Autor Thema: Mensch und Kunst  (Gelesen 1539 mal)

Sufnus

Mensch und Kunst
« am: November 05, 2018, 11:34:09 »
Mensch und Kunst

Vergänglichkeit, der große Kommunist
und Menschenkunst, im Grunde Mäusemist,
auf dem die Eintagsblümchen munter sprießen:
zum, riech mal!, Eintagsnasenluftversüßen.

Erich Kykal

Re: Mensch und Kunst
« Antwort #1 am: November 05, 2018, 16:09:00 »
Hi Suf!

Gut gegeben, Eintagsnase!  ;) ;D

Natürlich ist alles - in ausreichend großem Zusammenhang betrachtet - völlig sinnlos und unbedeutend! Die Frage ist ja auch nicht, ob wir es dem Kosmos recht machen, sondern ob wir selbst uns in unserer kurz bemessenen Zeitspanne und in unserem vergleichsweise klitzekleinen Bezugsrahmen mit uns selbst wohlfühlen. Und wenn es dazu irgendeiner Art von "Sinn" bedarf, warum ihn nicht selbst schaffen und dann ganz fest dran glauben?  ;)

Ich persönlich habe das hinter mir gelassen. Ich habe schon vor Jahren akzeptiert, dass nichts, was wir schaffen, überdauern kann in astronomischen Zeitspannen, das allermeiste ja nicht einmal von Epoche zu Epoche. Die wenigen Überreste sind dann schon aus dem Zusammenhang gerissen, zerscherbt, verwittert, falsch zitiert. Nur noch die Museen raufen sich darum, und das auch nur des Prestiges, nicht einer längst zerfallenen künstlerischen Intention oder Aussage wegen.

Was immer für jeden für uns eine Rolle spielt - es vergeht mit uns, so wie Weltreiche zerfallen und auch die Menschheit irgendwann endet, ohne dass sich je eine wie auch immer geartete Sorte von schicksalhafter "Bestimmung" für unsere Art offenbart hätte.
Weil es derlei nicht gibt, nicht geben darf, egal, ob Götter (oder EIN Gott) existieren oder nicht. Denn gibt es Götter und eine Bestimmung, so wäre unser Wille nie frei gewesen, und Aufstand und Revolution wären die logischen Konsequenzen, oder Erstarrung in hoffnungslosem Gehorsam. Und gibt es keine Götter, warum sollte es dann eine Bestimmung geben? Man merkt, ich war nie der willfährige oder untertänige Typ ...
Meinetwegen kann es gern einen allmächtigen Gott geben - wer sagt, dass ich verpflichtet bin, ihn deshalb anzubeten!? Oder schleimerisch seine Nähe zu suchen? Ich kann ohne Krücken leben, vielen Dank auch.

Doch obwohl ich mir der Sinnlosigkeit meiner Existenz bewusst bin, hadere ich nicht damit - im Gegenteil, ich empfinde sie als befreiend und tröstlich. Ein Sinn ist immer austauschbar - es ist vielmehr wichtig zu hinterfragen, warum er den meisten Menschen so wichtig erscheint! Verwechseln sie das mit Trost oder Hut oder Ziel? Wenn ICH einen Sinn für mein Handeln benötige, schaffe ich ihn mir selbst - und im Gegensatz zu den Beteuerungen der Priester und Moralisten werfe ich meine ethischen und moralischen Werte nicht über Bord, bloß weil "eh alles egal sei" - Überraschung! Ich mutiere trotz dieser Einsicht nicht zum Psychopathen, der macchiavellistisch seinen Weg geht.

Daher meine Einsicht: Für ein gerechtes Leben ist kein Sinn notwendig, keine "höhere Wahrheit", der man nachzulaufen und sich unterzuordnen habe. Das ist alles bloß gesellschaftspolitisches Brimborium zur Verstärkung von Gruppendenken und ideologischer Identität, sei es politisch oder religiös motiviert! Und ein billiger Trost für jene, die ihre Welt gerne überschaubar und einfach haben möchten.

