Autor Thema: Herbstseele ( ehemals "September")  (Gelesen 1887 mal)

Ylva

Herbstseele ( ehemals "September")
« am: April 28, 2020, 18:52:01 »
Der Sommer vergeht und die Tage entfliehen,
ein flüchtiger Schimmer im welkendem Grün.
Wenn Vögel und Wolken die Fernen beziehen
wird mit ihrem Abschied die Sehnsucht erblühn.

Ein sanftes Ahnen schleicht durch alle Wälder,
verwebt seidene Fäden mit Nebel und Tau.
Sein zartes Erwachen beglänzt Wiesen und Felder
und Purpur vermischt sich mit Herbstsilbergrau.

Vom Winde getragen verwehen die Stunden,
die Bäume erzählen vom Wandel der Zeit.
Die Lieder, die alten, sind längst schon entschwunden,
die Stimme der Sehnsucht ist das, was noch bleibt.

Im Regen des Herbstes verschwimmen die Tage,
die Farben verlaufen und Gold wird zu Braun.
Doch diese Sehnsucht, die ich tief in mir trage,
sie ist mir ein Licht, bleibt Hoffnung und Traum.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #1 am: April 28, 2020, 19:25:26 »
Sehr schön, liebe YIva,

hier nur ein paar kleinere Anpassungen! Aber die Anderen werden sicher auch Gedanken dazu haben!

Der Sommer vergeht und die Tage entfliehen,
ein flüchtiger Schimmer im welkendem Grün.
Wenn Vögel und Wolken die Fernen beziehen
wird Abschied zu Sehnsucht, die Sterne verglühn.

Ein sanftes Erahnen durchschleicht alle Wälder
verwebt seidene Fäden mit Nebel und Tau.
Sein zartes Erwachen beglänzt mich und Felder
und Purpur vermischt sich mit Herbstsilbergrau.

Vom Winde getragen verwehen die Stunden,
die Bäume erzählen vom Wandel der Zeit.
Die Lieder, die alten, sind längst schon entschwunden,
die Stimme der Sehnsucht ist das, was noch bleibt.

Im Regen des Herbstes verschwimmen die Tage,
die Farben verlaufen und Gold wird zu Braun.
Doch Sehnsucht ist es, die ich tief in mir trage,
sie ist mir ein Licht und ist Hoffnung und Traum.
« Letzte Änderung: April 28, 2020, 21:37:30 von Eisenvorhang »

Sufnus

Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #2 am: April 29, 2020, 13:43:56 »
Hi Ylva! :)

Das find ich schön, dass Du quasi eine Variation zum Thema Deines ersten hier eingestellten Gedichts verfasst hast - inhaltlich ganz auf der Linie des ersten Werkes, aber formal bzw. im Ton anders gehalten. Man könnte direkt eine kleine Serie aus Septembergedichten daraus machen (auch wenn es gerade zeitlich etwas phasenverschoben ist ;) - aber die Lyrik weht eben, wohin sie will! :) ).

Bei Deinem ersten Gedicht habe ich ja eKy, was metrische Anpassung anging, widersprochen, weil mir da die metrischen Abweichungen gerade besonders gut gefallen haben. Ich finde, dass sie sehr schön zum unprätentiösen und dabei sehr persönlichen Habitus der Zeilen in Version 1 passen.

Bei Deiner neuen Version 2 sind nun die Bilder insgesamt etwas stärker "poetisch aufgeladen" und der Tonfall unpersönlicher, schon alleine, weil die direkte Anrede, das "lyrische Du", jetzt fehlt. Das ist gar kein Nachteil sondern nur ein anderer Zugangsweg, aber in diesem Fall fände ich eine metrische Ebenmäßigkeit stimmiger. Ich hoffe, eKy freuts! ;)

Du bist in folgenden Zeilen aus dem metrischen Takt geraten:

verwebt seidene Fäden mit Nebel und Tau.

