Hi Curd!
Der Mensch als Gemeinschaftstier stellt vieles zurück, um den Verbleib in der Gemeinschaft zu sichern, und besonders die sozial Durchglühten würden sehr vieles tun, um die Gemeinschaft "um jeden Preis" zu erhalten. Deshalb können Priester jahrzehntelang eine Dorfjugend missbrauchen, obwohl es jeder im Dorf weiß - es wird der Gemeinschaft zuliebe nicht darüber gesprochen - ein Tabu.
Deshalb entstehen bizarre Riten und Traditionen, die ihren Nutzen - sofern je vorhanden - längst überdauert haben und dennoch Generation um Generation wie versteinert und blind gegenüber dem damit verbundenen Leid weitergetragen werden, zB. islamische Frauenbeschneidung in Afrika, arrangierte Zwangsheirat in Indien, bis zu 40cm lange Frauenhälse in Indonesien, verkrüppelte, weil abgebundene Frauenfüße in China usw...
Das geht bei Männern aber auch: Tellergroße Holzscheiben in der Unterlippe bei einem afrikanischen Stamm, verstümmelte Brustwarzen durch Mannbarkeitsrituale bei einem nordamerikanischen Indianerstamm, Rußnarbentattoos und andere Ritualnarben usw...
Dabei geht es - was immer auch für ein vordergründiger "Zweck" suggeriert wird - IMMER nur um die Definition einer Gemeinschaft, um kulturelle Abgrenzung und Hervorhebung.
Wundert es dich bei all dem tatsächlich noch, dass man für ein Gefühl der Sicherheit und Wiedererstarkung selbst faschistoide Töne plötzlich wieder billigend in Kauf nimmt? Der Mensch ist nun mal so gestrickt, dass die meisten bereit sind, viel für ein "höheres Wohl" zu opfern, vor allem Überzeugungen und Ansichten: die moralischen Paradigmen werden neu justiert (da ist der Mensch überraschend anpassungsfähig!), und schon "passt" es wieder.
O tempora, o mores!
LG, eKy