Also lasst uns weiter Kunst machen im Bewusstsein, dass nichts eine Rolle spielt - außer in unserer eigenen Vorstellungswelt - und wie wir wissen, kommt es uns ja im Grunde fast nur genau darauf an, nicht wahr? Wie anders wären Religionskriege oder der Kampf politischer Systeme seit Menschengedenken sonst möglich oder auch nur ansatzweise sinnvoll oder erklärbar? Wie das verkrampfte Ringen um Macht und Einfluss, immer um irgendweine "ultimative Wahrheit" mit Manipulation oder gar Gewalt zu etablieren? Wir machen uns viel zu selten bewusst, wie großen Einfluss unsere Metaebenen auf die tatsächliche Realität haben, die wir danach zu gestalten trachten.

Und dabei, bei all diesem Machen und Tun, vergessen wir gerne, wie unbedeutend und sinnlos all unsere Bemühungen im größeren Rahmen bleiben. Da kannst du so viel drüber schreiben, wie du willst!  ;) ::) :P

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 05, 2018, 16:14:21 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Mensch und Kunst
« Antwort #2 am: November 06, 2018, 13:30:31 »
Lieber eKy!
Da haben Dich meine vier Zeilen aber zu einem philosophischen Exkurs angeregt, der wahrlich wiederholtes Lesen lohnt! Du rührst da, in zutiefst humanistischer Weise, an die Grundfragen nach der Basis ethischen Handelns, der Bedingtheit persönlichen Glücks und der Stellung des Menschen im "Weltgefüge". Dabei kann ich Deinen Ausführungen im doppelten Wortsinne sehr gut folgen. :)
Aber was denkst Du: Ist Deine Lebensphilosophie wohl exportfähig? Taugt sie als praktischer Lebensweiser für die Mehrzahl, oder doch wenigstens für einen signifikanten Teil der Menschen?
Ich habe meine Zweifel, ob nicht doch mancher (womöglich die meisten?), der (die) von der Unsinnigkeit eines "höheren" (metaphysischen) Sinns überzeugt wurde(n), wahlweise in Depressionen oder zynischen Amoralismus abdriften würde.
Aber diese meine Frage ist wohl sehr theoretischer Natur, denn die Mehrzahl der Menschen wäre sowieso nicht für eine rational-diesseitig ausgerichtete Lebensphilosophie zu begeistern: der Bedarf an Esoterik, unhinterfragbaren, "ewigen"  >:D Wahrheiten und antirationalistischem Ideenquark ist ungebrochen.
Lg!
S.

Erich Kykal

Re: Mensch und Kunst
« Antwort #3 am: November 06, 2018, 19:23:37 »
Hi Suf!

Jeder Mensch ist anders, und nicht jeder kann mit größtmöglicher geistiger Freiheit umgehen oder gar damit leben. Manche brauchen einfach Krücken, einen moralischen Kompass, den ihnen Glaubenskonstrukt, soziokulturelles Umfeld oder Staatsräson vermitteln.
Was den Menschen letztlich prägt, ist seine Kindheit. Ein gut erzogener Mensch wird moralisch wesentlich stabiler sein als jemand, dessen Eltern wenig bemüht waren. Obwohl - auch das ist kein objektiver Gradmesser! Viele schlimme Täter kommen "aus gutem Hause" - allerdings sagt das natürlich nichts über die Erziehungsqualität aus. Das Etikett "aus gutem Hause" verweist nur auf Wohlstand, nicht auf Erziehungskompetenz.
Bleiben wir also bei "gut erzogen", das kann in armen oder reichen Familien gleichermaßen der Fall sein.
Solche Kinder halten sich später auch dann an soziale Regeln der Rücksichtnahme und Empathie, wenn ihre Weltsicht ansonsten unabhängig wird. Wer keine Götter (Weihnachtsmänner für Erwachsene) braucht, keinen ethisch/moralischen Kodex braucht, der womöglich bis ins kleinste Detail regelt, was man wann und wie essen darf, sagen darf, denken darf, wie man zu beten habe, zu gehorchen oder zu petzen ... - der kann dennoch ein stabiler "Bürger" sein und im gesellschaftlichen Kontext sowie nach den groben Vorgaben des Strafgesetzbuches funktionieren.

