Autor Thema: Blüten einer Corona-Demo  (Gelesen 731 mal)

Agneta

  • Gast
Blüten einer Corona-Demo
« am: September 05, 2020, 10:13:52 »
Blüten einer Corona-Demo (Kommentar)


Blumenkinder waren es einst, die auf die Straße gingen. Hippi-Pippis, die sich an die Bahnschienen ketteten, gegen Atomkraft, Alles noch easy. Was aber haben wir heute?
Da steht die Esoterik-Szene auf, stellt sich Seite an Seite mit Anhängern der Reichsbürger, die ich bisher für eine Organisation von Stammtischbrüdern in Hinterwolfingstupfhausen hielt und „stürmt die Bastille“. Ihre Sprecherin kreischt auf dem Podest: Wir haben gesiegt! Und kein normaler Mensch weiß, gegen wen.
Nicht, dass die esoterischen Wellen der Geisterbeschwörer und Bachblütenlutscher den rechten Kollegen noch so extrem in die Fahnen wallen, dass denen plötzlich die Arme rechts hoch gehen. Nein, nein, Querdenken ist erlaubt- Querhandeln gegen das Grundgesetz nicht.
Die Polizei wirkt hilflos und muss sich anschließend wegen angeblicher Gewaltexzesse an Demonstranten verwahren. Was ist los in diesem Land?
Vor ein paar Wochen erst plünderte und randalierte ein vornehmlich  migrantisch geprägter Mob, was zunächst als „Partyszene“ abgetan wurde. Polizisten wurden verkloppt wie kleine Jungs. Was ist hier los in Deutschland? Stehen die Ränder auf, weil die Mitte der Gesellschaft keine Stimme mehr wagt?
Im Netz kursieren aktuelle Fake News über die Corona-Demo und gar in Lyrikforen ( ich fand drei) werden propagandistische Texte und Gedichte eingestellt, die den normalen Bürger in Richtung Demonstrantendenkweise manipulieren sollen. 
Gestern Abend zeigte die Tageschau, dass sich Eltern mehr und mehr das Recht einklagen, ihre Kinder maskenlos zur Schule zu schicken. Sie tun dies seltsamerweise bundesweit mit gleichlautenden, vorgefertigten Briefen. Suchen Hilfe bei der Initiiative „Eltern stehen auf“, die den Querdenkern nahe stehen soll. Ist scheinbar gut organisiert, die Szene. Was ist hier los in diesem Land?
Seriöse Medien jedoch fokussieren sich bei der Berichterstattung sehr auf die rechten Reichsbürger, die sich den Corona-Demonstranten anschlossen, Zu sehr vielleicht?
Die Frage ist schließlich nicht: Wer lief da?, denn sämtliche Argumente beider Gruppierungen sind ja völlig abstrus.
Die Frage muss doch vielmehr sein: Was steckt dahinter?
Die Deutschen demonstrieren nicht gegen Massentierhaltung und Wohnungsnot. Nicht gegen Altersarmut und Existenzangst. Schon gar nicht gegen eine unbewältigte Migrationsproblematik. Aber sie demonstrieren mit 45.000 und zuvor 25.000 Menschen gegen die Maskenpflicht bei einer Pandemie? Nachtigall, ik hör dir trappsen.
Das sind zu viele Menschen, um sie einfach als Spinner abzutun. Unsere Bundesregierung täte gut daran, darüber höchst intensiv nachzudenken, was diese Menschen wirklich auf die Straße treibt. Denn eine politische Alternative hat ja von denen niemand zu bieten.
Wer dieses Land also regieren will und uns sozialen Frieden gewährleisten möchte, der sollte jetzt nachdenken!  Und sich nicht im üblichen selbstgefälligen Vorwahlgeplänkel verlieren.
70.000 Menschen hatten eine Botschaft. Die gilt es zu entschlüsseln.
Wer die gesellschaftliche Mitte zum Schweigen bringt, der schreibt den Geistern der Ränder ihre Lieder.
« Letzte Änderung: September 05, 2020, 14:10:02 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Blüten einer Corona-Demo
« Antwort #1 am: September 05, 2020, 10:55:52 »
Hi Agneta!

