Autor Thema: Jung und Alt  (Gelesen 800 mal)

wolfmozart

Jung und Alt
« am: Januar 06, 2018, 15:11:51 »
Hört, ihr altgewordnen Jungen:
Merkt ihr nicht der Welten Hohn?
Alte Weise - neu gesungen,
Einst aus eurem Mund erklungen
Lockt euch abermals davon!

Und ihr jugendlichen Alten,
Wohl gewahr des Trugs der Zeit?
Ewige Gesetze walten,
Die schon euren Vätern galten:
Glaubt nicht an Allmächtigkeit!

Ach! Die Alten, gierig hechelnd,
Lechzen nach dem frischen Blut,
Und die Jungen geben lächelnd,
Her von dem begehrten Gut.
« Letzte Änderung: Januar 13, 2018, 11:14:47 von wolfmozart »

Erich Kykal

Re: Jung und Alt
« Antwort #1 am: Januar 07, 2018, 00:59:30 »
Hi WM!

Vierte Str. unbedingt streichen! Die ist lyrisch/sprachlich absolut untragbar!  :o Allein bei diesem Homunkulus "Lustenschmerz" dreht sich mir der poetische Magen um!!! Die dritte Zeile hat betonten Auftakt und ist um einen Heber kürzer als die anderen, und das ganze Satzkonstrukt der letzten Zeile ist falsch und schräg (und natürlich fehlen in Z1 und 3 wieder die Kommata am Zeilenende ...):

Altes stirbt mit wehem Herz
Junges ringt nach Lustenschmerz.
Waren so nah beisammen
doch nicht zueinander kamen.


Ist dir der Qualitätsabfall zu den anderen Str. nicht aufgefallen, oder was hast du dir dabei gedacht!?

Die anderen drei Strophen heben sich qualitativ sehr angenehm von dieser unsäglichen vierten ab. Ein paar Tipps:

Hört, ihr altgewordnen Jungen:
Merkt ihr nicht der Welten Hohn?
Alte Weise - neu gesungen, Komma!
Einst aus eurem Mund erklungen
Lockt euch abermals davon!

Und ihr jugendlichen Alten, Komma!
Habt ihr wahr den Trug der Zeit? So sagt man das nicht. Besser: "Wohl gewahr des Trugs der Zeit."
Ewige Gesetze walten, Komma!
Die schon euren Vätern galten:
Glaubt nicht an Allmächtigkeit!

Ach! Die Alten, gierig hechelnd, Komma!
Lechzen nach dem frischen Blut, Komma!
Und die Jungen geben lächelnd, Komma!
wie mit Wahnsinn sich befächelnd,
Her von dem begehrten Gut. Punkt - und wenn du mich fragst: Ende!


Bis hierhin sehr gern gelesen! An deiner Kommasetzung solltest du noch arbeiten. Ansonsten gut gelungen, lässt man die unmögliche vierte Str. außer Acht. Sorry, wenn ich zu offen rede ...

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 07, 2018, 01:04:53 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

wolfmozart

Re: Jung und Alt
« Antwort #2 am: Januar 13, 2018, 11:09:42 »
Hallo Erich,

Dank für deine offene und gutgemeinte Kritik. Da kann man nur davon profitieren.

Die vierte Strohpe erscheint mir beim genaueren Hinsehn tatsächlich etwas zweitklassik. Aber man ist manchmal etwas betriebsblind bei seinen eigenen Gedichten, ich nehm an das kennst du auch...
Ich hab sie wie du sehen kannst gelöscht. Sie steht ja noch in deinem Kommentar, falls sich wer dafür interessiert.

Ansonsten hab ich noch in der zweiten Strophe deinen Verbesserungs-Vorschlag übernommen, der ist auch ein Gewinn (Auch wenn ich diese Formulierung so nicht kenne).

Meine Interpunktion war schon für cyparis ein rotes Tuch  ;) Ich setz willkürlich und möglichst wenig Satzzeichen weil sie mir das Verständnis der Poems eher zu beeinträchtigen scheinen.
Das werd ich wohl in meinem dichterischen Leben nicht mehr wirklich los werden...
Hab aber kein Problem gute Vorschläge zu übernehmen.

Freundlichen Gruß wolfmozart
« Letzte Änderung: Januar 13, 2018, 11:20:29 von wolfmozart »

Erich Kykal

Re: Jung und Alt
« Antwort #3 am: Januar 13, 2018, 12:42:57 »
Hi WM!

Ich entschuldige mich für meine etwas heftigen Formulierungen - es war sozusagen im "lyrischen Affekt"!  ;) ::)

Bei Gedichten ist die In-sich-Geschlossenheit von Form und Stil immens wichtig! Schon ein einziger Ausreißer, eine schlecht formulierte Phrase, ein fühllos verwendetes Wort können den Gesamteindruck ruinieren und den Leser negativ urteilen lassen. Dann waren all die anderen gelungenen Bilder und Wendungen praktisch für die Katz!

Ich habe dies gelernt, als ich meine frühen Gedichte im Abstand mehrerer Jahre erneut las, mit erweitertem Horizont und Erfahrungsschatz erschienen mir plötzlich viele der damals so gewählten Formulierungen nicht mehr bündig - und eine einzige pro Werk reichte, um es nachhaltig für den Leser zu beschädigen. Lyrik  - gerade unsere präferierte klassische Reimform - braucht und lebt von sprachlicher Perfektion, da alles so stark verdichtet und verbal subsummiert ist, dass jede mindere Formulierung darin sich umso heftiger auf die Gesamtleistung auswirkt.

So zumindest mein persönlicher Eindruck.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.