Autor Thema: Annäherungsversuch  (Gelesen 926 mal)

Agneta

  • Gast
Annäherungsversuch
« am: Oktober 12, 2017, 10:16:49 »
Annäherungsversuch


Streckt die Stadt so grau die Fühler aus,
glänzt Asphalt im Regen silberfahl,
wedelt Strauchwerk dürre Zweige herbstlich kahl
neben einem Klotz Beton. Er nennt sich Haus.

Trübe werfen seine Fenster Licht,
sehn sie an, die Fremde im Revier,
die noch zögert, die sich fragt: Was fühlst du hier?
Bis der Abend fällt und mit ihm jede Sicht.

Stunden hat sie stille dagesessen
an dem Parkplatz, ( er hat dreißig Reihen),
um dem Viertel ihre Gunst zu leihen.

Ihre Blicke wanderten, als wär sie Kind.
Nein, sie hat die alten Zeiten nicht vergessen.
In die Jacke kroch der kühle Abendwind.


« Letzte Änderung: Oktober 12, 2017, 23:15:07 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Annäherungsversuch
« Antwort #1 am: Oktober 12, 2017, 22:47:48 »
Hi Agneta!

Interessantes Heberschema: 5566 - 5566 - 555 - 667

Ist die letzte Zeile ein gewollter Ausrutscher? Wenn ja, mE. ein wenig zuviel des Guten! Ich würde "kühlen" streichen, um auf 6 Heber zu kommen, sonst gerät es mit dieser Überlänge zum Schluß zu sehr außer Takt. Zudem wäre dreimal "6" in S4 ohnehin die logische Wahl.

Ich mag Gedichte über trostlos-melancholische Stadtszenerien besonders gern!  :)

Daher: Allergernst gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Günter

Re: Annäherungsversuch
« Antwort #2 am: Oktober 13, 2017, 08:48:03 »
Liebe Agneta,
die Tristes und, wie ich es lese, auch die Erkenntnis, verloren zu haben/zu sein (In die Jacke kroch der kühle Abendwind), sind sehr ausdrucksstark dargestellt.
Ich hatte auch gleich das Gefühl, dass hier zu viele Silben sind, doch würde ich auf das Wort "kühle" ungern verzichten,
es würde die Aussage abschwächen.
Dein Gedicht, die Stimmung hat mich sehr angesprochen!
LG Günter

Agneta

  • Gast
Re: Annäherungsversuch
« Antwort #3 am: Oktober 13, 2017, 11:05:00 »
Lieber Erich,

ja, die von dir monierte Zeile war ein echter Ausrutscher. Wahrscheinlich, weil ich gerade diese zeile, die so viel mehr transportieren sollte als den Wind, immer wieder abgeändert habe. Ist mir noch aufgefallen, bevor ich deine Kritik las. Es sollten 3 Mal 6 Hebungen sein. Habe es direkt geändert.
Das kühle ist wichtig, denn es ziegt, dass es hier um mehr geht als um eine, die zufällig dort in der Stadt sitzt und schaut...

Lieber Günter,

du hast es genau erkannt, das Gedicht transportiert durch die Bilder mehr als nur einen "Stadtviertelbesuch". Du hast Recht mit deiner Interpretation, mit dem kühlen Wind, der in die Jacke kroch. Gerade darum muss das "kühle" bleiben. Zusätzlich wird der Wind die Jacke auffliegen lassen, eine Art Bloßstellung, Offenlegung in der Metapher.
Möglich, so interpretierte es jemand, gar eine Abrechnung mit Kindheitstrauma.

Ich freue mich,dass es so gut ankommt und danke euch beiden herzlich.

LG von Agneta