagen findet sie ihn wieder, trägt ihn auf ihren Flügeln in ein Nest und darf einige Tage mit ihm verbringen.

Alkman, ein vor über 2600 Jahren tätiger Dichter, hat diese Sage in einem berühmten Gedicht aufgegriffen, aus dem hier eingangs eine Passage zitiert wird.
Die folgenden Zeilen meines halkyonischen Versuchs verlassen dann nach und nach den Bereich der Eisvogel-Sage. Zunächst klingen noch Vögel und Meeresbrandung an, dann wendet sich das Gedicht eher ins Abstrakte und ist eine Art Mediation über die tröstliche Wirkung der Erinnerung.

LG!
S.

P.S.:
Achso... und das Tüddelchen... da hast Du auf alle Fälle einen validen Punkt. Es war als bewusster Wechsel der Sprachschicht angelegt und hier ließe sich natürlich leicht ein gehobeneres Äquivalent finden. "Quentchen" (du bevorzugst also hier die etymologisch korrektere alte Rechtschreibung :) ) wäre ein ganz guter Kandidat, zumal durch die Diminutiv-Form immer noch ein etwas intimerer Ton mitklingt. Ich werde es mal durchdenken. Zum Ende hin muss ich sowieso noch einmal ran - das ist noch ein wenig lieblos aus dem Ärmel geschüttelt, da besteht nach meinem Dafürhalten etwas Nachbesserungsbedarf. :)
« Letzte Änderung: Januar 26, 2021, 13:48:21 von Sufnus »