Goethe und der Schüttelreim

[Fridolin]

Zwar will ich nicht behaupten, dass Goethe Schüttelreime verfasst hätte, dafür gibt’s nun wirklich keinen Beleg, doch lassen sich beim großen Meister einige Stellen finden, in denen Schüttelreime sozusagen angelegt sind, z.B. im Faust:

Es irrt der Mensch, solang er strebt.

Dieses geflügelte Wort hat mich zu einer geschüttelten Betrachtung angeregt:

Es irrt der Mensch, solang er strebt,
seit ohne Nabelstrang er lebt,
das heißt, von Kindesbeinen an
zieht Ehrgeiz ihn in einen Bann.

Als Kind hebt er das Köpfchen dann,
wenn er allein aufs Töpfchen kann.
Erfolg ist's, der ihn streben lässt
was ihn in seinem Leben stresst,

wenn Zeit er nur dem Hetzen schenkt,
weil, ach, sein Herz an Schätzen hängt.
Doch werden ihm zur Fron die Tage,
stellt sich im ernsten Ton die Frage:

Beweisen nicht auf Erden Wirren,
was Goethe meint: Wir werden irren?
Statt dass wir uns im Leben streiten,
sollt die Vernunft das Streben leiten.

Der Weltgeist liegt im Dauerschlummer,
die Menschheit wird statt schlauer dummer.
Wie können gut die Saaten stehn,
wenn nur auf Macht die Staaten sehn?

Das Thema lockt, es fortzuwinden,
doch gilt’s, als Schluss ein Wort zu finden:
Streb jeder auf der wirren Erde,
dass er nicht einst zum Irren werde.

[Erich Kykal]

Hi, Fridolin!

War andernorts schon voll des Lobes über diesen tollen Schüttler! Erneut sehr gern genossen!

LG, eKy

[Fridolin]

Hi eKy,

du kennst ja mein Werk schon vom Eiland. Noch ein paar Bemerkungen dazu: Vor ein paar Wochen habe ich mich einem Forum angeschlossen, in dem ausschließlich Schüttelreimer (überwiegend aus Österreich) unter sich sind, etwas, was ich schon seit Jahren gesucht habe. Dort gibt es auch Sprachwissenschaftler als Schüttelreimer, die auf mich sehr anregend wirken. So ist auch mein Schüttelpoem entstanden aus einer Bemerkung über Goethe als Schüttelreimer.

Nochmal herzlichen Dank für den positiven Kommentar auch hier.

LG Fridolin

[cyparis]

Lieber Fridolin,


das ist wieder einmal ganz große Klasse, einmalig!
Thema, Ausführung, Geschüttel - alles preiswürdig!

Hätte ich einen Grünen Wiesenorden zu verleihen - Du wärst ein Träger!

Ganz lieben und dankbaren Gruß
von
Cyparis

[Fridolin]

Hi!

Nachdem meine Reimerei bei meinen Schüttelfreunden so gut ankam, habe ich mich bei Goethe nach weiteren Möglichkeiten umgesehen und bin wieder im Faust fündig geworden. Ich habe einmal eine Szene aus dem Faust entsprechend geschüttelt und möchte mein Werk auch hier zur ergötzlichen Lektüre präsentieren:

MEPHISTO:
 
Das Beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
Denn dumm ist so ein Kissenwanst,
Nie wird an ihm die Einsicht nagen:
 
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
Und in den Sälen, auf den Beinen kaum,
Vergeht mir Hören, Sehnen, Denken.
Ich muss den Blick vor denen senken.
 
Der Philosoph, der tritt herein,
Erklärt mit einem Hit er drein:
Das Erst wär so, das Zweite so,
Das alles steht auf Seite zwo.

Und wenn das Dritt und Viert nicht wär,
Dann wäre auch, was wird, nicht fair.

[Curd Belesos]

Es irrt der Mensch, solang er strebt.

moin moin Fridolin,

...doch ich glaube nicht, dass ich mich irre, wenn ich dir sage, dass du mit beiden Schüttlern aus Goethes Faust wieder etwas geschaffen hast, bei dem man sich vor Lachen schütteln kann 

Voller Freude genossen

LG
CB