Autor Thema: Winterzauber  (Gelesen 1655 mal)

charis

  • Gast
Winterzauber
« am: Dezember 05, 2014, 18:48:16 »
Eine flüchtige Geste,
gesenkte Blicke.
Ich spüre, wie deine Lippen
Worte formen,
aber nichts trägt sie zu mir
in diesem einen Moment
grenzenloser Stille.

In dieser zauberhaften Sekunde
schweben tausend zarte Schneeflocken
durch die glasklare Luft,
irrlichtern um Straßenlaternen,
jede auf der Suche nach ihrem Platz
auf dem kahlen Ast,
dem gefrorenen Grashalm,
dem glänzenden Eisrand
der schmutzigen Pfütze,
schmelzend auf schwarzem Asphalt.

Im matten Licht fasse ich Mut,
hebe die Lider,  
stürze in schwarze Seen,
in eine Ahnung von Blau,
kose deine weichen Wangen,
lustwandle auf blassroten Wolken
und schmiege mich
mit katzenhafter Langsamkeit
in dich.
« Letzte Änderung: Dezember 06, 2014, 07:34:51 von charis »

Letreo71

Re:Winterzauber
« Antwort #1 am: Dezember 06, 2014, 07:43:08 »
Liebe Charis,

das ist ein wunderbarer Winterzauber und so schön formuliert.

Sehr gern gelesen.

Liebe Grüße,
Letreo

charis

  • Gast
Re:Winterzauber
« Antwort #2 am: Dezember 06, 2014, 07:50:38 »
Liebe Letreo,
Ich freue mich sehr über dein positives Feedback!
Vielen Dank!
Lieben Gruß
charis

cyparis

Re:Winterzauber
« Antwort #3 am: Dezember 06, 2014, 12:11:00 »
Liebe charis,


ich werde das noch einige Male lesen (müssen), um mich wirklich damit vertraut zu machen.
Manches erscheint mir zu gestelzt oder schlicht unwahrscheinlich, um es auf Anhieb zu mögen.
Außerdem ist auf der Wiese bekannt, daß ich Metrum und Reim bevorzuge.

Eins kann ich aber vorab sagen:
Es liegt eine Melodie in Deinem Gedicht (wie in den meisten Deiner Gedichte), der ich mich nicht verschließen kann.


Freundlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Aspasia

  • Gast
Re:Winterzauber
« Antwort #4 am: Dezember 06, 2014, 17:37:03 »
Liebe Charis,

die Bilder sind schön, aber (aber der zweiten Strophe) von einer Fülle an Adjektiven überladen, die der Wirkung nichts hinzufügen, sondern die Sinne des Lesers überreizen. Auch empfinde ich persönlich es als störend, dass Deine Naturschilderung plötzlich in eine Liebesszene übergeht und damit endet. Deshalb wundere ich mich nicht sonderlich über das Störgefühl, das Cyparis ergriffen hat.

Was die Adjektive angeht, gibt es einen Trick: Mache sie zu Substantiven!

Die erste Strophe ist in Ordnung. In der zweiten scheint mir eine Sekunde arg kurz zu sein, aber es handelt sich ja wohl, im modernen Jargon gesprochen, um eine “gefühlte” Sekunde. Es könnte lauten: “Im Zauber dieser Sekunde(n)”. Das Adjektiv “zart” ist für eine Schneeflocke überflüssig, denn jeder weiß, dass sie federleicht und filigran sind. Die “glasklare Luft” überzeugt nicht, denn Schnee ist gefrorener Regen, und bei Regen ist die Luft nicht klar, und der Himmel ist nicht blau, sondern grau.

Durch den Verzicht auf zwei Adjektive am Anfang ist der Leser bereit, die nächsten zu akzeptieren, sie sind gut: “kahler Ast”, “gefrorener Grashalm”. Die Verse vier und fünf sind übrigens hervorragend. Aber dann …
Die letzten drei Verse dieser Strophe wirken überkonstruiert, den letzten ließe ich ohnehin weg, selbst wenn bei stärkstem Frost die warmen Leitungen unter der Oberfläche oder die Motoren fahrender Autos den Schnee in Matsch verwandeln. Der Asphalt zerstört das Anfangsbild, und der Leser hört an dieser Stelle auf, zu frieren. Das glänzende Eis will mir auch nicht recht einleuchten, dazu ist Eis von viel zu kompakt-stumpfer Konsistenz. Kann aber sein, dass ich bisher das falsche Eis betrachtet habe. Ich hätte geschrieben: “… der erstarrten Pfütze” oder “dem Spiegel der Pfütze”.

Zusammenfassend könnte diezweite Strophe so aussehen:

Im Zauber dieser Sekunden
schweben tausend Schneeflocken
durch die getrübte Luft,
irrlichtern um Straßenlaternen,
jede auf der Suche nach ihrem Platz
auf dem kahlen Ast,
dem gefrorenen Grashalm,
der erstarrten Pfütze.

Bleibt die dritte Strophe, die Stoff für ein eigenes Gedicht ist. Damit will ich nicht sagen, es sei nicht möglich, eine Symbiose zwischen Natur- und Liebesgedicht zu schaffen. Aber das muss ein Gewebe sein. In Deinem Gedicht stehen sich die beiden Sujets jedoch entfremdet gegenüber: Bruch zwischen den ersten beiden und der dritten Strophe.

Entschuldige, dass ich mich über Dein Gedicht so ausgebreitet habe, aber ich sehe darin so viel an Potential, dass es mich bis in die Fingerspitzen gejuckt hat.

