Autor Thema: Requiem für meine Zartheit  (Gelesen 1537 mal)

Erich Kykal

Requiem für meine Zartheit
« am: Juni 03, 2016, 10:46:36 »
Manche Menschen sind so hart und roh
und bemerken es noch nicht einmal,
spüren jenen kaum, der aus der Qual,
die sie ihm bedeuten, jählings floh.

Manche lernten zeitig ein Verschweigen
vor der Kälte, der sie spät entrannen,
üben sich zu stählen, zu ermannen,
um der Welt ihr Zartes nicht zu zeigen.

Manchem wurde solches zur Natur -
er verlernte, andere zu fühlen,
wurde zynisch, herrisch oder stur.

Manchmal trifft er einen andern Zarten,
den er nicht erkennt. Ach je, wir kühlen
aneinander ab auf viele Arten!
 
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #1 am: Juni 05, 2016, 04:16:17 »
Lieber Erich,

bis auf die letzten anderthalb Verse finde ich Dein Sonett nicht ao besonders, also nicht außergewöhnlich gut.
Das mag daran liegen, daß ich das Empfinden eines "harte Schale - weicher Kern"-Menschen nicht nachfühlen kann, dafür fehlt mir das Gespür.
Oder ich habe noch keinen solchen Menschen kennengelernt.

Lieben Nachtgruß
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #2 am: Juni 05, 2016, 13:59:40 »
Hi Cypi!

Das Sonett ist zum Teil selbstreflexiv, beruht auf meinen letztjährigen Erfahrungen - aber auch auf jenen meiner Jugend, als ich jahrelang von Gleichaltrigen wie Dreck behandelt wurde und in Gegenreaktion eine Art zynischen Überlegenheitskomplex aufbaute: "Die verstehen mich nicht, weil ich besser bin als sie! VIEL besser!" (Oh ja, da staunst du - ich war mal so ähnlich wie Mollie! :o). Der sich ergebende redundante Teufelskreis bedarf keiner näheren Erläuterung ...

Erst spät vermochte ich mich daraus zu lösen, aber da war ich schon abgehärtet wider alle Kritik oder besseres Wissen: In hermetischer Arroganz führ ich jedem über den Mund, der mich kritisierte (so empfand ich es), nicht mehr unterscheidend zwischen Wohlmeinenden und echten Mistkerlen, und argumentierte ihn in Grund und Boden, mit glasklarer Logik und raumgreifender Eloquenz - ein echter fetter kleiner "Mr. Spock" mit Minderwertigkeitskomplex!  ::) Schuld waren immer die andern!

Vielleicht reagiere ich auch deshalb so stark auf Mollie - weil sie wie ein Spiegelbild meines früheren Selbst für mich erscheint - oder wie etwas, zu dem ich selbst nur zu leicht hätte werden können, hätte ich mich nicht vor vielen Jahren überwunden und irgendwann der Welt geöffnet. Ich mache immer noch, sogar nach so vielen Jahren, schlimme Fehler im Umgang mit anderen Menschen - aber ich bemühe mich zumindest danach, es aus ihrer Sicht zu sehen und zu wachsen.

Ich bin ein sozialer Krüppel, teils der Umstände halber (isoliertes Einzelkind, gemobbter Sonderling), teils aus eigenem Verschulden (arroganter Besserwisser, unsensibler Gesprächspartner). Zuerst habe ich die Menschen gemieden, weil ich sie für bösartig und unverständig hielt, später deshalb, weil ich um meine Defizite wusste und niemanden verletzen wollte mit meiner immer noch leicht soziopathischen Art.

Dieses Gedicht reflektiert diese Erfahrungen, sowohl an mir selbst erkannt wie auch an anderen. Wer sich wider andere verhärtet - egal weshalb - wird selbst andere verhärten und auf den gleichen Weg schicken. Meine ganze Lebensgeschichte und -erfahrung stecken in diesen Zeilen ...

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 05, 2016, 14:05:41 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #3 am: Juni 05, 2016, 19:23:30 »
Ich las es, Erich und ich kann nicht anders , als es zu kommentieren.
"ja, da staunst du - ich war mal so ähnlich wie Mollie! :o). Der sich ergebende redundante Teufelskreis bedarf keiner näheren Erläuterung ..."-
nein, ich staune nicht. Ich dachte mir schon, dass da noch etwas anderes dahinter stecken muss als banaler Forenknatsch.

So viel Offenheit im Netz ist  mutig. Das Werk wirkt auch ohne Erklärung authentisch und ich hätte dich darin wiedergefunden. Daher berührt es mich sehr.
Zusammen gesehen mit deinem Abschlusskommi auf "Namenlos" hat es noch einmal eine besondere Qualität.

Es sind oftmals die Männer, die sich scheuen, Zartheit, Emotion rauszulassen. Nicht jeder, der das tut, ist aber ein Weichei. Doch grade in unserer Generation wurde immer gesagt: Jungen weinen nicht, Indianer kennt keinen Schmerz". Ja, aber ein kleiner Butzemann ist eben kein Indianer und muss es auch nicht sein. :)-. Männer haben es da schwer...

