Autor Thema: Unbewegt  (Gelesen 1186 mal)

Sufnus

Unbewegt
« am: Juni 05, 2021, 12:39:20 »
Unbewegt

In meinem Kopf sitzt Al Pacino
und gibt den coolen Filmbetrachter,
wenn Blut spritzt, brummt er: "Is' nur Kino.",
und bloß bei Slapstickszenen lacht er.

Sogar bei Bergmanns Totentanz
bleibt dieser Bursche ungerührt.
"Was willst Du, Freundchen, das ist ganz
unrealistisch inszeniert."


Erich Kykal

Re: Unbewegt
« Antwort #1 am: Juni 05, 2021, 21:19:07 »
Hi Suf!

Also, ich würde ja beginnen, mir bezüglich meiner eigenen geistigen Gesundheit Gedanken respektive Sorgen zu machen, wenn gewisse Teilaspekte meines Bewusstseins die Gestalt von Al Pacino annehmen würden ...  ;) ;D

Amüsiert gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Unbewegt
« Antwort #2 am: Juni 06, 2021, 18:59:59 »
Hi eKy!
Was soll ich machen... mir wäre Emma Stone auch lieber gewesen, aber jetzt hat Al sich's im Kinosaal bequem gemacht...
LG! :)
S.

gummibaum

Re: Unbewegt
« Antwort #3 am: Juni 10, 2021, 10:49:19 »
Gut vorgeführt, lieber Sufnus, wie sich die Welt leichter ertragen lässt.

(Früher galt Sensibilisierung als erstrebenswert, heute ist der Sensible ein Weichei und der Abgebrühte das Vorbild.)

Gruß von gummibaum

   

Rocco

Re: Unbewegt
« Antwort #4 am: Juni 12, 2021, 22:26:34 »
Hallo Sufnus,

eine interessante Betrachtung, im Stile von: Sie geht Minne.

Die Pointe will bei mir aber nicht zünden - Entschuldigung!
(Seit wann ist Bergmann Realist?)

Einen schönen Abend!

Rocco

"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Unbewegt
« Antwort #5 am: Juni 14, 2021, 17:35:43 »
Hi gum!
Vielen Dank für Deinen lieben Kommentar! Ja - Sensibilität ist wahrscheinlich allgemein nicht so sehr gefragt und Abgebrühtheit macht wohl meist mehr Eindruck. Allerdings ist zumindest im klassischen Männlichkeitsideal auch in früheren Dezennien der harte, unerschütterliche Typus das Modell der 1. Wahl gewesen und die Sensiblen standen demgegenüber immer unter dem Generalverdacht einer gewissen Untüchtigkeit, Unzuverlässigkeit und fehlender Belastbarkeit. Je nun. Als Gedichteschreiber ist man wohl bis zum Beweis des Gegenteils bei den Sensibelchen verortet... gut dass ich Al Pacino an meiner Seite weiß.  ;D
LG!
S.

Hi Rocco!
Wenn ich Dich richtig verstehe, siehst Du Parallelen zu meinem Tandaradei-Gedicht? Nun, das kann ich jetzt nicht so richtig nachvollziehen, aber Außen- und Binnwahrnehmung unterscheiden sich ja (zum Glück). :) Außer gewissen Elementen des sufnösen "Flapsigkeitssounds" ;) sehe ich in Inhalt und Ductus keine allzugroßen Parallelen. Und dass Bergmanns Filme im Allgemeinen und das Siebte Siegel im Besonderen nun gerade eine realistische Erzählhaltung bedienen, behauptet in dem Gedicht ja auch keiner. Mein alter Freund Al scheint diese "unrealistische" Haltung offenbar nicht so zu goutieren. Davon distanziere ich mich natürlich scharf!  ;D
LG!
S.

Rocco

Re: Unbewegt
« Antwort #6 am: Juni 18, 2021, 14:26:18 »
Hallo Sufnus,

kann sein, dass ich undeutlich rede. Die Parallele zur Minne sah ich darin, dass hier über den guten Al gedichtet wird. Ob ich nun die Minne charakterisiere, Al Pacino, oder Goethe, das ist egal. Im Minne-Gedicht fasst du zusammen, wie Minne geht, dieses Prinzip ist ausbaufähig. Ich dachte, du hättest das hier auch probiert, wenn nicht, lag ich falsch.

Was ich nicht gleich verstanden habe: Al gibt den coolen. Im Sinne von Ironie hatte ich erwartet: Al zeigt wie klug er ist. Denn cool ist er ja, auch wenn er Bergmann falsch eingeschätzt. Hättest was von seiner Intelligenz geschrieben, hätte ich es lustiger gefunden. Generell: Eine Pointe, die zünden soll, muss es gleich tun. Wenn man vorher überlegen muss, bleibt zwar ein: Aha! aber der Witz ist weg.

Einen schönen Tag!

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Unbewegt
« Antwort #7 am: Juni 18, 2021, 16:59:49 »
Hi Rocco!

Ja irgendwie reden wir ganz gerne aneinander vorbei... aber das zeigt ja nur wechselseitiges Inspirationspotential - also eine prima Sache.

Inhaltlich ist meine Verwirrung aber nach Deinen letzten Ausführungen nicht kleiner sondern größer geworden und ich muss gestehen, Dir nicht ganz folgen zu können. Warum ist es "egal", ob man Minne, Al Pacino oder Goethe charakterisiert? Sind das nicht gar unterschiedliche Themen und damit auch - wenn in Gedichtform gekleidet - divergierende Angänge?

