Autor Thema: Ehrlichkeit  (Gelesen 853 mal)

wolfmozart

Ehrlichkeit
« am: Mai 30, 2020, 20:31:35 »
Verdorrt ist längst mein junger Samen
Die Dinge haben andren Namen:
Sie heißen nicht mehr Eitelkeit
Sie heißen nur mehr Ehrlichkeit

Erich Kykal

Re: Ehrlichkeit
« Antwort #1 am: Mai 30, 2020, 20:39:02 »
HI WM!

Seltsam, dass ein Reim wie "Samen/Namen", wo 4 Buchstaben übereinstimmen, gut klingt, während dieselbe Anzahl von übereinstimmenden Buchstaben (sogar ebenfalls 2 Konsonanten und 2 Vokale) am Ende bei "Eitelkeit/Ehrlichkeit" platt und hohl klingt, fast wie eine unschöne Wortwiederholung. Woran mag das liegen? Oder kommt es nur mir so vor?

Jedenfalls klänge letzterer Reim mit nur 3 übereinstimmenden Lettern viel besser, zB wie "Eitelkeit/befreit" oder "Eitelkeit/Zeit".

Korrekte Satzzeichen: Z1 - Punkt. Z3 - Komma. Z4 - Punkt.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 30, 2020, 22:25:23 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Ehrlichkeit
« Antwort #2 am: Mai 30, 2020, 22:17:48 »
ich denke, es liegt daran, dass nur die letzte Silbe reimt.
Vielleicht:
Und Eitelkeiten nahm die Zeit,
sie heißen nunmehr Ehrlichkeit.
Dann hätte man sogar fast noch einen Gleichklang und direkten Bezug zu Namen.

LG an euch beide von Agneta

Seeräuber-Jenny

Re: Ehrlichkeit
« Antwort #3 am: Juni 18, 2020, 02:33:15 »
Lieber wolfmozart,

schöne Zeilen. Klare und einfache Worte für eine altersweise Erkenntnis. Den Reim Samen - Namen finde ich auch originell.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
« Letzte Änderung: Juni 18, 2020, 02:37:38 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Sufnus

Re: Ehrlichkeit
« Antwort #4 am: Dezember 07, 2020, 17:15:17 »
Hi Wolf!
Damit nicht der Eindruck entsteht, ich wäre überkritisch, hab ich nun dieses ältere Gedicht herausgesucht, um mich des Lobes als fähig zu erweisen :)
Ich mag nämlich die Verknappung in diesen Zeilen und die Parallelsetzung der beiden letzten Sätze. Und auch den Gedanken selbst mag ich. Also: Daumen hoch! :)
Ein paar Formalismen hätte ich nur:
Z1 bei "mein junger Samen" kann man schon leicht an Schweinkram denken, das würd ich hier gar nicht erst zulassen.
Vorschlag:
Verdorrt ist längst der junge Samen
oder, wenn Du es persönlich halten willst und an einem lyrischen Ich festhalten willst:
Auf meinem Feld verdorrt der Samen

Z2 ist etwas ungeschickt formuliert, das Weglassen des Artikels bei einem Wort im Singular ist stilistisch häufig problematisch:
Vorschlag:
Die Dinge tragen neue Namen
oder, wenn Du trotz der Verkürzung am "andren" hängst:
Die Dinge tragen andre Namen

Und noch ein Wort zum Reim und eKys Anmerkung zum hohlen Klang von Eitelkeit/Ehrlichkeit:

Das Problem für eKy ist, dass es sich hier um einen sogenannten rührenden Reim handelt. So nennt man einen Reim, bei dem die letzten betonten Silben nicht nur den gleichen Vokal sondern zusätzlich auch noch den gleichen Konsonanten tragen. Und im Deutschen gelten rührende Reime tatsächlich als weniger "schön" (in anderen Sprachen ist das anders).
Also
Eitelkeit - Ehrlichkeit: beginnen beide in der letzten betonten Silbe mit dem gleichen Konsonanten k - was es weniger wohltönend macht, hingegen (eKys und Agnetas Vorschlag) Eitelkeit - Zeit: hier haben wir ein z und ein k und auf einmal klingt es schön. :)

Ein Sonderfall, der für die meisten Ohren ganz schön tönt, obwohl wir konsonantische Übereinstimmungen haben, tritt ein, wenn mindestens in einem der beiden Worte zwei Konsonanten hintereinander folgen, von denen nur einer für den Reim "verwendet" wird.
Also:
Raben - Graben: Das r kommt bei beiden Silben vor, aber weil rrrrrr anders klingt als grrrrrrr hört es sich für deutsche Ohren nicht so sehr nach rührendem Reim an.

LG!
S
« Letzte Änderung: Dezember 07, 2020, 17:24:57 von Sufnus »