Zu sich selbst zu stehen, das ist der Punkt. Und sich dabei eine gute Intuition für den anderen erhalten- das gilt sowohl für "den anderen verstehen lernen"( sich ihm zuwenden) wie auch " sich vor dem anderen wappnen".( sich distanzieren, abgrenzen).

Es ist nie zu spät, sich zu finden und mit sich im Einklang zu sein.

Mir gefällt das Gedicht. Respekt vor dem Inhalt, Erich.
LG von Agneta



« Letzte Änderung: Juni 05, 2016, 19:29:27 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #4 am: Juni 05, 2016, 20:06:58 »
Hi Agneta!

Vielen Dank für die Blumen!

Ich bin ein sehr selbstanalytischer Mensch, auch wenn ich mir im Zorn zuweilen so weit vorauseile, dass mein gesunder Menschenverstand so schnell nicht hinterherkommt. Oder ich bemerke nicht einmal, dass ich jemandes Empfindlichkeit berühre. Im Nachhinein aber bin ich immer bereit und fähig, daraus zu lernen und mich zu erweitern. Hoffe ich zumindest ...

Mit Offenheit hatte ich nie ein Problem - oder doch, wenn ich allzu offen über meine Ansichten über andere sprach. Was andere von mir denken, ist mir weitgehend egal, das habe ich als Jugendlicher auf die harte Tour gelernt: Wer sich von anderen emotional abhängig macht, wird fast zwangsläufig irgendwann verwundet. Für mich zählt, was ich im Spiegel sehe und wiedererkenne, nicht das, was ich aus anderer Augen lese.
Klappt auch nicht immer - manchen Menschen vertraut man einfach, verlässt sich auf sein Gefühl - und schon ist einem deren Meinung zur eigenen Person wichtig! Dann tut es weh, wenn man jene enttäuscht und sich so in ihren Herzen tötet, mit Absicht oder nicht.

LG, eKy
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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #5 am: Juni 05, 2016, 21:28:57 »
Hi Cypi!

 (Oh ja, da staunst du - ich war mal so ähnlich wie Mollie! :o).
... Fehler im Umgang mit anderen Menschen -

Ich bin ein sozialer Krüppel,  meiner immer noch leicht soziopathischen Art.


LG, eKy

Deine Selbstreflexion in allen Ehren (und ich weiß auch, was das heißt!), aber ich sehe Dich völlig anders.
Völlig.
Du bist beim ersten Kennenlernen dermaßen offen, freundlich, unbefangen und liebenswürdig auf mich zugekommen (ich sehe Dich noch die Treppe hochkommen und höre mich noch rufen"Das kann nur Erich sein!"), daß ich wußte:
Ich habe mich in Dir nicht getäuscht.
Und so ist es bis heute geblieben.
***

Es mag nicht jeder Mensch - so wie ich - sein Herz auf der Zunge tragen.
Was sagt das schon.
Auf das Herz kommt es an.

Unter dem neuen Aspekt will ich Dein Gedicht noch einmal lesen.

Lieben Gruß!

Immer.
Cyparis




*** Genau das gilt auch für eine Forenfreundin, die ich lange nach Dir kennenlernte.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Agneta

  • Gast
Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #6 am: Juni 05, 2016, 22:12:27 »
"Klappt auch nicht immer - manchen Menschen vertraut man einfach, verlässt sich auf sein Gefühl - und schon ist einem deren Meinung zur eigenen Person wichtig! Dann tut es weh, wenn man jene enttäuscht und sich so in ihren Herzen tötet, mit Absicht oder nicht.".

Ich denke, Erich, DIE Menschen, die es wert sind, dass man ihnen vertraut, die gehen so schnell nicht und lassen den anderen nicht sofort fallen, wenn er sie einmal enttäuscht. Sie fragen nach Gründen, suchen das Gespräch...
Da ist es wieder, das grau denken :).
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #7 am: Juni 05, 2016, 22:49:00 »
Hi Agneta!

Es freut mich, dass du offenbar grau genug denken kannst, um noch hier zu sein!  ;) Das freut mich! :) Ich darf dir versichern, dass es keine Spottgedichte mehr geben wird.

LG, eKy
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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #8 am: Juni 05, 2016, 23:25:52 »
Warum grau denken?
Ist der Alltag nicht grau genug?
Ich denke lieber bunt, da sind selbst die dunklen Töne noch schön.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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Erich Kykal

Re: Requiem für meine Zartheit
« Antwort #9 am: Juni 06, 2016, 00:09:04 »
Hi Cypi!

Ein Insiderargument. Ich sagte Agneta in einem anderen Faden, dass sie manchmal doch recht streng "schwarz/weiß" dächte und doch auch mal "grau" denken könnte. Soll heißen, auch mit den Schwächen der anderen leben zu können. In diesem Falle mit unseren ...  ;)

LG, eKy
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