Autor Thema: An Werner  (Gelesen 1291 mal)

Seeräuber-Jenny

An Werner
« am: September 14, 2016, 23:13:19 »
Zwar warst du kleiner noch als ich,
doch war’s egal, ich liebte dich,
ging neben dir am Rinnstein lang,
sogleich warst du ein großer Mann.

Genau wie Robert Zimmermann
warst du als Denker wohlbekannt.
Hast bei Appellen unbeirrt
die Mao-Bibel rezitiert.

Hast für ne Dorfmannschaft gekickt,
du warst blitzschnell, ich war entzückt.
Beim Mofa fahren hat’s gekracht,
hat nur paar Schrammen eingebracht.

Als du die Sowjetfahne nahmst,
am Stadiondach ins Straucheln kamst,
als Edith lief ins Krankenhaus,
da sah die Sache schlimmer aus.

Wie schmerzlich hab ich dich vermisst,
was eigentlich nicht wichtig ist,
dein wacher Geist war schon allein
auf meinem Weg ein Meilenstein.

Und klopfst du an das Himmelstor,
schenkt Gott dir sein geneigtes Ohr.
Auch Rino freut sich sicher sehr,
vermisst nun seinen Freund nicht mehr.

Zwar scheint ihr so unendlich fern,
wir sitzen noch auf diesem Stern,
doch wo ihr im Moment auch seid,
wir bleiben eins für alle Zeit!
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2016, 22:27:58 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Curd Belesos

Re: An Werner
« Antwort #1 am: Oktober 03, 2016, 23:33:46 »
Liebe Jenny,

solche Zeilen wünsche ich auch einmal von da Oben über mich lesen zu können.

Einen lebensfrohen Gruß

von Curd.


Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: An Werner
« Antwort #2 am: Oktober 04, 2016, 19:06:06 »
Hi Jen!

Eine schöne Hommage an eine alte Freunschaft!  :)

In der vorletzten Str. hat Z2 einen unbetonten Auftakt, das beißt sich mit dem Rest. Altern.: "harrt deiner ein geneigtes Ohr," - oder so, jedenfalls betont beginnend!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: An Werner
« Antwort #3 am: Oktober 04, 2016, 22:12:16 »
Ich bin ratlos.
Ich weiß nicht, wer Werner ist.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re: An Werner
« Antwort #4 am: Oktober 04, 2016, 22:39:38 »
Moin Curd,

ich hoffe, Werner und Rino, die Unzertrennlichen, haben eine schöne Zeit da oben. Und ich denke schon, dass Werner mein Gedicht gefällt.

Für Rino habe ich auch mal eins geschrieben.
http://www.dielyrik-wiese.de/lyrik-wiese/index.php?topic=2126.msg10779#msg10779

Lieben Gruß
Jenny

***

Hi Erich,

Jugenderinnerungen sind was Schönes. Selbst über das, was schmerzlich war, kann man später schmunzeln.

Danke für den Hinweis. Es hat mich zwar auch gestört, habe aber nicht weiter drüber nachgedacht.
Nunmehr lautet die Zeile: „schenkt Gott dir sein geneigtes Ohr“.
Als Atheist würde Werner es zwar nicht so gut finden, aber nun bleibt ihm nichts anderes übrig.

Lieben Gruß
Jenny

***

Liebes cyparis,

Werner war meine Jugendliebe. Er war damals 19, ich war 15. Oh je, das ist schon eine halbe Ewigkeit her...

Es waren die wilden Siebziger. Wir rauchten zusammen die ersten Joints, hörten Bob Dylan (Robert Zimmermann) und gingen Nacktbaden am Bachtelweiher. Werner war ein Rebell, aber ein anständiger Junge. Ihm habe ich es mit zu verdanken, dass ich ein kritisch denkender Mensch geworden bin. Wir wollten sogar nach Moskau auswandern. Meine Eltern meinten nur: "Macht mal."

Leider hat meine beste Freundin Edith ihn mir nach jenem denkwürdigen Eishockeyspiel EV Füssen - Spartak Moskau ausgespannt. Werner holte nachts die sowjetische Fahne vom Dach des Stadions und brach sich das Bein. Edith besuchte ihn jeden Tag im Krankenhaus. Das war's für mich. Habe mich später gerächt.

Nach der Schule verpflichtete sich Werner auf Druck seines Vaters für ein paar Jahre zur Bundeswehr. Als Ausbilder trug er stets die Mao-Bibel mit sich herum und belehrte die Auszubildenden.

Später ging er nach Köln und heiratete. Wir haben uns noch ein paarmal getroffen. Ich kam auf die Idee, mich nach vielen Jahren mal wieder bei ihm zu melden. Als ich im Internet nach der Adresse suchte, stieß ich auf seine Todesanzeige vom April.

Lieben Gruß
Jenny
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2016, 23:47:26 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

gummibaum

Re: An Werner
« Antwort #5 am: Oktober 05, 2016, 21:06:06 »
hallo jenny,

schön, wie die alte liebe in ehren hältst.

sehr gern gelesen.

liebe grüße von



Seeräuber-Jenny

Re: An Werner
« Antwort #6 am: Oktober 05, 2016, 22:10:22 »
Zumal diese Liebe sehr wichtig für meine Entwicklung war, lieber gummibaum.

Werner hat bestimmt auch seinem Sohn viel von seinen Idealen mitgegeben.

Danke und lieben Gruß,
Jenny

Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

cyparis

Re: An Werner
« Antwort #7 am: Oktober 11, 2016, 17:05:53 »
Liebe Seeräuber-Jenny -

Du hast diese Liebe so lebendig geschildert, so plastisch, da´ich alles vor mir sehe.
Er möge in Frieden ruhen!

Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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