Autor Thema: Morgentoilette  (Gelesen 3440 mal)

Sufnus

Re: Morgentoilette
« Antwort #15 am: M?RZ 01, 2021, 13:51:34 »
Hi eKy!
Jetzt reihe ich mich so gerne wie verspätet in den Kreis der Jubilanden ein! Die reiche Mischung aus gehobener Rede ("Brief und Siegel", "was da klafft"), Alltagsjargon (die Verkürzungen in S1: "steh" - "schau" - "sag" anstelle von "stehe", "schaue", "sage"), Inversionen ("Nach-mich-äffer") und Neologismen ("Faltenmiene", "Spiegelglatze") erzeugt ein wahrlich vielschichtiges Leseerlebnis! Am wichtigsten finde ich dabei das starke humoristische Element - im Prinzip wird ja eine scherzhafte Redewendung angesichts des morgendlichen Blicks in den Spiegel in Verse gefasst: Ich kenn Dich nicht, aber ich rasier Dich trotzdem! Dass Agneta und AL hier eher schockiert als amüsiert waren (ich habe die Zeilen mit einem breiten Grinsen gelesen) zeigt wieder wie unterschiedlich Rezeptionen doch sind! Und selbstredend ist keine Seite dabei im Besitz der Deutungshoheit (nicht einmal der Autor ;) ).
Sehr gerne gelesen! :)
S.

Erich Kykal

Re: Morgentoilette
« Antwort #16 am: M?RZ 01, 2021, 19:01:51 »
Hi Suf!

Danke für die unverkrampfte Herangehensweise!  ;D

Emotionales Betroffenheitslametta wäre hier tatsächlich fehl am Platze - ein wenig selbstkritischer Zynismus aus objektiver Nabelschau kann zuweilen auch ganz heilsam sein.

Ich habe meine Eitelkeiten längst begraben und mich mit dem ästhetischen Albtraum eines alternden Übergewichtigen mit zu vielen Haaren auf dem Bauch und zu wenigen auf dem Kopf längst abgefunden und habe mich intellektuell im Bereich des "Lapidar Ertragenden" wohnlich eingerichtet.  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

horstgrosse2

Re: Morgentoilette
« Antwort #17 am: M?RZ 23, 2021, 11:20:04 »
@Erich


Grüße, ein Versehen? Möglich.

Also nur ein blasser Einwand, weil mich die „Toilette“ abtörnt.

Zitat:

Ich steh im Bad zerknirscht, vorm Wahrheitsspiegel

Dann mach mal weiter, tschüss.






Sufnus

Re: Morgentoilette
« Antwort #18 am: M?RZ 23, 2021, 14:17:27 »
Hi Ihr! :)

Wie schön, wenn plötzlich eine seit Langem im Wiesenboden schlummernde Blume, wie ein nur alle paar Jahre aufblühender verzauberter Krokus, durch die Bodenkrume ans Licht bricht! <- der positiven Überraschung geschuldeter, exaltierter Ausruf! :)

Ich vermute hg2 (ich bin Abkürzung-affin) denkt bei "Toilette" vornehmlich ans Klo, während bei mir, als einem übertragenen Kind des 19. Jh., die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes noch stark mitschwingt.
Der Ausdruck "Morgentoilette" ist z. B. durchaus noch Bestandteil meines aktiven Wortschatzes und hat nichts mit einem Klogang zu tun. Insofern würde ich den Toilettenspiegel wahlweise über einem Schminktisch oder dem Waschbecken, hingegen nicht über dem großen Porzellan-Sitzungs-Ort (wir sind doch keine Stehpinkler, oder?)  suchen. :)
Sermon => Sinn: Mich stört der Toilettenspiegel nicht, er weckt eher angenehme Assoziationen. :)

LG!
S.


« Letzte Änderung: M?RZ 23, 2021, 14:21:35 von Sufnus »

horstgrosse2

Re: Morgentoilette
« Antwort #19 am: M?RZ 23, 2021, 15:33:23 »
@Sufnus


Hmm, aber Zitat:


Toilettenspiegel
 xXxxXx
wäre auch ein Grund, oder?

Sufnus

Re: Morgentoilette
« Antwort #20 am: M?RZ 23, 2021, 16:12:06 »
Hmm, aber Zitat:


Toilettenspiegel
 xXxxXx
wäre auch ein Grund, oder?

