Autor Thema: Sixtinische Madonna  (Gelesen 704 mal)

gummibaum

Sixtinische Madonna
« am: Januar 07, 2014, 16:13:49 »
Dein Blick so ernst, als schaute er ein Leiden,
das deinem Kind bevorsteht, und du trägst
mit dem, was du im Arm so liebend wägst,
auch Trauer, denn du kannst es nicht vermeiden.

Was nützt's, dass Wolken dir den Weg bereiten
dorthin, wo man das Büßerkreuz schon sieht,
zwei Heilige den Weg, den jeder flieht,
dir weisen und voll Demut dich begleiten,

wenn selbst dein Kind, so schön und leicht getragen,
mit Blicken spiegelt, was im Fernen schwebt?
Doch euch ist ja geboten, nicht zu fragen!

Ein Schleier, welchen Luft beim Eilen hebt,
schafft Harmonie im Bild, und sie lässt wagen
und glauben, dass, wer opfert, ewig lebt.
« Letzte Änderung: Januar 07, 2014, 20:47:03 von gummibaum »

Erich Kykal

Re:Sistinische Madonna
« Antwort #1 am: Januar 07, 2014, 18:47:34 »
Hi, Gum!

Sehr gut geschrieben, innig mitgefühlt und verdichtet!

Der Titel: Sollte es nicht "sixtinische" heißen?

S1Z1 - "Dein Blick so ernst, als schaute er ein Leiden," - gefiele mir stilistisch besser.

S1Z3 - Wäre "mit dem..." eingangs der Zeile nicht schlüssiger?

S1Z4 - Wäre "...kannst sie (die Trauer!) nicht..." hier nicht eingängiger als das unspezifizierte "es" (das sich möglicherweise auf "Leiden" in Z1 bezieht, was aber schon viel zu weit weg ist.)?

Die Inversion in S2 (dir bereiten) liest sich unangenehm. Wie wäre dies:

"Was nützt's, dass Wolken dir den Weg bereiten (Ev. "was bringt's")
dorthin, wo man das Büßerkreuz schon sieht,"


Sehr gern gelesen und beklugfummelt! Besonders gefallen mir die Terzette: Sehr gelungen! Auch inhaltlich, weil sie die blinde Hingabe mit Recht in Frage stellen. Superb formuliert!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Sixtinische Madonna
« Antwort #2 am: Januar 07, 2014, 20:21:24 »
Lieber Erich,

vielen Dank für gute Einfälle!

 Das Bild war 1512 für die Altarrückseite mit Bick der Madonna auf das große Kreuz bestimmt.
 Daher legte Raffael Erschrecken, Sorge, in die Blicke.
 Man kann aber beim Leser nicht voraussetzen, das er das so versteht und so ist "ein Leiden" statt "das große..." besser.

Auch "mit", das sich aufs Leid bezieht (und das Kind einschließt) ist besser als "an", das vorrangig aufs Kind abhebt.

"Es" es ich lassen. Bezieht sich auf Leid (also das, was Jesus widerfahren wird), Trauer auf ein Gefühl Marias, weil sie es -das Leid- nicht verhindern kann.

Die unschöne Inversion habe ich in deinem Sinne aufgehoben, obwohl mir "nützt's" noch suboptimal erscheint.

Liebe Grüße
gummibaum

 
« Letzte Änderung: Januar 07, 2014, 20:49:05 von gummibaum »

Ingo Baumgartner

Re:Sixtinische Madonna
« Antwort #3 am: Januar 10, 2014, 10:34:44 »
Wunderschön, gummibaum! Feine Poesie! LG Ingo