Autor Thema: Die Wand  (Gelesen 1541 mal)

gummibaum

Die Wand
« am: August 08, 2014, 15:03:51 »
Ich kannte sie seit langen Zeiten
und doch nicht. Plötzlich ist sie neu.
Als ob sich meine Lider weiten,
erscheint die alte Anfangsscheu.

Die Wand ist wunderbar durchbrochen,
ein Fenster, das ich niemals sah,
zieht mich heran, und wie versprochen
ist jenseits etwas andres da.

Welche eine Farbe, nie gekostet,
erfüllt den einsehbaren Raum!
Wie war mein Blick doch früh verrostet,
beachtete, was nah war, kaum.  


Zweitfassung:

Die Wand

Wir flochten uns dereinst ein enges Band.
Doch ging die Liebe irgendwann verloren.
Es keimte Hass, und gegen uns verschworen
versteinerten wir immer mehr zur Wand.

Wir merkten gar nicht, wo die Jahre blieben.
Wir stellten uns tagtäglich an die Wand,
um uns mit gnadenlos geübter Hand
für den Verlust der Liebe zu durchsieben.  
  
Doch endlich waren wir nur noch Gespenster,
umkreisten hilflos uns im fahlen Licht
und sahen uns voll Trauer ins Gesicht.
Da zeigten unsre Wände plötzlich Fenster.

Und hinter ihnen lag ein großes Leid.
Doch tiefer war beim Einblick das Erbarmen.
Wir lagen uns ganz plötzlich in den Armen
und trugen uns in eine neue Zeit.
« Letzte Änderung: August 09, 2014, 18:37:38 von gummibaum »

Erich Kykal

Re:Die Wand
« Antwort #1 am: August 09, 2014, 01:21:04 »
Hi, Gum!

Die Anfangsscheu in S1Z4 sehnt sich als Hauptwort nach einem Großbuchstaben, den du ihr schmählich vorenthältst! ;D

Ansonsten untadelig. Zum Inhalt: Schönes Gleichnis, aber mal ehrlich - wie blind muss man sein, wenn man jahrelang ganze Fenster übersieht??? ;) :D

Gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Die Wand
« Antwort #2 am: August 09, 2014, 01:35:13 »
Hallo Erich,

sehr blind; ich danke dir. Hatte schon eine Zweitfassung, die allerdings stark abweicht, angefertigt (steht nun dahinter), weil ich dachte, die erste taugt nichts. Aber das trifft nun vielleicht eher für die zweite zu.

LG gummibaum
« Letzte Änderung: August 09, 2014, 01:41:59 von gummibaum »

Erich Kykal

Re:Die Wand
« Antwort #3 am: August 09, 2014, 02:34:11 »
Hi, Gum!

Auch schön! Auf jeden Fall leichter inhaltlich zu folgen.

Das "w" von "werkten" in S2Z1 möchte ein "m" sein - doch, doch, hat es gesagt. Ich hab's ganz deutlich gehört... ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Die Wand
« Antwort #4 am: August 09, 2014, 02:43:17 »
Es war im Handstand.

Erich Kykal

Re:Die Wand
« Antwort #5 am: August 09, 2014, 11:28:43 »
Ich denke eher, es war verkehrt herum... ;D
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Die Wand
« Antwort #6 am: August 09, 2014, 12:22:13 »
Sehr gut! Die Sprache hat viele geheime Sinnverstecke.

LG gummibaum
« Letzte Änderung: August 09, 2014, 18:36:06 von gummibaum »

cyparis

Re:Die Wand
« Antwort #7 am: August 09, 2014, 18:18:21 »
Lieber Gummibaum,


zwei sehr eigenständige Gedichte, ich sehe nur ganz wenig Berührungspunkte zwischen dem ersten und dem zweiten.
Etwas beängstigend, aber dann doch sehr versöhnlich.

Hier
Wir flochten uns dereinst enges Band.

fehlt das ein.

Nachdenklichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re:Die Wand
« Antwort #8 am: August 09, 2014, 18:52:14 »
Hallo Cyparis,

danke, das "ein" ist eingefügt. Mein Sohn hatte auf dem Hof ein Zelt und einen Schlafsack so über die Wäscheleine gehängt, dass ein schmaler Spalt dazwischen blieb. Als ich zufällig hindurchsah, ging mein gerahmter Blick auf einen Mauerausschnitt des früheren Schweinestalls und auf das Fenster darin, das mir so noch nie ins Auge gesprungen war. Am Anfang ging es in dem ersten Gedicht noch um das Fenster und die Verse hießen dementsprechend:

Ich kannte es seit langen Zeiten
und doch nicht. Plötzlich es sie neu

LG gummibaum

 
« Letzte Änderung: August 09, 2014, 19:01:37 von gummibaum »

cyparis

Re:Die Wand
« Antwort #9 am: August 09, 2014, 18:59:57 »
Interessant!

Was nicht alles als Auslöser wirken kann....

LG
C.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte