Autor Thema: Unwirkliche Begegnung  (Gelesen 1902 mal)

Erich Kykal

Unwirkliche Begegnung
« am: August 17, 2018, 11:31:53 »
Vor vielen Jahren hatte mich ein Freund verworfen,
doch nun begab es sich, dass ich ihn wiedersah,
aus reinem Zufall, so erschien es mir, und ja -
die Wunden bluteten erneut an alten Schorfen!

Anstatt zu reden hatte er mich ausgeschlossen,
mich aufgegeben, abgelegt wie eine Hose,
die nicht mehr passt, weil sie zu eng sitzt oder lose -
was an mir störend war, es hatte ihn verdrossen.

Die Blicke ragten fremd an alledem vorüber,
und wir erwähnten weiter nichts mehr von Belang.
Es war das ewig Unerlöste, das uns zwang,
zu tun, als stünden wir ganz lange schon darüber.

Die Wege trennten sich, es blieb nichts mehr zu sagen,
was nicht zu seltsam und bemüht geklungen hätte.
Was hätte werden können, ist Ruinenstätte
und nicht mehr willens, das Lebendige zu tragen.
« Letzte Änderung: August 17, 2018, 11:33:51 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #1 am: August 17, 2018, 14:01:58 »
Also, mit einer ganzen Strophe des Sinnbilds Hose bist du etwas zu weit gegangen. Grenzsituationen, Grenzgelände - es scheint, dass die Temperamentverschiedenheit durch den perfekt unterlegten Gesang deutlich und schäumend zu Tage tritt: für den einen ganz sachlich, für denen anderen ein harlekinischer Tragikfehlpass....

Natürlich denke ich hin und wieder - ich lebe quasi in stalinistisch-schizophrenen Verhältnissen jenseits von Gut und Böse - auch mal an Freundschaft und Freund: einer gleicht eher einer Sonnenexplosion, dergestalt, wie man sich eigentlich die Traumfrau imaginiert. Wie sollten sich zwei Sonnen-Seelen umarmen und umfassen: auch ein interessantes Sujet. Zwischen Kameradschaft und einer Kette von Königshäusern irgendwo pendelt sich das Freundschaftstum wohl ein!

Seelenpartnerschaften auf fluktuierenden Säulen schließe ich nicht. Es hat dann wohl zur Folge, dass man unter dem Psychopathengesindel.... ach ja.  :-*

Mit den, marzipanmildlich gesagt, etwas distanzierten Beschreibungen: "der Weg", "die Blicke", "nichts Lebendiges" - hätte man auch irgendwo Anklänge aus dem Reiche der Natur vermuten können, wenn es denn in diese Richtung schließlich tatsächlich gegangen wäre.

Verzeih, verzeih diese Unqualifiziertheit, ein bisschen Geschwätz muss erlaubt sein, wenn ein Profi so etwas in einer Viertelstunde runterschreibt!

Viele Grüße
M.

Erich Kykal

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #2 am: August 17, 2018, 16:28:37 »
Hi Martin!

Woher wusstest du, wie lange ich gebraucht habe? - Scheeerz ...  ;) :D

Hier geht es um 2 ehemalige Freunde, von denen einer dem anderen einfach so die Freudschaft aufgekündigt hat, ohne große Erklärung, weil er ihn offenbar unerträglich fand. Der andere, sich keiner Schuld bewusst, da ja nicht darüber geredet worden war, war seinerseits durch diese Art der "Trennung" zutiefst verletzt, offenbar nicht einmal einer Erklärung wert gewesen zu sein.

Wo du - wie in deinem letzten Text ersichtlich - praktisch jede Zeile mit teils undurchschaubaren Bildern und geheimnisvollen Sybolismen überfrachtest, sodass das Lesen zu einer synaptischen Tortur zu werden droht, begnüge ich mich eben mit einem Bild für eine ganze Strophe. Klar, dass DIR das zu wenig erscheint.  ;)
Ich spiele eben gern mit Sprache, suhle mich ab und an geradezu darin - und uninteressant zu lesen ist es bestimmt nicht (denke ich mal  8)). Zudem stimmt deine Aussage gar nicht: Das Hosenbild umfasst exakt die beiden Mittelzeilen, also nur die halbe Strophe.  :P

Meine Phrasen mögen zuweilen "marzipanmildlich" oder distanziert sein - ich muss dem Leser ja nicht jeden ohnehin aus dem Textzusammenhang ersichtlichen Fakt wie einen nassen Ausreibfetzen um die Ohren dreschen. Und man will ja "lyrisch" bleiben. Wichtig ist, dass der Leser die Symbole deuten kann, und zwar möglichst sofort und ohne minutenlang darüber grübeln zu müssen, was ihn jedesmal völlig aus dem Lesetakt würfe.
Eine kaputte Freundschaft, die nie wieder belebt werden kann, mit einer (leicht personifizierten) Ruine zu vergleichen, die kein Lebendiges mehr tragen will - das Bild ist jedem sofort klar, ohne großes sprachliches oder philosophisches Brimborium. Das kann man LESEN!  ;)

Vielen Dank für deine nachvollziehbaren Gedanken!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #3 am: August 19, 2018, 17:47:20 »
Schade, schade, aber manchmal ist es so, und man sollte vielleicht versuchen, Niederschläge des Zorns über die Trauer abzutragen.

