Autor Thema: Das Kokain der Erde  (Gelesen 647 mal)

Eisenvorhang

  • Gast
Das Kokain der Erde
« am: Februar 26, 2020, 14:02:59 »
Inspiriert von Sufnus! (Danke für das Regengedicht!)

Vom Rande der Zinnen
des natürlichen Kristalls
streckt die Welt auf Kurvenschuhen
ihre Hände den Dendriten entgegen.

Dünn wie ein Haar
und doch berauscht, schwankend
und schwerelos,
fallen die hohlen Halbsäulen,
ihrer Struktur entrissen
und suchend,
erst durch die Wolken,
um dann am Lid des Himmels
klippenabgängig zu werden;
von Feuchtigkeit
und Dichte durchdrungen,

sprießen aus dem Plättchen Zweige -
das Wachstum ist synchron
wie die Rhythmen kalter Küsse
und der Fall
wie eine fremde und unvorhersehbare Sprache,
die, zwischen Wolkenwangen
und atmosphärischen Druck,
in einem Origamibuch
das fallende Haar im Wind faltet.
 
Arme und Beine bestimmen die Struktur
der Zweige, von Druck und Feuchtigkeit schikaniert
bis die Symmetrie Blüten schlägt
und sich in Nacktheit und Naivität gen Grund wirft;
zwischen Edelweiß und Mensch wird
die Schönheit zum Kokain der Erde.
« Letzte Änderung: Februar 26, 2020, 14:11:11 von Eisenvorhang »

Sufnus

Re: Das Kokain der Erde
« Antwort #1 am: Februar 26, 2020, 15:03:57 »
Ein Schneegedicht!!! Sehr cool! :) (allerdings wär ich ohne Deinen Hinweis auf mein Regengedicht - ich fühle mich sehr geehrt - danke! - nicht gleich drauf gekommen, dass hier der Vorgang des Schneiens bedichtet wird... durch den Kontext fiel der Groschen natürlich recht schnell... ) :)
Jedenfalls stecken so viele poetische Bilder in Deinem Text, dass er ein ausführlichere Analyse verdient hat, als ich das jetzt zwischen Tür und Angel so adhoc leisten kann... kommt aber noch... :)
LG!
S.
P.S.:
Kennst Du "surrounding Schnee" von Ron Winkler? Ist z.b. bei Lyrikline zu finden und - so meine ich - eins der schönsten aktuellen Schneegedichte. :)

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Das Kokain der Erde
« Antwort #2 am: Februar 26, 2020, 15:13:20 »
Hi Sufnus,

ich überlegte einen Schlüssel einzubinden... Ich las vorgestern einen Artikel über die Entstehung und Bildung von Schneeflocken, der teilweise recht wissenschaftlich war.

Dentriden, Halbsäulen, Plättchen, Zweige etc... alles Begriffe aus dem Artikel, die mir doch sehr gefielen.
Wer das Gedicht verstehen will, muss wissen wie Flocken entstehen, hab das natürlich mit meiner Empfindung gekreuzt.

Da ich im Moment blockiert bin, sind solche Fingerübungen eine schöne Sachen zum Entspannen. :-)

vlg

EV

Herrn Winkler kenne ich noch nicht, werde ich mir aber sofort anschauen!