Es sind immer die religiösen oder politischen Prediger und Demagogen, die den Menschen eine artimmanente Unselbstständigkeit des Denkens und eine grundsätzliche Unfähigkeit zu moralischem Handeln einzureden versuchgen - klar, damit man sozusagen ihnen die Kontrolle darüber überlässt - und damit die Macht!

"Glaubt an den einzigen Gott - oder alle werden ohne die Gebote übereinander herfallen wie Tiere!"

"Gehorcht dem System - oder alles versinkt im Chaos, alle müssen verhungern oder werden ausgeplündert und vergewaltigt!"

"Folgt mir in diese Revolution - und alles wird besser, größer, toller und wäscht viel weißer als je zuvor! Kaufen sie das neue Gewissen (jetzt zum halben Einführungspreis ...)!

Blablabla - seit Tausenden von Jahren, und niemals lernt eine Generation je rechtzeitig dazu! Immer wieder folgen sie irgendwelchen Rattenfängern und jubeln hinter der Flöte her, die ihnen das ersehnte Lied spielt! Und wenn die Musik endet, stehen sie jedesmal genauso verdattert herum und fragen sich, "wie das nur geschehen konnte!" - Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig und jämmerlich wäre.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich je jemandem hinterherlaufe. Ich kann sebst denken, vielen Dank. Und ich lasse mich nie zum Werkzeug machen, auch wenn mich die Eifrigen noch so oft einen Drückeberger oder Feigling nennen, einen Defaitisten oder einen Verräter. Ich schwenke keine Fahnen - für niemanden und für keine Sache. Ich sage öffentlich meine Meinung zu allem, das ja. Ich verteidige meinen Standpunkt und bekenne Farbe, wenn erwünscht. Aber ich lasse mich nicht instrumentalisieren, ich laufe nicht im Rudel, egal, wie "edel" die "Sache" sein mag. Ich halte nichts von politischen Parteien und deren Klüngeleien - heute sind ohnehin die Standpunkte fast beliebig austauschbar, und die Parteien nur sich selbst erhaltende Systeme innerhalb des Systems, die schon lang keine echten Inhalte, sondern nur noch Werbung für sich vermitteln, Meinung machen oder einen Leithammel präsentieren, der am besten falsch grinsen und Babies im Arm halten kann.
Es liegt leider am mangelnden Bildungsniveau und an mangelnder Charakterbildung, dass wir kein optimaleres, direkteres demokratisches System hinbekommen. So lange es Menschen gibt, denen Macht wichtig ist, so lange wird es Mächtige geben, und so lange es Menschen mit mangelnder Bildung und Erziehung gibt, werden Mächtige immer wieder gewählt werden oder sich einen undemokratischen Weg bahnen können, weil sie genug dumme Willfährige finden, die sie unterstützen.
Bedauerlich.

Da gäbe es noch viel zu sagen - aber für diesmal soll es genug sein.

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 07, 2018, 18:05:31 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Mensch und Kunst
« Antwort #4 am: November 07, 2018, 10:07:11 »
Hallo, Lehrer des seltsamen Haufens in Österreich…

Ein feiner Beitrag über die menschlichen Dummheiten, die blutigen Ekstasen und Eskapaden, sowie die Präsentation einer aufgeklärten und ruhig schwebenden Seele.

Und jetzt die Würzigkeit: bloß bei den „unvollkommenen Strukturen der Demokratie“ musste ich kurz japsen. Irgendwie werde ich mehr und mehr an Schillers berühmten Ausspruch erinnert. Wohlstand, Demokratie, Gleichheit, Hedonismus, Humanismus – ein Hauch von Barbarbei schwingt mit. Oder um es schnöde und simpel und faschistoiden Kranken die Waffen nehmend zu sagen: du psychopathischer Dreckssadist, ich bring dich um – schallt es aus dem Westen mir. Du bist so ein wunderbarer Engel – schallt es aus dem Osten mir.