Ein sehr schönes Gedicht wieder, lieber Erich.

LG gummibaum



Erich Kykal

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #4 am: August 19, 2018, 20:03:13 »
Hi Gum!

Vielen Dank für die verständnisvollen Zeilen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Lieber Erich -
« Antwort #5 am: August 22, 2018, 09:19:30 »
ich sehe ein Gesicht vor mir und bin vielleicht doch auf der falschen Spur.
Aber auch ohne Hintergrundwissen (das ist gar nicht nötig) ist die Lektüre ein Genuß!

Hier:
Was ist bedeutender - der geschilderte Verrat oder die Qualität Deines Gedichts?

Da muß ich nicht raten.

Lieben Knickgruß
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #6 am: August 22, 2018, 14:20:49 »
Hi Cypi!

Vielen Dank für deine nie nachlassende Begeisterung für meinen "barocken" Schreibstil!  ;) :)

Es hat wohl ein jeder, der diese Zeilen liest, da sofort ein Gesicht vor Augen, denn derlei passiert wohl den meisten irgendwann.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #7 am: August 23, 2018, 09:18:02 »
Ein sehr berührendes Sonett, lieber Erich mit starken Formulierungen "die Blicke ragten darüber"- da kommt Kopfkino von Kälte, Distanziertheit.
Es ist in der Tat so, was vorbei ist, sollte auch vorbei sein. Wenn eine Beziehung so zu Ende geht, ist es besser, an dem anderen vörüber zu gehen, es bringt nichts,stehen zu bleiben - tut nur weh.
Sehr gerne gelesen und mitgefühlt mit LG von Monika

Erich Kykal

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #8 am: August 23, 2018, 12:50:01 »
Hi Agneta!

Vielen Dank für den positiven Zuspruch - bloß Sonett ist das keins: ganz normale vierzeilige Strophen bis zum Schluß!  ;)

Zudem hat das Wort "Beziehung" für mich immer auch eine sexuelle Komponente. Eine Freundschaft unter Männern ist für mich keine "Beziehung". Rein sprachtechnisch ja durchaus, da komm ich nicht aus, aber ich will es einfach nicht so betrachten. "Beziehungen" hat man zwischen Geschlechtern oder Sexualpartnern. Punkt.

Hier war es eben nur eine abrupt und rüde beendete Freundschaft/gute Bekanntschaft - wie immer man es definieren will.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #9 am: September 13, 2018, 13:15:21 »
Gefällt mir ausgesprochen gut! Eine sehr strenge Form verbunden mit einem doch ganz natürlich laufenden Textfluss und dabei sehr anschaulich und berührend geschildert. :)
Mein einziger Stolperer ist das fehlende "so" in S3Z4, ich will gar nicht sagen, dass es semantisch nachgerade falsch ist, aber für mich persönlich liest es sich unnatürlich verkürzt: "wir tun, als stünden wir darüber" versus "wir tun so, als stünden wir darüber"). Führt aber metrisch zu einem furchtbaren Durcheinander... und eine zündende Alternatividee hab ich jetzt leider nicht.... :-[
Davon ab: sehr gerne gelesen! :)

cyparis

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #10 am: September 13, 2018, 14:59:23 »
Bloß nicht ein
so
verwenden!
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Sufnus

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #11 am: September 13, 2018, 18:31:17 »
Bloß nicht ein
so
verwenden!

Damit ich nicht missverstanden werde, bin oder bleibe :) : ich wollte natürlich nicht, dass eKy gegen jede metrische Regel einfach ein so
 einsetzt, sondern nur zum Ausdruck bringen, dass für mich die Formulierung "er/sie/es tut so, als sei..." der standardsprachliche Ausdruck ist, während "er/sie/es tut, als sei... " etwas "unpräziser" (wohlgemerkt: nicht falsch!) formuliert ist. Ein Ansatz wie "... das uns zwang, / einander vorzuspielen, es sei noch... " könnte m. E. zu einer geschmeidigeren Formulierung führen, allerdings nur unter Inkaufnahme gravierenderer Eingriffe in die Reimendungen, die ich mir jetzt nicht anmaßen wollte. :)
« Letzte Änderung: September 14, 2018, 17:07:44 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Unwirkliche Begegnung
« Antwort #12 am: September 14, 2018, 23:48:42 »
Hi Suf, Cypi!

Wie erwähnt, es ist nicht falsch, das "so" wegzulassen, und wo ich damals Deutsch gelernt habe, galt das auch nicht als Stolperstelle. Vielleicht ist das heute anders, oder das Lokalkolorit macht den Unterschied - ich möchte es jedenfalls so lassen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.