Autor Thema: Morgengeläute  (Gelesen 3281 mal)

Erich Kykal

Re:Morgengeläute
« Antwort #15 am: Oktober 15, 2014, 17:15:37 »
Hi, Curd!

Erstens müsste es nach deiner Lesart "deine Stimme" heißen, und zweitens steht bei mir "deiner Stimme geheiligtes Lied": Das geheiligte Lied der Stimme.

Sodann folgt die Aufzählung nach dem Doppelpunkt: Das Gute, das Schlimme, die Schwäche, die Stärke. Diese Aufzählung wird in der nächsten Zeile zusammengefasst zu: die täglichen Werke (der Menschen). Sie sollen gesehen werden, dazu ruft die Glocke auf, das ist ihr Zweck.

Tut mir leid, wenn du da die Brücke nicht findest. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, dass du bislang der einzige bist...

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 16, 2014, 09:41:50 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re:Morgengeläute
« Antwort #16 am: Oktober 15, 2014, 18:03:24 »
moin moin Erich,

bitte, du hast es nicht nötig, etwas zur Verteidigung vorzubringen. Ich sollte etwas zur Entschuldigung vortragen. Ich werde es erneut mit dem Versuch lesen, deine Erklärungen anzuwenden.

Ich übe und berichte.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

charis

  • Gast
Re:Morgengeläute
« Antwort #17 am: Oktober 15, 2014, 20:11:59 »
Lieber Eky,
Die Andeutung: "Zen und die Kunst des Bogenschießens" von Eugen Herrigel, der diese Kunst in Japan erlernt hat.
Ich könnte mir vorstellen, dass dir dieses Buch vielleicht gefällt.
Für diese Kunst gibt es ganz strenge Regeln. Das Ziel ist nicht wichtig, sondern wie man den Bogen spannt. Die Meister sind da gnadenlos, erkennen sofort, wenn der Schüler schummelt, weil er wieder einmal statt der Kunst, die er eigentlich erlernen sollte, nur daran denkt, wie er ins Schwarze trifft.

Man könnte also sagen, um ein wirklicher Meister zu werden muss man alles lernen und wissen, um es im entscheidenden Moment wieder zu vergessen. Dein, wie du ihn bezeichnest,  "atavistischer" Stil, scheint mir irgendwie in diese Richtung zu gehen.

Also letzlich führte ihm der Meister beeindruckend vor,  worum es wirklich geht: Aber vielleicht magst du das selbst lesen, deshalb verrate ich das jetzt nicht.

Aber vielleicht ein kleiner Ausschnitt aus dem Unterricht im Bogenschießen, weil ich da auch Poesie drin steckt. Es ist eine der wenigen "Erklärungen" des Meisters:

"Die Spinne tanzt ihr Netz, ohne zu wissen, dass es Fliegen gibt, die sich darin fangen. Die Fliege, unbekümmert im Sonnenstrahl tanzend, verfängt sich im Netz, ohne zu wissen, was ihr bevorsteht. Durch beide hindurch aber tanzt "Es", und Inneres und Äußeres sind eins in diesem Tanz. So trifft der Schütze die Zielscheine, ohne äußerlich gezielt zu haben."

Lieben Gruß
charis

Erich Kykal

Re:Morgengeläute
« Antwort #18 am: Oktober 16, 2014, 09:47:43 »
Hi, Charis!

Danke für den Tipp - ich hatte gedacht, dein Kommi sollte sich irgendwie auf den Text selbst beziehen.

So sehr ich die japanische Kultur für ihr Design und ihre Kunst schätze, so sehr verachte ich die feudale und gnadenlose Vergangenheit dieses Landes. All die raffinierte Kultur war nur die dünne Decke einer Oberschicht über einer brutalen und menschenverachtenden Weltordnung, geprägt von Arroganz der Mächtigen und barbarisch grausamen Strafen für schon die kleinsten Verfehlungen!

Zudem halte ich nicht viel von meditativer Ritualisierung. Die Teezeremonie oder das Zen-Bogenschießen sind gute Beispiele. Wer seinen Geist nicht ohne solche überlernte Rituale sammeln kann, sollte sich ohnehin auf seine Zurechnungsfähigkeit untersuchen lassen! (scherzhafte Überzeichnung!)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

charis

  • Gast
Re:Morgengeläute
« Antwort #19 am: Oktober 16, 2014, 19:01:48 »
Lieber Eky,
Ja, eigentlich sollte sich mein Kommi schon auf deinen Text beziehen, aber das ist mir offensichtlich nicht gelungen, vielleicht
ist das verständlicher:

Die Spinne hat ihr
Netz getanzt und morgen spinnt
die Fliege Fäden.

Kurz:
Mir gefallen deine "atavistischen Versuche" sehr und auch das, was du über Rilkes Gedicht geschrieben hast, das ua ursächlich für deine "Versuche" war:

"Es ist kaum ein Schema zu erkennen, und doch rastet jedes Wort dort ein, wo es soll, bewegt dynamisch eine größeres Ganzes in einer ganz der Sprache selbst zugewandten Harmonie, die sich an den Inhalt schmiegt, im folgt, in hegt und befördert, ganz eins in allem, mit sich und dem frei fließenden nur dem eigenen Rhythmus folgenden Strom der Worte."
 
Im entscheidenden Augenblick zählt das Ritual (auf die Lyrik üertragen: Metrik und Gedichtformen) beim Bogenschießen nicht mehr, es ist nur der Weg dorthin, wo der Bogenschütze (und Lyriker) wohl ankommen soll, nämlich dort, wo das "Unsagbare" spricht (=Rilke meint: die meisten Ereignisse sind unsagbar und vollziehen sich in einem Raume, den nie ein Wort betreten hat).

Lieben Gruß
charis

cyparis

Re:Morgengeläute
« Antwort #20 am: Oktober 16, 2014, 23:23:17 »
Lieber Eky,
Ja, eigentlich sollte sich mein Kommi schon auf deinen Text beziehen, aber das ist mir offensichtlich nicht gelungen, vielleicht
ist das verständlicher:

Die Spinne hat ihr
Netz getanzt und morgen spinnt
die Fliege Fäden.

Kurz:
Mir gefallen deine "atavistischen Versuche" sehr und auch das, was du über Rilkes Gedicht geschrieben hast, das ua ursächlich für deine "Versuche" war:

"Es ist kaum ein Schema zu erkennen, und doch rastet jedes Wort dort ein, wo es soll, bewegt dynamisch eine größeres Ganzes in einer ganz der Sprache selbst zugewandten Harmonie, die sich an den Inhalt schmiegt, ihm folgt, in hegt und befördert, ganz eins in allem, mit sich und dem frei fließenden nur dem eigenen Rhythmus folgenden Strom der Worte."
 
Im entscheidenden Augenblick zählt das Ritual (auf die Lyrik üertragen: Metrik und Gedichtformen) beim Bogenschießen nicht mehr, es ist nur der Weg dorthin, wo der Bogenschütze (und Lyriker) wohl ankommen soll, nämlich dort, wo das "Unsagbare" spricht (=Rilke meint: die meisten Ereignisse sind unsagbar und vollziehen sich in einem Raume, den nie ein Wort betreten hat).

Lieben Gruß
charis



Keine Ahnung, charis, wen Du zitiert hast:
Ein Deutscher Dichter wird es wohl nicht gewesen sein.
Und - verzeih! - Dein letzter Satz ist möglicherweise gut gemeint, aber ein Rohr im Wind.

Ich staune.
Mit Grüßen ringsum.

Cyparis

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

charis

  • Gast
Re:Morgengeläute
« Antwort #21 am: Oktober 17, 2014, 07:54:57 »
Lieber Eky,

Ich muss mich schnell entschuldigen, dass ich dein Zitat aus dem Faden "Seelchens Nachtlied" so verstümmelt habe - ich schaffe es einfach nicht ohne Tippfehler zu schreiben - also nunmehr hab ich es kopiert:

"Es ist kaum ein Schema zu erkennen, und doch rastet jedes Wort dort ein, wo es soll, bewegt dynamisch ein größeres Ganzes in einer ganz der Sprache selbst zugewandten Harmonie, die sich an den Inhalt schmiegt, ihm folgt, ihn hegt und befördert, ganz eins in allem, mit sich und dem frei fließenden, nur dem eigenen Rhythmus folgenden Strom der Worte."

Und entschuldige auch, dass ich deinen Faden mit diesen wenig schlüssigen Verrückheiten zugespamt habe. Manchmal denke ich etwas sonderbar verquer. Ich werd mir in Zunkunft meine Logorrhoe verkneifen.  ;D

Liebe Cyparis, ja du hast wohl Recht. Das Sprüchlein ist von keinem deutschen Dichter. Ich gestehe: Es ist von mir.   :o

Schönen Tag Euch allen  :)
Lieben Gruß
charis


 

Erich Kykal

Re:Morgengeläute
« Antwort #22 am: Oktober 17, 2014, 15:14:33 »
Hi, Charis!

Ich bin keineswegs irgendwie verstimmt, falls du derlei befürchten solltest. Ich dachte bloß zuerst: In meinem Text kommt doch gar nix mit Bogenschießen vor!? Dass du dies als Gleichnis für meine Herangehensweise meintest, verstand ich erst jetzt, mit deinem letzten Kommi, dank des von Cypi monierten Satzes.

Mein von dir zitierter Satz beschreibt übrigens nicht mein Gedicht - ich würde mich nie selbst so frech loben! - sondern den von mir bewunderten Text von Rilke "Das Gebet", dem ich mit eigenen Zeilen  nachzueifern versuchte.

Du musst dich für nichts entschuldigen - offenbar haben wir uns hier gegenseitig ein wenig "verpasst"! ;)

Alles klärchen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.