Hier müsste man "seid'ne Fäden" lesen, um im Rhythmus zu bleiben.

Vorschläge:
sein Seidengarn spielt noch mit Nebel und Tau,
oder
das Seidenspiel tändelt mit Nebel und Tau.
oder
sein seidiges Weben schmückt Nebel und Tau.
o. ä.


Sein zartes Erwachen beglänzt mich und Felder
und Purpur vermischt sich mit Herbstsilbergrau.


Kein eigentlich metrischer Fehler, aber das LI und die Artikel-losen Felder wirken  für mich etwas rhythmusgeschuldet zusammengeklebt.

Vorschlag:
Ich fühle ihm nach und den reifenden Feldern,

Ggf. könnte man dann sicher auch Z. 5 geeignet umformulieren, falls Reimtreue gewünscht ist, und aus "Wälder" "Wäldern" machen; ich bräuchte das nicht unbedingt...


Doch Sehnsucht ist es, die ich tief in mir trage,

An dieser Stelle müsste man "ist" und vor allem "es" sehr unnatürlich betonen, nämlich das "ist" schwach und das "es" stark, um einigermaßen im Takt zu bleiben. Das ist rhythmisch schon ein Schlagloch mit Achsbruchpotenzial. ;)

Vorschlag:
Die Sehnsucht nur bleibt, die ich tief in mir trage,


Sehr gerne gelesen und damit gespielt! :)

S.



Eisenvorhang

  • Gast
Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #3 am: April 29, 2020, 22:46:17 »
Doch Sehnsucht ist es, die ich tief in mir trage,

So unnatürlich ist es nicht, hier möchte hier auf die Tonbeugung in der Phonetik verweisen.
Allenfalls wäre es eher jambisch, jedenfalls die ersten fünf Silben.
Das Problem ist, meiner Meinung nach, die Zäsur.


Ich fühle ihm nach und den reifenden Feldern,

Das, finde ich, ist ein sehr schöner Vorschlage, den ich nur zu gern befürworte. :)

Sufnus

Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #4 am: April 30, 2020, 11:49:17 »
Doch Sehnsucht ist es, die ich tief in mir trage,

So unnatürlich ist es nicht, hier möchte hier auf die Tonbeugung in der Phonetik verweisen.
Allenfalls wäre es eher jambisch, jedenfalls die ersten fünf Silben.
Das Problem ist, meiner Meinung nach, die Zäsur.

Vielleicht war es etwas missverständlich von mir, wenn ich gesagt habe, man müsse die Silben "ist" und "es" hier "unnatürlich" betonen, um im Rhythmus zu bleiben.
Grundsätzlich ist metrisch gebundene Betonung immer auf eine gewisse Weise "unnatürlich", im normalen, gesprochenen Deutsch werden betonte und unbetonte Silben weit weniger von einander abgegrenzt, als dies beim Vortrag eines metrisch gebundenen Gedichts geschieht, und außerdem werden durch Sprechpausen, verschluckte Silben, Geräusper und Sinn-entsprechende Betonungen weitere Irregularitäten eingebracht.

Ylvas Gedicht zeichnet sich aber durch einen erkennbaren Willen zu einem festen Metrum aus:

xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
usw.
Man kann das entweder als durchgängig Dakylisch mit einem unbetonten Auftakt verstehen oder als eine Folg aus je einem Jambus gefolgt von drei Anpästen. Die Kadenzen sind in jedem Fall abwechselnd männlich und weiblich.

Wenn man aber dieses Schema auf die Zeile

"Doch Sehnsucht ist es, die ich tief in mir trage"

anwenden will, muss man der Betonung Gewalt antun (betonte Silben fett unterlegt):
"Doch Sehnsucht ist es, die ich tief in mir trage."

