Autor Thema: November  (Gelesen 1127 mal)

AlteLyrikerin

November
« am: November 05, 2020, 13:58:34 »
Die große Buche ist entlaubt,
und was ich je vom Grün geglaubt,
hat sie den Winden anvertraut.

Die Nebel proben Endzeitmythen,
belächelt von den letzten Blüten,
obwohl ihr Blattwerk schon ergraut.

Erich Kykal

Re: November
« Antwort #1 am: November 05, 2020, 18:29:36 »
Hi AL!

Schön, wenn die letzten Blüten noch Anlass und Energie zum Lächeln haben ...  ;)

Leicht verwirrend mag sein, dass in S1 von einer (schon entlaubten) Linde die Rede ist, in S2 aber offensichtilich von anderen, allerdings ungenannten (Laub)Gewächsen die Rede ist. Von welchen?
Was blüht so spät noch? Rosen vielleicht ... Aber welches Blattwerk wird gleich grau ("ergraut") und nicht zumindest zuerst gelb, rötlich oder braun?


Ein schöner, gelungener Text, der aber den Leser zumindest mit den hier genannten Fragen zurücklassen kann.

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: November
« Antwort #2 am: November 05, 2020, 19:09:32 »
Hi Erich,

zunächst einmal herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren.  Die Linde ist eigentlich eine Buche.  ;D
Blattwerk haben nicht  nur Bäume sondern auch  Blumen.  Das Ergrauen könnte man durchaus metaphorisch sehen, aber es gibt auch tatsächlich Blumen, bei denen die Blätter unansehnlich grau bis schwarz werden. Jedem Gartenfreund ist das bekannt, und Du glaubst es mir sicherlich auch ohne dass ich Dir ein Foto schicke.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Erich Kykal

Re: November
« Antwort #3 am: November 05, 2020, 20:10:13 »
Ach ja - Buche. Zerebrale Fehlschaltung meinerseits.

Und ja - da ich über Null grünen Daumen verfüge, glaube ich gern alles, was mir jemand über Grünzeug erzählt. Solang ich es nicht allzu oft essen muss ...  ;) ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: November
« Antwort #4 am: November 12, 2020, 16:58:43 »
Hi AL!
Ich hinke insgesamt noch etwas beim Kommentieren hinterher... Du, gum, eKy, Agneta... es gibt noch ein paar Werke kommentierend zu bedenken... tja - ich arbeite dran! :)
Jedenfalls gefällt mir dieses Gedicht von Dir ganz besonders ausgiebig gut. Es ist ziemlich offen gehalten, sehr kurz und verkneift es sich, die geschilderte Naturebene zu kommentieren. Lauter Ticks in da Box!!! :)
Als alter Freund zusammengesetzter Wörter gefällt mir Endzeitmythen übrigens ganz besonders gut! :) Diese Stärke der deutschen Sprache, dass sie so wunderbare lange Wörter zu bilden erlaubt, darf im Gedicht finde ich gerne intensiv genutzt werden. :)
Wundern will mich nebenhingesagt übrigens, dass sowohl eKy hier als auch Ilka andernorts von der Gräunis der Blattwelke irritiert waren. Ich find diese Irritation überhaupt nicht schlimm und will sie nicht kritisieren, aber wenn ich ein Gedicht lese, wundere ich mich über ausgefallene Attribuierungen oder kontralogische Formulierungen gar nicht, ja diese gehören für mich sogar zum Wesen der Lyrik und nicht erst seit der Moderne.
Ich mein... rosenfingrige Morgenröte und silbernes Mondlicht sind jetzt auch nicht gerade wirklichkeitsnahe Beschreibungen... dagegen sind graue Blätter ja noch sehr sehr nah an der Realität (Du hast schon darauf hingewiesen). Aber selbst wenn Du von zerfließenden Blättern oder aschenen Blättern oder schreienden Blättern schreiben würdest, käme ich persönlich nicht auf die Frage, ob das denn "realistisch" sei. :)
Naja... wie gesagt, nur ein harmloser Nebengedanke... :)
LG!
S.

AlteLyrikerin

Re: November
« Antwort #5 am: November 15, 2020, 14:24:52 »
Hi Sufnus,

herzlichen Dank für den schönen, ausführlichen Kommentar. Vor allem auch für den "Nebengedanken". Das Arbeiten mit Metaphern ist das schönste, aber auch mit das Schwierigste in der Lyrik. Abgegriffene, tausendfach benutzte will man nicht nochmals bringen, dafür sind andere zu überzogen und wiederum andere zu kryptisch. Es ist immer spannend, weil ja auch die Leser ganz unterschiedliche Erwartungen an eine gute Metapher haben. Ich bleib am Ball und grüße ganz herzlich aus einem vernebelten Tag, AlteLyrikerin.

a.c.larin

Re: November
« Antwort #6 am: November 15, 2020, 20:10:34 »
hallo AL,
 ein wunderschönes, kurzes  spätherbstgedicht ist das! habs gerne gelesen.

mir haben das wiener dauernebelwetter und diverse andere begebenheiten ein bissl "die red verschlagen" (=sprachlos gemacht).
 daher  fällt mir grad GAR nichts ein zu diesem spätherbst.

@erich: du wirsts nicht glauben(weil ichs selber kaum geglaubt hab) : heute entdeckte ich beim spazierengehen an einem zaun eine  tieflila blühende clematis!
gestern sah ich vor einem haus eine sich am spalier hochrankende diplodenia (rosa blühend)  in meinem eigenen garten blüht eine lila primel sowie einige tagetes blümchen, selbst das johanniskraut hat zwei blütenknospen angesetzt.

schon verblüffend: vor 3 wochen trugen einige erdbeeren noch/wieder früchte und im nachbarort gab es mehrere kastanienbäume, die an einem ast sowohl blüten, als auch früchte trugen!
die natur scheint a bissl verwirrt zu sein....

lg, larin

AlteLyrikerin

Re: November
« Antwort #7 am: November 16, 2020, 09:43:07 »
Hallo larin,


herzlichen Dank für Deinen Kommentar; hab mich über "habs gerne gelesen" sehr gefreut. Dass aktuell in Wien besondere Entwicklungen die lyrischen Energien etwas dämpfen, kann ich mir gut vorstellen. Vielleicht sollten wir von den Blumen lernen. Sie blühen einfach, wann immer es geht, ob das logisch ist oder nicht.  ;)
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

gummibaum

Re: November
« Antwort #8 am: November 21, 2020, 20:28:02 »
Vergänglichkeit, über die sich ein Lächeln erhebt. Ein schönes Bild.

Gern gelesen, liebe AlteLyrikerin.

Gruß von gummibaum 

AlteLyrikerin

Re: November
« Antwort #9 am: November 23, 2020, 09:50:31 »
Lieber gummibaum,

vielen Dank fürs Lesen und den schönen Kommentar. Hat mich sehr gefreut.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.