Hi Agneta!
Vom alten "Macht euch die Erde untertan!" bis zum heutigen "Wir sind etwas Besonderes!" - viele Menschen finden nicht "privat" ihr inneres Gleichgewicht, sondern in der Hingabe an (oder Unterordnung in - je nach Sichtweise ...) eine religiöse Gemeinschaft, die mehr oder weniger aggressiv missioniert.
Diese Gemeinschaften mit ultimativem Wahrheitsanspruch sind es, die indoktrinieren, manipulieren, die Einfältigen ausnutzen, die Täter schützen, Macht ansammeln, politisch oder finanziell. Und weil es menschgemachte Konglomerate sind, sind sie ebenso fehlerhaft, arrogant, blindwütig und grausam wie dieser, wenn er sich seiner Hybris anheimgibt.
Man denke an Scientology - moderne Gehirnwäsche, Überwachung, Unterdrückung durch Gruppendruck und Psychoterror. Oder die berüchtigte Colonia Dignidad - die Kopfgeburt eines gewissenlosen Knabenschänders, die ihm lebenslang dazu diente, an immer neue Kinder zu kommen - und die alten Opfer schwiegen, und die Eltern waren ahnungslos, oder wollten es sein ...
Dagegen sind die lokalen Auswüchse der katholischen Kirche noch eher harmlos. Fußen aber auf demselben Prinzip gruppendynamisch ausgeübten Glaubens, der letztlich geistig unfrei und unmündig macht. Statt selbst zu denken, holt man sich beim Pfarrer Rat, oder beim Rabbi, oder beim Imam, oder beim Mullah ...
Im Grunde sind solche kulturellen und sozialen Gruppendefinitionsmittel eine Art "sanftes Militär". Auf Kommandoton wird verzichtet, weil sich jeder freiwillig der Sache und ihren Vertretern unterordnet, um so Teil der Gemeinschaft sein und bleiben zu können. Dass dies manchen Menschen wichtiger ist als selbst die Liebe zu den eigenen Kindern, beweisen die Verstoßungen: "Gefallene Mädchen" wurden in Europa noch bis vor 50 Jahren von Vätern oder dem Pfarrer aus den Dörfern gejagt oder geprügelt, nachdem man sie in der Messe öffentlich beschimpft und "abgeurteilt" hatte. Homosexuelle Söhne schwiegen lieber, denn die wurden nicht selten von den eigenen Vätern ermordet, still und heimlich, um die Familienehre nicht zu beschmutzen ... Mit unbotmäßigen Mädchen wird im Islam heute zuweilen noch so verfahren - man denke an die "Ehrenmorde" an allzu westlich agierenden Töchtern ...
Ganz zu schweigen von den Glaubenskriegen, zu denen sich die aufgehetzten Massen immer wieder versteigen: Kreuzzüge, Dschihads, praktisch das ganze Alte Testament, das dazu aufruft, alle Ungläubigen abzuschlachten, mit Frauen, Kindern und dem lieben Vieh! Der Koran, der diesbezüglich auch zitabel ist ...
Keine noch so moderne und aufgeklärte Zvilisation verhindert dauerhaft, dass immer wieder Menschen aufkommen, die solch rigides Gedankengut vertreten und in die Welt tragen. Da geht es immer auch um Macht - und leider sind die meisten Menschen immer noch dumm und/oder ungebildet genug, um solchen Demagogen und Verführern auf den Leim zu gehen: Du musst nicht privilegiert sein, nicht klug und begabt: Komm zu uns, verschreibe dich der "Wahrheit", und du bist allein schon daraus etwas Besonderes, Reines, Überlegenes! Ob über Genetik kolportiert, wie der schon religiöse Rassenwahn der Nazis, oder über die "korrekte" Geisteshaltung und Einstellung - mit Speck fängt man Mäuse!
Man denke an die Zeugen Jahovas, die propagieren, dass man nur als ihr Mitglied ins Paradies kommt, weil nur sie die "wahren Reinen" seien. Das meinen sie durchaus körperlich: Sie lassen die eigenen Kinder eher verrecken, als Bluttransfusionen von Ungläubigen zu gestatten, die deren "heiliges" Blut verunreinigen würden. Lieber tot im eingebildeten Paradies als die Chance auf ein erfülltes Leben ...
So gibt sich der Mensch lieber allen Arten der Perversion hin, zu denen seine fiktiven Welterklärungskonstrukte unweigerlich gerinnen, als endlich einzusehen, dass er damit letztendlich nichts erreicht, außer die eigene Evolution zu be- oder verhindern. Erhaben macht uns kein einziger Glaube wirklich - nur innerlich wie äußerlich kleiner, egal, wie sehr wir uns das Gegenteil einreden und uns verzweifelt bis fanatisch ans Geglaubte klammern, bloß weil wir uns selbst nicht die innere Kraft zutrauen, selbst und eigenverantwortlich einen würdigen Lebensweg zu generieren.