Also ich lese das T-Wort beim metrischen Vortrag so (fette Silben sind betont):

Toilettenspiegel
also ge-ixt: xXxXx

Und so passt es für mich eigentlich in den Vortrag prima rein. :)



Erich Kykal

Re: Morgentoilette
« Antwort #21 am: M?RZ 23, 2021, 18:06:48 »
Hi horstgrosse2!

Sufnus hat dir ja schon erklärt, was auch ich geantwortet hätte. Die Toilette ist heutzutage im deutschen Sprachraum als Ort das WC, war aber früher (aus Frankreich kommend) eine Verrichtung hygienischer und/oder kosmetischer Art: Morgenwaschung, Zähneputzen, Rasieren, Frisieren, Ankleiden, als Frau noch Schminken. Der Begriff wurde früher auch bei uns durchaus richtig so verstanden wie erklärt. Erst im Verlauf des 20. Jhdts verschob sich die Bedeutung schleichend von einer Verrichtung zur Herstellung von Präsentierbarkeit zu einer Bezeichnung für die Örtlichkeit der Ausscheidung - wahrscheinlich, weil in den kleinen Arbeiterwohnungen das WC keinen eigenen Raum hatte, sondern gleich direkt im Badezimmer installiert war. (Was als Verbesserung der hygienischen Zustände galt, bedenkt man, dass es im 19. Jhdt als Luxus galt, wenn man auf jeder Etage auf dem Gang ein Klo für alle Parteien hatte! Davor musste man auf den Hinterhof gehen und das eine Plumpsklo benutzen, das es für alle im Haus gab. Oder den klassischen "Nachtscherben" benutzen ...)

Wo übrigens bekommst du das 2. kleine "x" in Toilettenspiegel" her? Es ist eindeutig xXxXx.

Vielen Dank für's Vorbeischauen!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 10, 2021, 17:00:50 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

horstgrosse2

Re: Morgentoilette
« Antwort #22 am: M?RZ 23, 2021, 18:58:13 »
@Erich


Grüße, deine Zeile:

Ich steh im Bad vor dem Toilettenspiegel

Die Aussage: „Ich steh im Bad“, schiebt mich sofort zum Raum Bad & Toilette. Demzufolge hätte ich hier die Toilette, da doppelt gemoppelt rausgenommen, ersetzt. (Es gibt das humorvollere Varianten, für den lieben Spiegel)

Und

: To i let te

Hätte ich einen Besen fressen können, dass es metrisch so aussieht. Naja.  Aber eure Erklärungen sind einleuchtend.
Ok, das war’s, tschüss.




Erich Kykal

Re: Morgentoilette
« Antwort #23 am: M?RZ 23, 2021, 22:13:04 »
Hi HG2!

Ich fasse "toi" zu einer einzigen Silbe zusammen, das ist mE. auch die gängige Aussprache.

Es gibt unterschiedliche Raumaufteilungen. Wie erwähnt, in manchen Wohnungen ist zuweilen das Klo direkt im Bad, in anderen hat das WC einen eigenen klenen Raum gleich daneben.
Das spielt für die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Toilette aber keine Rolle, es erklärt nur, wie sich die Deutung des Begriffes langsam verschoben haben mag.
Man kennt ja den "Toilettenschrank" mit Spiegel im Badezimmer, wir hatten einen Alibert. Darin alles für die "Toilette", das Ritual der morgendlichen Waschung, Rasur, Zahn- und Haarpflege, Parfüm und Schminke (bei den Mädels). Genau das bezeichnete das ursprüngliche französische Wort nämlich.
Zuweilen wurde auch dieser Spiegelschrank "die Toilette" genannt (mit französischer Aussprache, mit stummem hinterem "e"), gleichgesetzt mit der damit verbundenen Verrichtung.
Irgendwann ging das Wort dann eben auf den "Thron" über, als man begann, das WC direkt im Badezimmer zu installieren. Wer das alles nicht weiß, für den muss mein Text missverständlich wirken, das ist mir schon klar. Aber ich sehe es eher als Gelegenheit, das Wissen und den historischen Sprachhorizont meiner Leser zu erweitern.  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.