Autor Thema: Denn  (Gelesen 1105 mal)

Jana

Denn
« am: Juni 03, 2015, 18:20:37 »
Ich habe mich beständig nur in dir gesehen.
Ein Spiegel warst du mir, ein Spiegel hin zu dir,
der Hass ließ dich zerbrechen, Teile such ich mir.
Erst Einsamkeit ließ mich den Wert verstehen.

Ich habe in dir ewig nach mir selbst gesucht.
Wir waren uns so ähnlich: Sonne und der Mond
und haben dann gemeinsam Zukunft schon bewohnt.
Erst Gegenwart hat unser Denken dann verflucht.

Denn jedes Träumen kennt auch schon sein Ende,
denn jedes Fühlen lehrt uns nur das Leben.
Das Schicksal, es spielt keinem in die Hände,

es mahnt uns, unser Selbst nicht aufzugeben.
Denn jedes Hoffen bringt uns eine Wende,
von Freude hin zum antriebslosen Streben.

Erich Kykal

Re: Denn
« Antwort #1 am: Juni 03, 2015, 19:19:17 »
Hi, Jana!

Gut gedichtet! Ein paar Lapsi kann ich dem Werk aber leider nicht absprechen. Ein Sonett ist meist fünfhebig - es KANN auch vier- oder sechshebig sein, wenn man die (ganz) gestrengen Barockregeln ignoriert. Aber man sollte NICHT mittendrin die Heberzahl ändern - das stört den Rhythmus.

Hier sind die Quartette (bis auf S1Z4 mit 5 Hebern!) sechshebig, während die Terzette fünfhebig sind. Ist dir das "passiert" oder wolltest du so bewusst den Duktus beschleunigen?

Des weiteren sollten im Sonett die Kadenzen (Versenden) weiblich sein (auf unbetonter Silbe endend), um den weichen Sprachfluss zu bekräftigen. Heute kann man auch männlich kadenzierte Sonette schreiben, aber auch hier sollte man NICHT mittendrin die Kadenzen ändern - das stört den Sprachfluss.

Hier nun stellen sich die Strophen so dar: wmmw mmmm www www

Vor allem der stropheninterne Wechsel in S1 stört die Sonettwirkung erheblich.

Hier nun eine durchgehend 5-hebige Variante (du kannst, wenn du magst, natürlich auch alles auf sechshebig bürsten):


Ich habe stets mich nur in dir gesehen,
ein Spiegel warst du, hin von mir zu dir. Hier besser Punkt.
Der Hass zerbrach dich, Teile such ich mir.
Erst Einsamkeit ließ mich den Wert verstehen.

In dir nur habe ich mich selbst gesucht.
Wir waren uns so ähnlich: Sonn und Mond, (oder: "Sonne, Mond,")
und hatten eine Zukunft schon bewohnt.
Erst Gegenwart hat unser Sein verflucht.

Denn jedes Träumen kennt auch schon sein Ende,
und jedes Fühlen lehrt uns nur das Leben. Wiederholung "denn".
Das Schicksal, es spielt keinem in die Hände,

es mahnt uns, unser Selbst nicht aufzugeben.
So bringt uns jedes Hoffen eine Wende Nicht so viele "denn", das wirkt sprachlich unedel. (Hinsichtlich dessen würde ich auch den Titel nochmals überdenken!)
von Freude hin zu antriebslosem Streben. Edler so.


Zum Inhalt: Schlüssig, bloß der " zerbrechende Hass" in S1Z3 kommt sehr plötzlich, ohne Gründe, ohne Erklärung: Wessen Hass? Seiner? Deiner?(yrIchs) Beiderseits? Man kann den "Hass" nirgends festmachen, hinbeziehen - es bleibt Mutmaßung, was natürlich - wie alles Unerklärte - letztlich unbefriedigend ist.

Dasselbe mit S2Z4 - WARUM und WIE die Gegenwart euer "Denken verflucht hat", bleibt unerklärt. Eifersucht? Dunkle Seiten? Schicksalsschläge?

Der Leser wird mit einer gescheiterten Beziehung konfrontiert, der das LyrIch nachtrauert, aber weder die Ursachen für das Scheitern noch wer wen warum hasst finden Erwähnung. Da bleiben einfach zuviele Fragen. Besser wäre, entweder das Erwähnte im Text zu erläutern - oder unerklärt Bleibendes erst gar nicht zu erwähnen.


Abgesehen von diesen Punkten eine recht gelungene Arbeit. In punkto Sprachklang und -flüssigkeit gibt es nocht etwas Luft nach oben - man merkt beim Lesen, dass hier die Verdeutlichung der Botschaft im Vordergrund stand, nicht das harmonische Sprachbild. Aber das bleibt Geschmacksache!


Gern gelesen und bearbeitet! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Denn
« Antwort #2 am: Juni 04, 2015, 11:19:47 »
Liebe Jana,

ein eindrucksvolles Gedicht. Schön, wieder von dir zu lesen.

LG gummibaum

cyparis

Re: Denn
« Antwort #3 am: Juni 07, 2015, 20:43:05 »
Liebe Jana,


ich schliße mich gummibaum an.
Frage mich aber, ob es antriebsloses Streben geben kann.
Ist das nicht eine interdictio in adjecto?

Ich habe mir so meine Gedanken gemacht, denn auch ich bin einst Spiegel gewesen.


Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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