Autor Thema: Fortuna ist blind  (Gelesen 2085 mal)

Günter

Fortuna ist blind
« am: Januar 02, 2017, 17:00:56 »
Das Glück ist, wie wir wissen, blind,
es streut sein Füllhorn sinnverloren.
Zuweilen haschen wir's geschwind.
und werden bald darauf geschoren.

Doch zeigt ein Blick nach vielen Jahren,
dass etwas doch zum Guten war.
Wir haben dadurch auch erfahren,
was sonst nicht deutlich wär und klar.

Der Spielraum auf den Lebenswegen
ist oft sehr klein und eingeengt.
Dem steht die Hoffnung nur entgegen
als Kraft, die unser Pech verdrängt.
« Letzte Änderung: Januar 05, 2017, 09:26:16 von Günter »

Erich Kykal

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #1 am: Januar 02, 2017, 17:51:04 »
Hi Günter!

Schön geschrieben!

Ein paar Tipps:

Das Glück hat meist die Augen blind, Normal sagt man "hat die Augen zu", "blind" bezieht man meist direkt (Das Glück ist blind). So eine Phrasenmischung wie hier ist ungewöhnlich, wenn nicht gar sprachlich unkorrekt. Würde ich unverfänglich umschreiben, zB: "Das Glück ist, wie wir wissen, blind,".
es streut sein Füllhorn sinnverloren.
Wir haschen es zuweil geschwind Es muss "zuweilen" heißen - ich glaube nicht, dass diese Art der Verkürzung hier möglich ist - zumindst fühlt es sich sehr falsch an. Andere Möglichkeit: "Zuweilen haschen wir's geschwind".
und werden bald darauf geschoren.

Doch zeigt ein Blick nach vielen Jahren,
dass etwas doch zum Guten war.
Wir haben dadurch auch erfahren,
was ohne dies uns wär’ nicht klar. Grausige Inversion! Solltest du unbedingt vermeiden, solche Verdrehungen! Altern.: "was sonst nicht deutlich wär und klar."

Der Spielraum auf den Lebenswegen
ist oft sehr klein und eingeengt.
Dem steht die Hoffnung nur entgegen,
die Kraft, die trübes Licht verdrängt. Ob "trübes Licht" hier das richtige Bild ist? Klarer wäre: "als Kraft, die unser Pech verdrängt." Solltest du das "als" übernehmen wollen, vergiss bitte nicht, das Komma am Ende der Vorzeile zu entfernen.

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 02, 2017, 22:28:45 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Günter

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #2 am: Januar 02, 2017, 22:02:07 »
Lieber Erich,
wie immer sind Deine Hinweise/Hilfen sehr berechtigt und bringen mich ein Stück weiter.
Habe herzlichen Dank!
LG Günter

Letreo71

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #3 am: Januar 04, 2017, 21:01:01 »
Hallo Günter,

das ist schön geschrieben und Erichs Vorschläge machen es perfekt.

Gern gelesen.

Viel Glück und liebe Grüße

Letreo
« Letzte Änderung: Januar 05, 2017, 10:49:05 von Letreo71 »

Günter

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #4 am: Januar 05, 2017, 09:27:50 »
Dank Dir, lieber Letreo,
es freut mich, wenn es Dir zusagt.
Herzlichst
Günter

wolfmozart

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #5 am: Januar 14, 2017, 10:23:53 »
Ein viel zitiertes Thema gut aufbereitet.

Gern gelesen.

wolfmozart

Günter

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #6 am: Januar 16, 2017, 10:50:49 »
Lieber wolfmozart,
danke für Deinen freundlichen Kommentar!
Herzliche Grüße
Günter

Curd Belesos

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #7 am: Februar 05, 2017, 23:49:57 »
moin moin Günter,

bereits in der ersten Strophe, beginnt man sich mit der Aussage zu identifizieren und die Aussage der letzten ist hervorragend gelungen.

Das habe ich gerne gelesen und kommentiert.

LG
CB

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Günter

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #8 am: Februar 06, 2017, 08:34:39 »
Ebenfalls moin, lieber Curd,
Dein Zuspruch freut mich.
Eine schööhe Woche und LG
Günter

gummibaum

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #9 am: Februar 06, 2017, 11:46:27 »
Lieber Günter,

das Glück im Unglück nicht zu übersehen und der Hoffnung Raum zu geben, ist Lebenskunst.

Das Gedicht spricht mich an. Sehr gut geschrieben in der endgültigen Form.

LG gummibaum

Günter

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #10 am: Februar 06, 2017, 12:53:06 »
Lieber Gum,
habe herzlichen Dank für Deinen Kommentar und das Lob!
Beste Grüße
Günter

cyparis

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #11 am: Februar 20, 2017, 12:23:51 »
Lieber Günter,

ich hab einen kleinen Einwand: Fortuna ist nicht blind.

Fortuna wird im Allgemeinen als eine wankelmütige, vielschichtige Göttin charakterisiert, welche die Gaben ihres Füllhorns, gutes wie schlechtes Schicksal, Glück und Unglück, ohne Ansehen der Person verteilt
(Justitia ist die Blinde mit der Binde vor den Augen).

Du hast ein schönes Gedicht geschrieben, das wahrscheinlich auf uns alle paßt, abgesehen von der Blindheit.

Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Günter

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #12 am: Februar 20, 2017, 20:28:15 »
Hallo Cyparis,
danke für Deinen Beitrag! Ob Fortuna oder Justitia blind sind? Da wir uns im Bereich der Mystik befinden, fallen Beweise schwer.
Justitia wurde nach meiner Kenntnis erst zu späterer Zeit mit einer Binde versehen. Nun habe ich mir selbiges mit Fortuna erlaubt.
Gedichte können/müssen nicht immer wissenschaftlich korrekt sein, wenn sie Ansichten und Empfindungen Ausdrücken (meine Meinung!).
So wie ich Fortuna erlebe und erkenne, kann ich beide Sichten nachvollziehen. Es lässt sich ebenso blinder Zufall wie auch Kausalität erkennen. Es kommt, wie sooft darauf an, was man sehen will.
Dank auch für Dein Lob!
LG Günter

cyparis

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #13 am: Februar 20, 2017, 21:12:12 »
Lieber Günter,

ich laß gerne auch Fortuna blind sein - die Antike erlaubt gewiß Varianten.
Und lieber das Füllhorn Fortunas als die Büchse Pandoras! :)
Ich  wollte Dir auf keinen Fall zu nahe treten und

grüße herzlich!
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Günter

Re: Fortuna ist blind
« Antwort #14 am: Februar 20, 2017, 22:41:52 »
Lieber Cyparis,
danke für Dein tolerantes Verständnis!
Bei Pandora wäre ich jedoch dafür, auch die Hoffnung noch heraus zu lassen.
(Wobei ich nicht glauben kann, dass sie noch in der Büchse stecken soll.)
LG Günter