Autor Thema: An meinen Tod  (Gelesen 701 mal)

AlteLyrikerin

An meinen Tod
« am: Juni 25, 2020, 11:38:37 »
 Im Winterschweigen bist du nicht
 und nicht im Hagelschlag.
 Du bist im Tau und in dem Licht,
 das Rosenfarben zu Juwelen bricht.

 Du bist in jedem ungebornen Wort,
 und mit der Hoffnung tanzt du einen Reigen.
 Hohnlachend weinst du über unsre Wut
 den toten Dingen Leben abzuringen.

 Ich bitte dich, kommst du zu mir,
 sitze noch kurz vor meiner Tür.
 Lass mich den Liebsten küssen
 und letzten Atem schenken einem Lied.

Erich Kykal

Re: An meinen Tod
« Antwort #1 am: Juni 25, 2020, 12:32:35 »
Im Winterschweigen bist du nicht
 und nicht im Hagelschlag.
 Du bist im Tau und in dem Licht,
 das Rosenfarben zu Juwelen bricht.

 Du bist in jedem ungebornen Wort,
 und mit der Hoffnung tanzt du einen Reigen.
 Hohnlachend weinst du über unsre Wut
 den toten Dingen Leben abzuringen.

 Ich bitte dich, kommst du zu mir,
 sitze noch kurz vor meiner Tür.
 Lass mich den Liebsten küssen
 und letzten Atem schenken einem Lied.


Hi AL!

Hier muss ich jetzt einfach mal "basteln", denn das geht eindeutig in meine Richtung, auch wenn du das Reimen aus S1 nicht weiterführst.

Erst mal die Metrik:

xXxXxXxX
xXxXxX
xXxXxXxX
xXxXxXxXxX

xXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXx
XxxXxXxXxX
xXxXxXxXxXx

xXxXxXxX
XxxXxXxX
xXxXxXx
xXxXxXxXxX


Wie uneinheitlich die Zeilenlängen sind, muss ich nicht betonen, das siehst du sicher selbst. 2 Zeilen beginnen betont, gefolgt von einem Senkungsprall, ansonsten müsste man die dort stehenden Worte völlig falsch betonen.

Man könnte durch Angleichung der Zeilenlängen ein Gleichmaß im Sprachrhythmus generieren, der diesem Text in "klassischer" Hinsicht gut täte, wie ich finde.

Versuch:

Im Winterschweigen bist du nicht
und nicht in Hagelschlags Gewicht.
Du bist im Tau und auch im Licht,
das Farben zu Juwelen bricht.

Du bist in jedem stillen Wort,
und tanzt in jedem Hoffnungsreigen.
Du nimmt das Weh aus allem fort,
ihm Tieferes als dich zu zeigen.

Ich bitte dich: Beim Gehenmüssen,
wenn alles meine Türen flieht,
lass mich zuletzt den Liebsten küssen,
und letzten Atem schenken einem Lied.


Zur Hervorhebung der Conclusio ist es statthaft, der letzten Zeile einen Heber mehr zu gönnen. Ansonsten wäre so alles vierhebig und mit unbetontem Auftakt. Zwar ist das Kadenzenschema (mmmm - mwmw - wmwm) uneinheitlich, aber derlei fällt meist nur den Profis auf ...  ;)

Nicht dass ich dich drängen wollte, diese Version zu übernehmen - ich bastle eben bloß gern und wollte ein Beispiel geben, wie es mir (noch) besser gefiele. Aber das bleibt alles letztlich Geschmackssache.

Gern gelesen und gebastelt!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: An meinen Tod
« Antwort #2 am: Juni 25, 2020, 12:55:32 »
Lieber Erich,


herzlichen Dank für Deinen Kommentar und vor allem für Deine Arbeit an den Versen. Das Ergebnis gefällt mir extrem gut und motiviert mich dazu - neben meinen Studien und Versuchen im Bereich moderner Lyrik - den klassischen Stilmitteln auch wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ich könnte Deine Änderungen durchaus übernehmen, da sie mir trotz einiger inhaltlicher Verschiebungen, die aber nicht gegen meine Intentionen gehen, wirklich gut gefallen.
Dann aber wäre es eigentlich unser Gedicht; ich würde es nicht mehr nur unter meinem Namen veröffentlichen wollen.


Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.