Autor Thema: Ziellos  (Gelesen 801 mal)

Erich Kykal

Ziellos
« am: M?RZ 22, 2018, 20:22:10 »
Ins große Ungefähre ausgezogen
entgleisen deine Züge alle Tage
im Bann des Zeigertickens, dessen Frage
um Sterblichkeit dich seltsam hingelogen

und wund erscheinen lässt, verloren vage
an falsche Hoffnung, deren Träume trogen,
und wie mit leerem Leben vollgesogen
sich endlich wandeln muss zu einer Klage.

Wer stellt die Weichen noch, wenn alle Pläne
verblichen sind wie rottende Gardinen
vor einem Fenster ohne Blick ins Grüne?

Die Jahre hobeln dich, und deine Späne
erinnern dich wie nie entschärfte Minen
an deinen letzten Vorhang auf der Bühne.
« Letzte Änderung: Januar 21, 2021, 19:48:39 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

wolfmozart

Re: Ziellos
« Antwort #1 am: M?RZ 24, 2018, 12:10:59 »
Große Lyrik, Erich!

Die Jahre hobeln dich kenn ich aus dem Hobellied von Nestroy, ein schönes Gleichnis.
Diese Ehrlichkeit in deinen Gedichten macht eine gewisse Hoffnngslosigkeit mehr als wett.
Neben vielen sprachlichen Leckerbissen fand ich besonders gut: an deinen letzten Vorhang auf der Bühne.

Gern gelesen

Lieben Gruß wolfmozart

cyparis

Re: Ziellos
« Antwort #2 am: M?RZ 24, 2018, 16:41:41 »
Lieber Erich,

jeder Vers ist ein Leckerbissen, und so manche Zeile trifft mich mitten ins Sonnengeflecht.
Ich sage wie wolfmozart:
Ganz große Lyrik, um die ich Dich beneide ohne neidisch zu sein!
Die zweite Strophe könnte mir zum Lebensmotto taugen
und das ganze Gedicht trifft (auch?) auf  ich zu.
Großartig, wirklich großartig - grau in grau.

Ganz lieben Gruß
von
Cyparis
« Letzte Änderung: M?RZ 24, 2018, 20:10:01 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Ziellos
« Antwort #3 am: M?RZ 24, 2018, 18:08:00 »
Hi WM, Cypi!

Um ehrlich zu sein - ich schrieb dieses Sonett mit einer Flasche Rotwein im System! Da gerinnen mir die Verse dann immer so weltschmerzlastig ...  ::)

Ehrlichkeit steht für mich beim Dichten nicht als Prämisse im Vordergrund. Ich lausche einfach nur in mich selbst hinab und reflektiere das Gesehene, wobei mir eigentlich bloß  ziemlich egal ist, was die Welt hinterher davon - oder von mir - ob des Gelesenen denken mag.  8)

Vielen Dank für eure Begeisterung!  :) Das Lob ölt mir die Maschine!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.