Es ist diese jämmerliche Bedürftigkeit nach Unterwerfung, Führung und Anbetung, die mich an der Menschheit zweifeln macht, und zwar von beiden Seiten: die Bedüfrtigkeit der einen danach, sich unterzuordnen und das eigene Bewusstsein und Gewissen nach vorgegebenen Normen zu gestalten oder zu verbiegen, ebenso wie die Bedürftigkeit der anderen danach, diese soziale Demut für ihre eigenen Machtgelüste zu instrumentalisieren. Täteropfer und Opfertäter in ewiger unentrinnbarer Verstrickung. Das sind Religionen. Gäbe es das immanente Bedürfnis nach "Glauben" nicht, all diese "Postulate der ultimativen Wahrheit" wären unnötig und würden sofort als genau so lächerlich und jämmerlich entlarvt werden dürfen, wie sie eben sind.
Leider scheint der Mensch diesbezüglich nicht lernfähig zu sein: Hunderte, ja tausende Götter hat er sich im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte (oder geistigen Stagnation ...) der letzten Millennien erschaffen, sie unterschiedlich lang weitergetragen und schließlich verworfen und vergessen. Seit Jahrhunderten graben wir die Überreste davon aus - und kommen dennoch nicht zum logischen Schluss, da wir scheinbar ganz natürlich annehmen, das "aktuelle" Welterklärungsmodell im "aktuellen" heiligen Buch wäre GAAANZ sicher endlich das einzig Richtige - muss es ja sein, hat uns ja der Gott selbst in die Feder diktiert ...
Gegen soviel Borniertheit und unbewusst bewusste Selbstblendung ist leider (noch) kein Kraut gewachsen.
Und der Vorschlag: Gott für jeden allein und innerlich, wie jedes Individuum ihn für sich braucht und haben will? Ist das wahrer, nur weil es keinem anderen ans Bein pinkelt? Ist das nicht immer noch dieselbe armselige Bedürftigkeit, die jederzeit wieder in einen Gemeinschaftswahn umschlagen könnte? Ist das nicht sogar die allerletze Perversion: Jedem seine eigene, individuelle Fiktion, um eine Schwäche zu stützen? Ist das nicht letztlich die Bankrotterklärung des religiösen Denkens an sich?
Wenn es beliebig viele Gottversionen geben darf, dann gibt es im Umkehrschluss eben NICHT diese behauptete ultimative Wahrheit, zu der alle bisher Ungläubigen (in ihrem eigenen Interesse natürlich ... - he, erzähl mir noch einen!) hingeführt werden sollen. Das führt das Konzept der Religion an sich ad absurdum.
Aber da Glaube nichts mit Logik oder Einsichtswillen zu tun hat (man denke nur an die vielen Widersprüche in der Bibel - scheinbar kein Problem für die braven Beter ...), spielen solche Überlegungen leider keine Rolle.
Erst wenn es der Menschheit gelingt, insgesamt ihre Bedürftigkeit zu überwinden, dieses leidige Ameisendenken abzuschütteln, wird sie keine Gottheiten mehr benötigen, um sich sicher zu fühlen. Nur wenn sie ihre geistige "Kindheit" hinter sich lässt, dieses freiwillige Verharren in Unmündigkeit, nur um sich geborgen und mitgenommen fühlen zu können - erst dann könnte ich in einer Gesellschaft leben, in der ich mich einigermaßen wohlfühle. Wird also nix damit zu meinen Lebzeiten ...
LG, eKy
Hi Gum!
Interessanter Vorschlag. Ich denke, die Ursachen für das Bedürfnis nach Religion oder Gottexistenz fußen auf der intellektuellen Unreife der evolutionär noch unfertigen Menschheit an sich. Wir verhalten uns diesbezüglich auch als Erwachsene immer noch wie Kinder, wenn man es genau betrachtet. Der Gott - und der Pfarrer als sein be"glaubigter" Vertreter auf Erden werden zur Vaterfigur, zur übergeordneten Instanz, nach deren Wirken und Wollen alles zu funktionieren habe.
Wenn diese Instanz also vorgibt, man müsse gewisse Körperteile und -funktionen verachten und tabuisieren (so als hätte Gott sie nur eingebaut, um die wahrhaft Gläubigen durch Versuchung zu prüfen - denn "geirrt" kann er sich ja beim Konstruktionsplan nicht haben, so als Gott, oder? Dass die Bibel gleichzeitig postuliert, ebendieser Gott hätte "den Menschen nach SEINEM Bilde erschaffen", scheint für die Glaubenden kein Widerspruch zu sein. Zuerst mal gibt es für sie keine Geschlechterverwirrung: Gott muss ein Mann sein, denn Adam wurde zuerst erschaffen, als Ebenbild Gottes eben. Deshalb ist (nach religiösem Postulat) die Frau auch wertloser, halt nur geworden, damit der Mann sich fortpflanzen kann. Wenn aber die Frau erst für Adam entstand - wozu hat Gott dann einen Penis? - Man merkt bei nur ein wenig klarem Nachdenken, wie widersinnig religiöse Modelle sind, aber wer will schon klar denken, wenn es um den Glauben geht?), dann wird das unreflektiert so übernommen. Das Körperliche gerinnt aus dem Geistigen, genauer aus der geistigen Unfreiheit derer, die aus innerem Bedürfnis glauben wollen oder müssen. dieses Bedürfen ist oft stärker als der eigene Überlebenswille, als die Liebe zu eigenen Kindern: Hier regiert das Ameisendenken sozialer Strukturen, die insgesamt ein sichereres Überdauern zu garantieren scheinen, nicht zuletzt dank der Perspektive eines "garantierten" Lebens nach dem Tode.
LG, eKy