Lieben Gruß
Aspasia

gummibaum

Re:Winterzauber
« Antwort #5 am: Dezember 06, 2014, 20:33:07 »
Gefällt mir sehr gut, diese gedehnte Momentaufnahme, in der der viefältig beschriebene Außen- zum Innenraum wird und hier die Handlung auslöst. 

Mit Freude gelesen, Charis.
LG gummibaum

charis

  • Gast
Re:Winterzauber
« Antwort #6 am: Dezember 07, 2014, 11:16:40 »
Liebe Ilka,
Vielen Dank für deine intensive Auseinandersetzung mit meinen Zeilen. Gummibaum hat es besser erklärt als ich es selbst könnte:

..diese gedehnte Momentaufnahme, in der der viefältig beschriebene Außen- zum Innenraum wird und hier die Handlung auslöst.

Es ist also kein Naturgedicht sondern ein Liebesgedicht und somit wird in S2 eher ein gefühltes als eine reales Bild beschrieben, zumindest vermischen sich innere Sichtweisen/Gefühle mit den äußere Bilder. Ich habe mir bei jedem Wort etwas gedacht.
"zart" - im Gegensatz zu schweren, feuchten Schneeflocken, "glasklar" = auch die Luft scheint für mein Empfinden irgendwie klar und nicht feuchtrübe, wenn es sehr kalt ist und dieser feine, leichte Pulverschnee fällt und es soll auch die verschärfte innere Wahrnehmung des LI symbolisieren.
"schmelzend auf schwarzem Asphalt" muss unbedingt sein. Weshalb, lässt sich nicht in wenigen Worten beschreiben, dazu müsste ich jetzt eine ganze Geschichte erzählen, aber sieh es einfach als auslösendes Moment für die weiteren Ereignisse in S3.
Dein Vorschlag für S2V1und 2 ist sehr gut, meine Formulierung erscheint mir auch etwas umständlich und vielleicht ist auch die Konsonantenfolge -zauberhaft/zart zu hart? Ich werde nochmals in Ruhe darüber nachdenken.
Lieben Gruß
charis

Lieber Gummibaum,
Ich freu mich sehr, dass es dir gefällt und dass du mit deinem Feingefühl erkannt hast, worum es mir in diesem Gedicht ging. Ich habe schon erheblich daran gezweifelt, dass meine Intention aus dem Gedicht überhaupt herauszulesen/spüren ist.
Vielen Dank!
Lieben Gruß
charis

Curd Belesos

Re:Winterzauber
« Antwort #7 am: Dezember 17, 2014, 00:06:29 »
moin moin charis,

es hat diese für mich unerklärliche weiche "Ausstrahlung" einer Liebeserklärung, wie nur Frauen sie beschreiben können.

Ich spüre, wie deine Lippen Worte formen,
aber nichts trägt sie zu mir
in diesem einen Moment grenzenloser Stille.


Ich kann es fühlen und es ist schön.

Danke

Curd
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

horstgrosse2

Re:Winterzauber
« Antwort #8 am: Dezember 19, 2014, 10:55:47 »
@Charis



Grüße.

Es ist schwer, den Gedankenfluss, die Bilder zu bremsen, wenn sie fließen. Doch manchmal ist weniger mehr.
Ich überlege gerade, oder besser gesagt ich lasse sie eben gedanklich fließen und erkenne, ob es Wasser bleibt, oder Öl.


Etwas verändert:


Eine flüchtige Geste,
gesenkte Blicke.
Ich spüre, wie deine Lippen
Worte formen,
aber nichts trägt sie zu mir
in diesem Moment
grenzenloser Stille.

In jener Sekunde
schweben tausende zarte Schneeflocken
durch die glasklare Luft,
irrlichtern um Straßenlaternen.

Jede auf der Suche nach ihrem Platz.
Auf dem kahlen Ast,
dem gefrorenen Grashalm
und dem glänzenden Eisrand
einer schmutzigen Pfütze..

Im matten Lichte fasse ich Mut,
hebe die Lider, 
stürze in rätselhafte Seen,
in eine Ahnung von Blau,
kose deine weichen Wangen,
lustwandle auf blassroten Wolken
und schmiege mich
mit katzenhafter Langsamkeit
in dich.


ansonsten, Daumen hoch.




charis

  • Gast
Re:Winterzauber
« Antwort #9 am: Dezember 21, 2014, 12:03:29 »
Vielen Dank, lieber horstgrosse, für deinen erhobenen Daumen und Zeigefinger  ;D:

Langsam glaub ichs, dass ich ein paar Adjektive weglassen sollte.

Warum aber nicht "schmelzend auf Asphalt"?:

Überall bleiben die Flocken auf gefrorenem Untergrund als Eiskristalle liegen, nur dort - auf diesem wenig romanitschen Untergrund - treffen sie unverhofft auf Wärme und verändern ihre (erstarrte) Form.
Lieben Gruß
charis
 
 


charis

  • Gast
Re:Winterzauber
« Antwort #10 am: Dezember 21, 2014, 13:18:04 »
moin, lieber Curd,
Lieben Dank! Aber du kannst das (für einen Mann) auch ziemlich gut!  ;)
Lieben Gruß
charis

Curd Belesos

Re:Winterzauber
« Antwort #11 am: Dezember 21, 2014, 23:50:33 »
moin moin liebe charis,

können, nein, ich versuche es, aber man sagt ja: "Der Versuch ehrt"  :D

Du machst es dagegen sehr, nicht nur ziemlich  :)

Lieben Gruß
Curd
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch