Autor Thema: Der neue Mensch  (Gelesen 1180 mal)

hans beislschmidt

Der neue Mensch
« am: September 15, 2020, 17:36:52 »
Erichs Version

Der neue Mensch ist bestens isoliert,
daheim im kleinen "Office" am PC,
von Aktionären längst schon abonniert -
stolziert im Gleichschritt in der Klonarmee.

der neue Mensch gehorcht der Tagesschau,
den Lohn verfüttert er an Miete-Maus.
Zu viele stecken täglich fest im Stau,
den Rest vom Geld haut man im Urlaub raus.

der neue Mensch ist nicht im Alter weise,
die Jugend glaubt noch an diverse Wunder,
wer aber denken kann, macht's still und leise:
Ein einzig falsches Wort brennt schon wie Zunder!


Alte Version

der neue Mensch ist bestens isoliert
daheim im kleinen Hühner Office am PC
von Aktionären längstens aboniert -
stolziert im Gleichschritt in der Klonarmee

der neue Mensch gehorcht der Tagesschau
den Lohn verfüttert er an Miete-Maus
zu viele stecken täglich  fest  im Stau
den Rest vom Geld haut man im Urlaub raus

der neue Mensch ist nicht im Alter weise
die Jugend glaubt noch an diverse Wunder
wer aber denken kann - macht's still und leise
ein einzig' falsches Wort brennt schon wie Zunder

« Letzte Änderung: September 15, 2020, 19:40:41 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Der neue Mensch
« Antwort #1 am: September 15, 2020, 18:51:13 »
Hi Hans!

Satzzeichensetzung mangelhaft. Einige Lapsi in Groß- und Rechtschreibung. S1Z2 hat einen Heber zuviel. S1Z3: "längstens" heißt etwas anderes als "längst schon".

Sollte die Alles-klein-Schreibung an den Zeilenanfängen (und der Verzicht auf Satzzeichen?) eine Art Stilelement gewesen sein, halte ich dies angesichts der ansonsten normalen Groß- und Kleinschreibung in den Zeilen nicht für effektiv, sondern bestenfalls verwirrend für den Leser.


Korrekturversion:

Der neue Mensch ist bestens isoliert,
daheim im kleinen "Office" am PC,
von Aktionären längst schon abonniert -
stolziert im Gleichschritt in der Klonarmee.

der neue Mensch gehorcht der Tagesschau,
den Lohn verfüttert er an Miete-Maus.
Zu viele stecken täglich fest im Stau,
den Rest vom Geld haut man im Urlaub raus.

der neue Mensch ist nicht im Alter weise,
die Jugend glaubt noch an diverse Wunder,
wer aber denken kann, macht's still und leise:
Ein einzig falsches Wort brennt schon wie Zunder!


Die überlange Zeile habe ich durch die Streichung von "Hühner" bereinigt, ich hoffe, der für mich ohnehin nicht so recht passen wollende Begriff war nicht weiter relevant. Um die Süffisanz des häuslichen Größenwahns dennoch hervorzuheben, habe ich das "Office" in Anführungsstriche gesetzt. Ich hoffe, das ist in deinem Sinne. Nun ist jedenfalls alles 5-hebig.


Gern gelesen und beackert. Aber lass dir den beißenden Furor nicht zur Dauergewohnheit werden - sonst führt das nur in Er- und danach in Verbitterung!  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Der neue Mensch
« Antwort #2 am: September 15, 2020, 19:39:36 »
Hi Erich,
Joha, die Kleinschreibung war tatsächlich als Stilelement gedacht aber jetzt, wo ich deine Version lese, muss ich sagen: - sieht besser aus. Die "Hühner" waren eine Anleihe für Legebatterie. Versteht aber eh keiner.  Fazit.... vielen Dank, dass du den Schnellschuß gebürstet hast. Ja, ich sollte mich nicht so viel ärgern. Schlägt aufs Gemüt.
Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

a.c.larin

Re: Der neue Mensch
« Antwort #3 am: September 16, 2020, 06:29:28 »
Hallo Hans,
du hast wieder mal einen kritischen Blick auf problematische Umstände geworfen - das Lektorat von eky hat die Lesbarkeit noch erhöht, prima!

Ach, das mit dem "neuen Menschen" ist so eine Sache....
Ich tendiere eher dazu, zu meinen, dass es den "neuen Menschen" nie geben wird (bestenfalls neue Umstände), genausowenig wie es die "guate alte Zeit" je gegeben hat.
Ich glaube, dass die Sehnsucht nach dem Alten gleich wie die Hoffnung auf das Neue nur dem Umstand geschuldet ist, dass wir mit der jeweiligen GEGENWART  unsere Probleme haben. Weil so Vieles auf uns einprasselt, dass wir kaum wissen: Wo anfangen?
Bei diesem Überforderungsspielchen leisten uns die digitalen Medien hervorrragende Dienste - und schon kann das Geschnatter im Affenwald lauter werden denn je.
Hilft alles nix, wir bleiben "im Grunde die alten Affen", außer wenn vielleicht so etwas wie Selbstreflexion einsetzen würde, bei dem einen oder anderen.(was mitunter während des LockDown auch geschehen ist)

Und Erich hat Recht: SICH (selbst) zu ärgern
bringt nix!
Auch das nicht: SICH (selbst) zu kränken!
Da sollte doch die SELBSTliebe beidem Einhalt gebieten!

Ich denke, das wäre auch die nachhaltigste Art der Weltveränderung: Die eigenen Emotionen zu kontrollieren und vor allem vor der eigenen Türe zu kehren.
Der alte Affe in uns ist aber so furchtbar gerne mächtig - und flickt daher lieber den anderen am Zeug....
Mit Worten sollte man immer schon vorsichtig gewesen sein.
Noch einen Weltenbrand können wir uns schlicht und einfach nicht leisten.

Winkegruß, larin
« Letzte Änderung: September 16, 2020, 06:32:50 von a.c.larin »

AlteLyrikerin

Re: Der neue Mensch
« Antwort #4 am: September 16, 2020, 12:05:34 »
Lieber Hans,

zwar teile ich mit Dir den kritischen Blick auf gesellschaftliche Strukturen, die nicht gerade lebensfördernd sind sondern eher der Machterhaltung von Finanzimperien dienen, doch ist er wirklich so wie dein Gedicht es beschreibt, der neue Mensch? Ich finde den Blick zu einseitig zu sehr pauschalisierend. Da sollte Kunst sich nicht einreihen; das betreibt eine gewisse Journaille schon eloquent genug.

Einer wie immer gearteten Systemveränderung traue ich nicht über den Weg. Wir haben ein Verfassungsgericht, das gegen die politische Nomenklatura Schranken setzt. Das finde ich gut, wenn ich auch nicht jedes Detail optimal finde. Wir haben freie Wahlen - davon würden sie in Belarus träumen!

In meinem Umfeld finde ich zahlreiche Menschen, die
--> ehrenamtlich stundenlang bei Schwerstkranken und Sterbenden sitzen, um die Familien zu entlasten.
--> für Alte und Behinderte regelmäßig einkaufen gehen oder putzen.
--> in Pflegeeinrichtungen Besuche durchführen bei Menschen, die einsam sind (was sie aktuell leider nicht dürfen).
--> die in Reparaturkaffees Sachen reparieren, die sonst weggeworfen würden, aber noch gut zu gebrauchen sind.
--> die Tauschbörsen organisieren (u.a. auch Arbeitsleistungen, die geldlos getauscht werden; z.B. ich repariere Dein Fahrrad, du hilfst mir bei Arbeiten in meinem Garten).

Diese Liste könnte ich noch sehr viel länger schreiben. In den Medien spielen diese Beispiele für gemeinschaftliches "Kümmern" kaum eine Rolle. Es wird das Bild einer verblödeten "catch as catch can Gesellschaft" gezeichnet, und das stimmt einfach nicht.

Ich denke, was wir brauchen, ist ein Bildungssystem, das die Individuen nicht so sehr "zurichtet" auf das, was ökonomisch angesagt ist (Leistung um zu konsumieren), sondern zu Kreativität und Verantwortungsbewusstsein befähigt.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

hans beislschmidt

Re: Der neue Mensch
« Antwort #5 am: September 16, 2020, 20:20:32 »
Liebe Larin, liebe AL,
Problem erkannt und doch zu populistisch im Ansatz könnte man herauslesen aber es gibt immerhin Schnittmengen in der Einschätzung und das lässt hoffen.
++++++++++
Nicht dass ich jemand von meiner pessimistischen Wahrheit überzeugen möchte aber wieder einmal hat mich Huxleys "brave new world" angestoßen und mich in die Welt der Beta und Gamma Menschen getrieben, die - so kommt es mir vor, tagtäglich mehr werden.
+++++++!
Die alten Affen waren auch nicht besser - wohl wahr aber es gab im Nachkriegsdeutschland durch den eisernen Vorhang ein vereinfachtes Weltbild zwischen Gut und Böse und das hat die Lebensumstände planbarer gemacht,  weil niemand in Wahrheit an ein atomares Ende der Menschheit geglaubt hat. Das ist im Neoglobalismus völlig anders. Aĺles ist ungewiss und alles steht zum Verkauf. NICHTS ist NICHT verhandelbar. Das macht die Menschen unsicher und generationsblind, so dass nur das Jetzt, Hier und Heute zählt. Wer will schon für ein Häuschen sparen, wenn man im nächsten Jahr wegrationalisiert wird? Dieser Umstand lässt den Beliebigneitsmenschen heranwachsen als Surrogat eines Humankapitals - austauschbar, ethnologisch entwurzelt, nirgends verortet und somit manipulierbar. Diese Entmenschlichung sehe ich täglich mit Entsetzen und auch mit Abscheu, wobei ich Begriffe wie Heimat brav runterschlucke, um nicht am rechten Pranger zu landen. Aber ich glaube an die Macht der Sinuskurve, die in Wellen alles wieder auferstehen lässt und die nur für den Augenblick im Tal der Tristesse verschwunden ist.
Die Deutschen sind nur allzu bereit in einer "whataboutism" Argumentation den Blick auf die Mißstände andernorts zu lenken und das Abhandensein von Demokratie und Bürgerrechten dort zu kritisieren. Doch wie schaut es denn mit unserem Grundgesetz in Wahrheit aus? Macht sich in Wahrheit irgend jemand Gedanken über unsere Rechtsbrüche und Versagen beim Gleichheitsprinzip? Eher nicht, denn das breit angelegte Framing in den Öffentlich Rechtlichen sorgt für ausreichende Stigmatisierung von Andersdenkenden und das ist möglicherweise die Vorhut einer klammheimlichen Systemveränderung. Hört sich nach Verschwörung an, doch wer hat schon für sich die innere Check Liste abgearbeitet? Ich hätte da einiges, was gar nicht zum vermeintlich reichen Deutschland passt.
++++++++++++!
Zitat
Klare Rechtsbeugung in Sachen Kinderehen, Mehrfachehen, die geduldet werden
Die höchste Anzahl von Tafeln
Das drittniedrigste Rentenniveau in der EU
Letzte Plätze auch beim Privatvermögen
Die höchsten Mieten, die wenigsten Eigenheime
Jedes vierte Kind  unterhalb der Armutsgrenze
Clan Kriminalität und Messerattacken
Steuergeschenke an Cum Ex Gauner
Höchste Zahl von Leiharbeitern
Größter Niedriglohnsektor in EU
Wahlbetrug in Thüringen
Wahlfälschung jetzt gerade in NRW
Polizeiwillkür bei Demonstranten
Infektionsnachverfolgung und Datenmißbrauch und und und
++++++++++
Ich könnte noch endlos weiter machen aber hier wird deutlich: - DAS hat System und "I am not amused", weil das nicht in Ordnung ist.
Der Österreichische Zukunftsforscher Mathias Horx sagt, "wir stehen vor einem radikalen Umbruch, nichts wird mehr so sein wie vor Corona". Für diese Herausforderungen, vom Klima ganz zu schweigen, ist unser Land denkbar schlecht aufgestellt und der kognitive Zustand unserer Leistungsträger ist denkbar schlecht, denn die sind auf Gewinnoptimierung und nicht auf gesellschaftlichen Konsens ausgerichtet, während die Bildungsfernen grotesnerweise noch applaudieren. Das soll noch jemand verstehen.
++++++++++!
ABER, es gibt auch Gutes zu berichten, denn die regionale Nachbarschaftshilfe und das  Ehrenamt hat deutlich zugenommen. Die Menschen interessieren sich wieder füreinander, wie AL richtig erkannt hat.
Das Thema ist aber zu weitläufig und vielschichtig,  als dass es hier ausführlich debattiert werden könnte. Ich müsste noch sehr viele dieser Gedichte machen.
Ich danke für Kommentar und Gedanken.
Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)