Das wirkt im Vortrag dann eher komisch... wäre schade für die sonst so elegische Gestimmtheit der Zeilen, wenn es zum Ende hin in Komik kippt. Daher mein Vorschlag zur rhythmischen Angleichung. :)

« Letzte Änderung: April 30, 2020, 11:50:54 von Sufnus »

Sufnus

Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #5 am: April 30, 2020, 11:59:53 »
Ach mist… ich sehe gerade, bei meinen Verbesserungsvorschlägen bin ich im Beitrag verrutscht und auf die von EV schon verbesserte Version eingegangen... in der Ausgangsfassung gibt es tatsächlich noch einige Metrum-Rüttler mehr, die hat aber EV schon ausgebessert... ok... dann müssen meine Anmerkungen einigermaßen verwirrend gewesen sein... sorry!
Aber das grundsätzliche bleibt: Ich würde durchgängig das Gedicht entsprechend dem Schema xXxxXxxXxxX(x) (letzte Silbe im Wechsel betont bzw. unbetont) gestalten. Als Basis dafür ist EVs Version dafür allerbestens geeignet mit meinen wenigen Extra-Anmerkungen. :)

LG!

S.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #6 am: April 30, 2020, 12:16:05 »
Hallo lieber Sufnus,

mitnichten wollte ich Einwand gegen deine Gedanken erheben!
Nur daraufhin weisen, wie hoch komplex die natürliche Betonung ist.
Wer sich dafür interessiert, findet Wissenswertes zum Einstieg hier, falls noch nicht bekannt: http://www.fb10.uni-bremen.de/khwagner/phonetik/begleitmaterial.aspx

Deine Vorschläge sind allesamt begründet und sehr schön!

vlg

EV

Sufnus

Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #7 am: April 30, 2020, 12:25:18 »
Alles prima, lieber EV!
Ich hatte beim Wiederlesen meiner Ausführungen über "unnatürliche" Betonung nur das Gefühl, dass nicht so richtig rüberkommt, worauf ich hinauswill. :)
Und ein sehr spannender Link! Danke dafür! :)
LG!
S.

Ylva

Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #8 am: April 30, 2020, 17:53:29 »
Hi Ylva! :)


Bei Deinem ersten Gedicht habe ich ja eKy, was metrische Anpassung anging, widersprochen, weil mir da die metrischen Abweichungen gerade besonders gut gefallen haben. Ich finde, dass sie sehr schön zum unprätentiösen und dabei sehr persönlichen Habitus der Zeilen in Version 1 passen.

Bei Deiner neuen Version 2 sind nun die Bilder insgesamt etwas stärker "poetisch aufgeladen" und der Tonfall unpersönlicher, schon alleine, weil die direkte Anrede, das "lyrische Du", jetzt fehlt.

S.


Hi Sufnus,

danke für deine Meinung.... :)...ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich noch nicht so den "metrischen Rhythmus" gefunden habe. Ich hadere damit ein wenig auch weil ich gerne mal zum Minimalsismus neige und meine Zeilen gerne mal auch kurz halte. Und ich empfinde es auch eher als schwierig, schon vorhandene Gedanken umzuschreiben. Also ist dies hier schon ein Fortschritt für mich.
Vielen Dank für die Vorschläge....sie helfen mir auf jeden Fall weiter...

LG Ylva

Ylva

Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #9 am: April 30, 2020, 17:57:40 »
Danke EV für deine Vorschläge... ;)...und für deine Geduld... ;D

LG
Ylva

gummibaum

Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #10 am: Mai 02, 2020, 18:34:52 »
Ein schönes Herbstgedicht, liebe Ylva, das dem Vergänglichen die Beständigkeit und den Wert der Sehnsucht gegenüberstellt.

Sehr gern gelesen.

Liebe Grüße von
gummibaum

Agneta

  • Gast
Re: Herbstseele ( ehemals "September")
« Antwort #11 am: Mai 13, 2020, 12:45:52 »
die Sehnsucht ist es oftmals, die uns im Leben weitertreibt … und sie inspiriert die poetischsten Gedichte.
Die Metrik würde ich hier korrigieren. LG von Agneta