Und bei Deinem Versuch, zu erklären, wie anhand von Al Pacinos Haltung eine Pointe zu bauen wäre, hast Du mich total abgehängt - was meinst Du damit: "hatte ich erwartet: Al zeigt wie klug er ist" - ich verstehe zwar die Wörter, aber nicht, was Du damit sagen willst. Warum wäre ein Bezug auf Al's Intelligenz "lustiger"?

Davon abgesehen, will ich ja in der Regel gar keine Gedichte mit Pointe schreiben, weil ich ja die Pointe für unpoetisch halte, wie ich das mehrmals an anderer Stelle zu erklären versuchte (wahrscheinlich für Dich ebenso unverständlich wie Deine Erklärungen es für mich sind). ;)

Und bevor ich als Grundsatzverächter der Pointe rüberkomme:
(1) Manchmal (aber insgesamt eher selten) greife ich schon zu diesem Element, z. B. bei meinen Klapphorngedichten oder den Plotzelversen und
(2) Ein Gedicht mit Pointe ist für mich zwar unpoetisch, aber deshalb nicht notwendigerweise schlecht, weil es ja andere Qualitäten haben kann, als diejenige des Poetischen. Es kann z. B. belehrend (das ist für mich etwas Gutes!), unterhaltend, anregend oder aufbauend sein. Und es bringt - nicht das Schlechteste! - wenn alles gut geht, den Leser zum Lachen. :)

LG!
S.

Rocco

Re: Unbewegt
« Antwort #8 am: Juni 18, 2021, 22:35:32 »
Hallo Sufnus,

vielleicht sollten wir unsere Antworten auswürfeln, dann wären sie eindeutig!

Du kennst doch Chopin - von Gottfried Benn? Das ist nach einem bestimmten Muster geschrieben. Dieses Muster kann man übertragen. Auf wen, ist egal. Denn: am Muster ändert sich null. Egal ist der Gegenstand dann, wenn das Muster gleich bleibt. Ist das logisch?

Zu Al: Ich verstehe dein Gedicht als Ironie. Wenn das von dir nicht beabsichtigt war, liegt hier der Grund, warum wir uns nicht verstehen.

Ist es Ironie, sollte auf seine Intelligenz angespielt werden, denn, es ist nicht egal, was ionisiert, also ins Gegenteil verkehrt wird. Nehmen wir an, ein gewisser Rocco versteht immer alles falsch, dann macht es Sinn, wenn man von ihm sagt, er hätte eine gute und schnelle Auffassung. Es würde weniger Sinn machen, würde man ihm unterstellen, er wäre smart. Man kann dumm und smart sein. Sieht man doch an mir! Ironisch wird es aber nur, wenn man meine Intelligenz und Auffassungsgabe lobt.

Al ist cool und bleibt es. Der Hinweis auf Bergmann verpufft, weil er nichts ins Gegenteil wendet.

Ich befürchte, so klar ich mich auch versucht habe auszudrücken, wir werden Würfeln müssen. Aber jammer nicht, wenn du verlierst!

Einen schönen Abend

Rocco




"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Unbewegt
« Antwort #9 am: Juni 19, 2021, 12:02:40 »
Hi Rocco!
Wie gesagt: Ich dichte normalerweise nicht mit dem Ziel einer Pointe, sondern nachgerade mit dem Ziel, eine solche zu vermeiden. Um zu zeigen, dass ich kein grundsätzlicher Pointenverächter bin, hab ich gerade andernorts "das pandemische Glück" geschrieben, ein auf eine Pointe ausgerichtetes Gedicht, was vielleicht auch noch einmal verdeutlichen hilft, dass Pointen die Tendenz haben, ein Gedicht luftdicht abzuschließen und dem Leser relativ wenig Raum lassen.
Bei Al Pacino und dem Filmprogramm in meinem Kopf gehts also nicht um die Schlusspointe. Hier haben wir eher meine Standard-Poetologie realisiert, die ich das Zwiebelkonzept nenne: Es gibt eine äußere Schale (an der man sich erfreuen kann, wenn es denn goutiert) und dann eine zweite Bedeutungschicht (die man nicht notwendigerweise durch Vorwissen erkennen können muss, um einen gewissen Lesegenuss zu haben) und dann eine dritte Schicht und ggf. immer so weiter - aber es gibt keinen "letzten Kern", zu dem man vorstoßen muss, um das Gedicht "fertig gelesen" zu haben. Man dringt so tief ein, wie man will und dann streut man die Zwiebelchen über sein persönliches Beef Tartar und genießt. ;)
Um die Zwiebelschalen anzudeuten: Man könnte sich fragen, was für "Kinofilme" Al Pacino im Kopf des Lyrischen Ichs eigentlich betrachtet bzw. was die Leinwand ist. Es könnte ja z. B. sein, dass der "Film" das ist, was das lyrische Ich durch seine Augen sieht - dann wäre es ja teilweise "real" (?) und gar kein "Film".  Ist das Herr Pacino wohl bewusst? Wie cool ist er also wirklich? Wäre er immer noch so entspannt, wenn er wüsste, dass da gar kein Film gezeigt wird? Und was hat es dann mit Bergmanns Film auf sich? Das ist ja wirklich "nur" ein Film, oder?
Soweit zur Andeutung der Zwiebelschichten. :)
LG!
S.