Ich hatte früher sieben Tanten,
doch eine, Tante Klärchen,
war mir die liebste der Verwandten,
denn sie erzählte Märchen.
Sie senkte ihren Märchenschatz
tief in die Kinderseele.
Und bettelte ich Hosenmatz:
»Komm Tantchen, komm, erzähle!«,
nahm sie ganz zärtlich meine Hand
und strich mir übers Haar
und führte mich durchs Märchenland,
das voller Zauber war.
Ich denke gern an diese Stunden,
hör Tantchen heut noch sagen:
»Es heilt die Poesie die Wunden,
die der Verstand geschlagen.«
Wie das Salz ins Meer kam
(Ein Märchen für kleine und große Kinder)
Ein armer Fischer fuhr aufs Meer,
doch seine Netze blieben leer.
So ging es ihm gar manchen Tag,
die Arbeit brachte kaum Ertrag.
Da fing er einmal einen Fisch,
noch größer als sein Küchentisch.
Er glaubte kaum, was dann begann:
Es hob der Fisch zu sprechen an.
Er sagte: »Hör, ich bring dir Glück!
Nur, gib mich erst dem Meer zurück.«
Der Fischer seufzte: »Weh, o Weh!«
und warf ihn traurig in die See.
Da sah er, wie von Zauberhand
just eine Mühle vor ihm stand.
»Dass Wünsche in Erfüllung gehn,
musst du nach rechts die Mühle drehn.
Doch gab die Mühle dir genug,
dann dreh nach links in raschem Zug.«
So rief der Fisch dem Fischer zu
und schwamm ins offne Meer im Nu.
Der Fischer sprach: »So solls geschehn«,
und fing die Mühle an zu drehn.
»Ich wünsch mir einen guten Fang«,
so sagte er. Und der gelang!
Kaum, dass der Zauberspruch erscholl,
warn seine Netze brechend voll.
Er war in Reichtum bald gehüllt.
Ein Nachbar aber, neiderfüllt,
belauschte ihn des Nachts einmal,
worauf der Kerl die Mühle stahl.
Fort von des reichen Nachbarn Haus,
trieb es den Dieb aufs Meer hinaus.
»Ich will mit Kleinem erst beginnen
und Gold erst später mir gewinnen.«
So sprach er in des Meeres Kühle
und drehte rechtsherum die Mühle.
Dabei rief er beschwörend aus:
»Es komm, es komme Salz heraus!«
Und ganz begeistert sah der Mann,
wie Salz aus dieser Mühle rann.
»Genug! Genug!« So rief er heiter –
indes, die Mühle drehte weiter.
Es kannte dieser Bösewicht
den Zaubertrick zum Halten nicht.
Bald stand der Gauner bis zum Hals
in dem von ihm gewünschten Salz.
Und wie ein Mühlstein, tonnenschwer,
zog ihn das Salz hinab im Meer.
Die Mühle nun, erzählt die Sage,
dreht weiter bis zum heutgen Tage.
Und so erklärt sich Jung und Alt
der weiten Meere Salzgehalt.