Ganz deiner Meinung hier! Weder die "Bachblütenlutscher" (Danke für diese herrlich bezeichnende Wortschöpfung!  ;D) noch die Nazis (und "Reichsbürger" sind im Grunde nichts anderes!) sind in meinen Augen Leute, die ihr Gehirn richtig benutzen, denn sonst wären sie ja weder das eine noch das andere!
Aber das, woran Menschen glauben WOLLEN, hat mit Realität oder Vernunft ja noch nie viel zu tun gehabt, oder?

Die einen sehen nur eine "Verschwörungstheorie", eine geheime Absprache der internationalen Staatengemeinschaft (wie bescheuert kann man sein ...), um mehr Kontrolle ausüben zu können, die Bürger schreittweise zu entrechten, zu zähmen und an Gehorsam zu gewöhnen. Sie halten Corona für eine inszenierte Lüge, oder für ein eher harmloses Mittel zum Zweck.
Und die anderen benutzen , wie man weiß, ja jede Gelegenheit, um das demokratische System zu destabilisieren und in Verruf zu bringen. Da springen sie natürlich gern sofort auch auf diesen Zug auf.
In beiden Fällen Dummheit und Blindheit, die einander benutzt. Die einen halten ihre Rechte für unveräußerlich und erlauben aber zugleich den anderen, genau diese Recht zu untergraben, indem sie sie mitmarschieren und ihre "Sache", so dämlich sie auch sein mag, kapern lassen. Oder denken die Esoteriker und Verschwötingstheoretiker wirklich, auch nur einer von ihnen dürfte unter einer neuen Diktatur der Faschisten auch nur einmal ungefragt das Maul aufreißen oder gar mit Fahnen demonstrieren gehen? Die würden diese Spinner von der Strasse prügeln und ins KZ stecken!

Was Fakt ist: Vieles liegt in unseren Wohlstandsgesellschaften im Argen. Der Kapitalismus führt zu immer ungerechterer Verteilung des Geldes, Korruption, Kaputtsparung oder Inkompetenz der Einrichtungen und Behörden tun ein Übriges. Die Rechten wie die Linken deuten laut auf die nach ihrer Lesart Schuldigen: Regierung, oder überhaupt Demokratie, und natürlich die Ausländer, die sie ins Land gelassen hat. Immer schön alte Urängste bedienen, das wirkt immer!
Hetze und Fake News im Internet, das scheinbar nicht regulierbar ist, und in dem alle behaupteten "Fakten" gleich wahr wirken können, destabilisieren die Geduld jener, die sich zu kurz gekommen fühlen, weiter.
Was passiert? Sie sehen nicht mehr das, was sie haben, was durchaus funktioniert und ihnen ihre Rechte garantiert, sondern nur noch das, was in ihren Augen nicht funktioniert - und werden immer bereiter, gleich ALLES über Bord zu werfen, nur um "es denen zu zeigen", die sie für die Schuldigen halten.
Was erst einmal geglaubt wird, wird eisern und hartnäckig weiter kolportiert, da kann man gegensteuern, wie man will. Die Grundströmungen von Fanatismus und Ausschließlichkeitsdenken werden wieder stärker, nicht nur bei uns, sondern überall in Europa, ja sogar überall weltweit. Alle radikalisieren sich, entweder aus verqueren Überzeugungen heraus, oder um sich gegen die "anderen" Radikalen zur Wehr zu setzen.

