Autor Thema: angeregt von Gummibaum -  (Gelesen 637 mal)

cyparis

angeregt von Gummibaum -
« am: Februar 17, 2014, 15:24:20 »
eine "Wiedereinstellung":

Titel: Irritation





Tritt man aus der Zeit? Dann: w o hinein?
Fügt sich ein andrer Kosmos dem Gebein,
dem noch-Lebendigen, nicht-mehr-ganz-Sein?
Verharrt man im Gehäuse wider Schein,
als Neben-Zeit-Geborener, darein
nun andre Zeiten gelten?

Beharrt als Ewig-Ich die Geistesmacht
in andrer Stille, andrer Nacht,
in die man phoenixgleich hinauferwacht,
nicht mehr gefühlt, noch nicht gedacht,
jedoch genauso dargebracht
wie in bekannten Welten?

Was hält noch stand? Bleibt mir ein Schauen?
Sind andre Sinne zu erbauen,
die jenseits irdisch-leerem Grauen
in andre Sphären eingehauen
und gestanzt sein werden? Blauen
mir dort neue Firmamente? Lockt ein neuer Rebus?

Wird Geist vergehen und entschwinden?
Bleibt ihm Tiefendunkel zu ergründen?
In welches Meer wird abgetaner Zeitenfluß wohl münden?
Wird mich ein a n d r e s Geistgefüge binden,
neu gesetzt, neu zu ertasten, zu befinden?

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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Erich Kykal

Re:angeregt von Gummibaum -
« Antwort #1 am: Februar 17, 2014, 18:59:06 »
Hi, Cypi!

Ein wunderbarer Text, durchaus des eigenen Fadens würdig! Das Schema: Unbetonte Auftakte, 5 Zeilen mit je 5 Hebern, die 6. mit 3 Hebern und einem strophenübergreifenden Reim. Die ersten beiden Strophen sind relativ homogen:


Tritt man aus der Zeit? Dann: w o hinein? Warum die Leerstelle zwischen w und o? Betonter Beginn in einem Gedicht hauptsächlich unbetonter Auftakte. Alternative: "Tritt je man aus der Zeit? Dann wo hinein?"
Fügt sich ein andrer Kosmos dem Gebein,
dem noch-Lebendigen, nicht-mehr-ganz-Sein? Da das Wortkonglomerat als EIN Wort - und zwar als Nomen - gelten soll, wird es auch ganz vorne groß geschrieben: "Nicht-mehr-ganz-Sein".
Verharrt man im Gehäuse wider Schein,
als Neben-Zeit-Geborener, darein
nun andre Zeiten gelten?

Beharrt als Ewig-Ich die Geistesmacht
in andrer Stille, andrer Nacht, Zeile zu kurz. Korr: "in andrer Stille, einer andren Nacht,"
in die man phoenixgleich hinauferwacht,
nicht mehr gefühlt, noch nicht gedacht, Zu kurz. Korr: "nicht mehr gefühlt, noch weniger gedacht,"
jedoch genauso dargebracht Zu kurz. Korr: "jedoch genauso innig dargebracht"
wie in bekannten Welten?

Die folgende Strophe hat nun plötzlich ein anderes Schema mit 4 Hebern, die 6. Zeile hat 7, und Z6 und 7 beginnen betont.

Was hält noch stand? Bleibt mir ein Schauen?
Sind andre Sinne zu erbauen,
die jenseits irdisch-leerem Grauen
in andre Sphären eingehauen
und gestanzt sein werden? Blauen
mir dort neue Firmamente? Lockt ein neuer Rebus?

Ich erlaube mir den Versuch einer Angleichung an S1 und 2:

Was hält noch stand? Was bleibt noch als ein Schauen?
Sind dabei andre Sinne zu erbauen,
die jenseits irdisch-sinnentleertem Grauen
in immer andre Sphären eingehauen
und drein gestanzt sein werden? Blauen
dort neue Firmamente?


Die letzte Str. hat nur 5 Zeilen mit teils etwas unreinen Reimen, was aber angesichts der vielen benötigten Gleichklänge gerechtfertigt erscheint.

Wird Geist vergehen und entschwinden?
Bleibt ihm Tiefendunkel zu ergründen?
In welches Meer wird abgetaner Zeitenfluß wohl münden?
Wird mich ein a n d r e s Geistgefüge binden,
neu gesetzt, neu zu ertasten, zu befinden?

Auch hier wage ich ein dem ursprünglichen Schema entsprechendes Gebilde:

Wird Geist vergehen oder ganz entschwinden?
Verbleibt ihm Tiefendunkel zu ergründen?
In welches Meer muss tote Zeit wohl münden?
Wird mich ein andres Geistgefüge binden,
mich tastend, meine Mitte zu befinden
und meine Filamente?


Ich hoffe, ich vermochte dabei der ursprünglichen Intention treu zu bleiben. Sollte dein Werk schon ursprünglich gar nicht "schematisch" geplant gewesen sein, vergiss bitte einfach meine frechen Eingriffe!

Hier nun die überarbeitete Version im Ganzen:

Tritt je man aus der Zeit? Dann wo hinein?
Fügt sich ein andrer Kosmos dem Gebein,
dem Noch-Lebendigen, Nicht-mehr-ganz-Sein?
Verharrt man im Gehäuse wider Schein,
als Neben-Zeit-Geborener, darein
nun andre Zeiten gelten? 

Beharrt als Ewig-Ich die Geistesmacht
in andrer Stille, einer andren Nacht,
in die man phoenixgleich hinauferwacht,
nicht mehr gefühlt, noch weniger gedacht,
jedoch genauso innig dargebracht
wie in bekannten Welten?

Was hält noch stand? Was bleibt noch als ein Schauen?
Sind dabei andre Sinne zu erbauen,
die jenseits irdisch-sinnentleertem Grauen
in immer andre Sphären eingehauen
und drein gestanzt sein werden? Blauen
dort neue Firmamente?

Wird Geist vergehen oder ganz entschwinden?
Verbleibt ihm Tiefendunkel zu ergründen?
In welches Meer muss tote Zeit wohl münden?
Wird mich ein andres Geistgefüge binden,
mich tastend, meine Mitte zu befinden
und meine Filamente?




Sehr gern gelesen und dran ausgetobt! ;) :D

LG, eKy
« Letzte Änderung: M?RZ 03, 2014, 23:50:27 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:angeregt von Gummibaum -
« Antwort #2 am: Februar 22, 2014, 20:49:58 »
Liebe Cyparis,

das ist ein imposantes Werk, das mich tief beeindruckt!

Alle Fragen, die hier aufgeworfen werden, regen zu sehr intensivem Hineinhorchen in sich selbst an.
Sprachlich ganz wunderbar, ein Gedicht das mir ganz ausgezeichnet gefällt.

Ein Anwärter für die Favoritenliste!

Lieben Gruß
von
Daisy

gummibaum

Re:angeregt von Gummibaum -
« Antwort #3 am: M?RZ 03, 2014, 23:11:44 »
Hallo Cyparis,

wie, wo und wann auch immer ich dich anregen konnte: hier ist ein beachtliches Werk aus deiner eigenen Feder geflossen. Die guten Anmerkungen von Erich lohnt es zu bedenken. 

Liebe Grüße
gummibaum