Autor Thema: Worte des Abschieds  (Gelesen 820 mal)

Erich Kykal

Worte des Abschieds
« am: November 15, 2020, 13:45:39 »
Wir gaben uns ein dauerndes Versprechen,
in Liebe miteinander alt zu werden,
nach jedem Höhenfluge uns zu erden
in einem Bund, den keine Jahre brechen.

Wir trugen uns durch mancherlei Bedenken,
dass man sich eines Tages nicht mehr fände,
und reichten doch darüber uns die Hände,
uns immer Trost und Zuversicht zu schenken.

Wir blieben treu und aneinander haften,
und wuchsen in die Liebe, die wir hegten,
und wurden eins im Umgang, den wir pflegten
und in den Räumen, die wir uns verschafften.

Es war ein gutes Leben, das wir führten,
da wir behutsam durch der Jahre Wandeln
uns immer neu zu schaffen und verhandeln
erlernten, wo den andern wir berührten.

Nun bist du, mein Gefährte, mir entglitten.
Du hast dich still an jenen Ort getragen,
der mir verschlossen bleibt, um dir zu sagen,
wie sehr ich dich vermisse! Keine Bitten

erlösen uns von traurigen Verlusten,
die wir zurück in diesem Leben bleiben
und Worte über einen Menschen schreiben,
den wir am Ende doch verlieren mussten.

Jedoch: die Liebe lebt und wird uns tragen,
wird in Erinnerung lebendig dauern,
und über aller Trauer dunkle Mauern
in allem wirken, was wir weitersagen.

Sie wird aus steten Atemzügen raunen,
die tiefer nun, lebendiger erscheinen,
als würde sie mit allem uns vereinen,
und stiller Demut Glanz mit jedem Staunen.

Das Leben gab's, das Leben hat's genommen,
und es war wohlgetan in jedem Falle.
Die Zeit vergeht, und irgendwann sind alle
an irgendetwas endlich angekommen.

Wer mag schon deuten, was das Leben gründet,
und welcher Sinn wohl hinter allem steht.
Der Tropfen, der dem Teich verloren geht,
ist jener, der in Ozeane mündet.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Worte des Abschieds
« Antwort #1 am: November 15, 2020, 19:49:27 »
lieber erich,

das sind sehr berührende, von trauer getragene worte!
wenn ihnen kein reales erlebnis aus deinem umfeld zugrunde liegt, dann hast du dich millimetergenau in die gefühlswelt des trauernden, der eine lange liebe begraben muss hineingespürt.

 sehr gelungen, bin beeindruckt.
lg, larin


Erich Kykal

Re: Worte des Abschieds
« Antwort #2 am: November 15, 2020, 22:57:04 »
Hi larin!

Jemand hat mich um solche Worte des Gedenkens gebeten. Jemand, dessen Partner krankheitsbedingt in absehbarer Zeit sterben wird, und der für die irgendwann anstehende Beisetzung einen entsprechenden Text zu seiner langen Beziehung haben wollte. Ich kenne diese kranke Person zwar, stand ihr aber nie besonders nahe. Da ich aber selbst schon Eltern und andere Verwandte begraben habe, und auch vier geliebte Katzen (deren Erwähnung mir in diesem Zusammenhang durchaus nicht unwürdig erscheint), weiß ich durchaus um die diesbezügliche Gefühlslage, und welche Worte dazu geeignet scheinen.

Vielen Dank für deine freundlichen Lobesworte!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Worte des Abschieds
« Antwort #3 am: November 16, 2020, 09:54:59 »
Hallo Erich,

sehr bewegende, aber nicht übertrieben "salbadernde" Worte hast du gefunden. In meiner Ausbildung zur Trauerbegleiterin habe ich vieles über den Trauerprozess gelernt. Dein Gedicht enthält vieles, das zu einem guten Trauerprozess gehört. Der Rückblick auf das gemeinsam erlebte Gute, zum Beispiel.
Allerdings wird bei der Beisetzung dieser "Reifegrad" der Trauer noch nicht erreicht sein. Aber der Trost, der in den Versen liegt, kann ja lesend und reflektierend immer wieder gesucht werden.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.


Sufnus

Re: Worte des Abschieds
« Antwort #4 am: November 16, 2020, 13:31:27 »
Hi eKy!
Sehr schön und sehr berührend... eine warme Umarmung zum Abschied - mit dem passenden Reimschema. Ich empfinde die Worte als sehr tröstlich, wie AL schon schrieb, kein falsches Pathos oder Herumgeschwafel.
Unabhängig vom Gedicht, befremdet mich nur etwas, dass die Bitte schon im Vorhinein ausgesprochen wurde. Das ist zwar schon nachvollziehbar und ad hoc lässt sich so ein schönes Gedicht ja in der Regel nicht schreiben (von Dir bestimmt schon ;) )… aber ich hätte das nicht so vorausschauend bestellen können; nun ist aber eben auch jeder Mensch anders und reagiert anders und das ist ja auch gut so... ich musste den Gedanken trotzdem loswerden...
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Worte des Abschieds
« Antwort #5 am: November 16, 2020, 18:19:45 »
Hi Suf, AL!

Die Person ist praktisch veranlagt und stellt sich den Unausweichlichkeiten des Lebens, und das Ende für den Partner, so sehr auch geliebt, ist leider absehbar. Sich der Realität zu stellen und rechtzeitig zu planen, heißt nicht, kaltherzig zu sein.
Ich sah meinen Vater und meine Tanten jahrelang langsam "versickern" - man hat lange Zeit, sich innerlich zu wappnen und sozusagen "ratenweise" Abschied zu nehmen. Oft ist dann das Ende für alle wie eine Erlösung: Die Begleitenden wie den Betroffenen.

Vielen Dank für die ebenso berührenden Worte des Lobes!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 07, 2021, 19:12:28 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.