Es ist wie in einer Rattenpopulation: Gibt es zu wenig Futter (und bei Menschen reicht dafür ja schon der Glaube daran, dass für alle zu wenig da sein könnte ...), fallen die Ratten übereinander her und töten und fressen die Schwächsten. Dem geht stets ein immer aggressiveres Verhalten gegen die eigenen Artgenossen voraus, so als müssten die Tiere sich erst "in Stimmung bringen" für das rücksichtslose übereinander Herfallen.
Das Stammhirn, das meist alle "Bauchentscheidungen" steuert (oder sogar mehr, da streiten die Forscher noch ...), ist bei allen Säugern gleich programmiert. Wir verhalten uns - natürlich mit viel "klügeren" Argumentationen und Rechtfertigungen - im Grunde also immer noch wie Ratten (oder andere Überpopulationen bei Nagern oder anderen sozial lebenden Tiergruppen von Alles- oder Fleischfressern).

Ehrlich gesagt, ich beobachte die Menschen lange genug, um nicht überrascht zu sein - nur immer enttäuschter und verbitterter vielleicht. Aber so lang es nur RANDelemente sind, wie du ja auch schreibst, halte ich die Hoffnung fest, dass es endlich einmal auch anders ausgehen könnte. Die Hoffnung ist SEHR dünn - aber alles, was mir bleibt.

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 05, 2020, 10:58:05 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Blüten einer Corona-Demo
« Antwort #2 am: September 06, 2020, 19:30:47 »
Es herrscht Krieg da draußen, die Rechten kapern die Demos und die Tagesschau jubelt. Stellungskrieg der Drostidioten gegen die Covidioten. Da kann es nur Verlierer geben. Ich befürchte. dass das noch viel schlimmer wird, weil die Politik nicht mehr zurück kann, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Wären die Kritiker Spinner, würde man sie gewähren lassen. So aber müssen sie bekämpft werden. Man muss sich nur die die "Öffentlich-rechtlichen" Sendebeiträge zu den Demos ansehen. Man diffamiert Demonstranten, weil halt auch Deppen mitlaufen. Das war übrigens kein Problem, als beim G20-Treffen in Hamburg die Randalierer der ANTIFAnten die Stadt abfackelten. Da war es kein Thema, mitzulaufen, um Kritik am Kapitalismus zu äußern. Aber auch dort war es auffällig, dass häufig friedliche Demonstranten Opfer von Polizeigewalt wurden. Augenblicklich versuchen die Spahniols zurückzurudern. Der Herbst wird die Insolvenzwelle lostreten und die Banken reiben sich jetzt schon die Hände, wenn sie letzten Ersparnisse und das kleine Häuschen der Künstler und Soloselbstständigen für'n Appel undn Ei einsacken können. Dann wird's richtig dreckig. Schade, dass ich nicht in Berlin war. Gruß vom Hans
« Letzte Änderung: September 06, 2020, 19:37:07 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Agneta

  • Gast
Re: Blüten einer Corona-Demo
« Antwort #3 am: September 11, 2020, 12:00:45 »
Lieber Erich, lieber Hans,

vielen Dank für eure Gedanken, die nachhaltig sind und denen ich mich anschließen kann.
@Erich
Ich weiß nicht, ob es Randerscheinungen bleiben. der Frust scheint bei den Menschen sehr groß zu sein. Ich beobachte, dass abends hier nach 23.00 Uhr viele Randalierer unterwegs sind, letztes Jahr war das noch nicht so. Clubs für Jugendliche sind zu, Bars usw., die in anderen Viertel liegen auch. Die Jugendlichen sitzen auf der Straße.
Dazu kommen reale und berechtigte Existenzängste. Unser Ziehsohn war gestern hier, er macht gerade seinen meister, aber er wird entlassen werden, weil der Autozulieferbetrieb, für den er arbeitet, kurz vor der Insolvenz steht.
@Hans

Deine Sichtwiese teile ich, bis auf das Wort Krieg. Noch haben wir den nicht, Was wir haben, sind jede Menge Unsicherheit auf allen Seiten. Spahn hat Milliarden in den Sand gesetzt für nicht bezahlte Masken. Pflegekräfte wurden nur beklatscht, nicht mehr. Ängste können einiges auslösen. Armut auch. Man wird sehen. Ich sehe die Zukunft, nicht für mich, aber für viele Menschen schwierig.
LG von Agneta