Autor Thema: Wie fliegt ein Rentier?  (Gelesen 1079 mal)

Ingo Baumgartner

Wie fliegt ein Rentier?
« am: Dezember 11, 2013, 10:52:54 »

Der Weihnachtsmann ist flügellos,
das Rentier ist’s nicht minder.
Wie schaffen die es aber bloß
zu fliegen, fragen Kinder.

Die Sache ist ganz leicht erklärt.
Es ist die Strahlturbine,
die Newtons Mantelstrom beschert.
Sie bringt das Ren auf Schiene.

Der Schub errechnet sich aus Kraft
mal Massenstrom pro Stunde.
Mit diesen Wirkungsgraden schafft
der Nordhirsch eine Runde.

Kartuschenstarter helfen mit
die Zapfluftdruckkabinen
zu füllen - um im nächsten Schritt
dem Drehzahlmaß zu dienen.

Erleichtert sind die Kinder jetzt,
die Mär vom Flug der Rene,
dem flinken Vogel gleich, verletzt
die abgeklärte Szene.

« Letzte Änderung: Dezember 12, 2013, 08:38:04 von Ingo Baumgartner »

Erich Kykal

Re:Wie fliegt ein Rentier?
« Antwort #1 am: Dezember 11, 2013, 13:03:17 »
Hi, Ingo!

Das Hebungsschema der Strophen lautet 4-3-4-3. Allerdings ist Zeile drei der letzten Strophe um einen Heber zu kurz - es müssten ja 4 sein! Wäre aber leicht zu korrigieren: "dem wunden Vogel gleich verletzt".
In der letzten Zeile würde ich eher "aufgeklärte" oder "gut erklärte" schreiben, denn "abgeklärt" steht auch in der Bedeutung von "ausgeglichen, ruhig, gelöst", beschreibt also mitunter einen Charakterzustand. Dies kann hier unter Umständen verwirrend wirken.

Das Gedicht beschreibt, wie zwanghaft Menschen darin sind, sich Dinge zu erklären und in der tatsächlichen Welt zu verankern, auch wenn keiner darum gebeten hat. Manche Leute können wohl nicht mit einem "Zauber" in der Welt leben und tun ihr Möglichstes, jeglichen Anflug von "Magie" aus selbiger zu schaffen. Sie verstehen nicht, was für ein Kind der eigentliche Gedanke hinter dieser Figur ist, die hier als Gleichnis dient. Zwar versuchen sie nicht, dem Kind zu erklären, dass es gar keinen Weihnachtsmann gibt - obwohl sie es sicherlich gern täten - und halten sich an die gesellschaftliche "Übereinkunft", dem unfertigen, naiven Geist der Heranwachsenden dieses Stück fantastischer Welt zu gönnen, aber ganz können sie nicht aus ihrer Haut: Wo es um schlicht physikalische Unmöglichkeiten geht, können sie solch ein Gedankengut nicht akzeptieren, nicht zulassen - nein, mein Herr! Das muss wissenschaftlich erklärbar sein! Wo kämen wir hin, wenn Kinder an Wunder glaubten! Womöglich glauben sie dann sogar als Erwachsene noch an jeden Blödsinn wie Religionen, Esoterik und Außerirdische, die sie holen kommen, wenn sie es nur schaffen, würdig und rein genug zu sein...
Nun, diese Leute sollten ihren Kindern, bzw. den Menschen, die mal daraus werden könnten, doch etwas mehr zutrauen! ;D Nicht alle, die als Kind an den Nikolaus oder das Christkind, die Zahnfee oder den Osterhasen, den Sandmann oder eben den Weihnachtsmann glaubten, werden später zwangsläufig Priester, Sektenmitglied oder Bachblütenjunkie! :D

Dem Ganzen liegt natürlich auch eher ein wesentlicher Zug der menschlichen Natur zugrunde: Wissen zu wollen, wie etwas funktioniert - um es gegebenenfalls selbst anwenden zu können und sich so einen evolutionären Vorteil zu verschaffen. Unerklärbares ist uns unangenehm, lässt es uns doch dumm dastehen - und Dummheit ist evolutionär benachteiligend! Also suchen wir nach Erklärungen in allem, was wir uns nicht erklären können: So entstanden auch alle Religionen - Welterklärungsmodelle auf der jeweiligen sozialen, kulturellen und kognitiven Stufe ihrer Erdenker!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 11, 2013, 13:05:38 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Wie fliegt ein Rentier?
« Antwort #2 am: Dezember 11, 2013, 21:52:35 »
Lieber Ingo -

ich kann mangels entsprechender Kenntnisse gar nicht in die wissenschaftliche Seite einyteigen.
Aber lachen konnte ich, das kann ich Dir versichern, und wie!

Muß ich morgen meinen Lieben vorlesen, damit es ein guter Tag wird. ;)

Köstlich, köstlich.
Selten hab ich etwas so Originelles vor Augen gehabt.
Ich lache immer noch.


Liebe Abendgrüße
von
Cyparis!
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Ingo Baumgartner

Re:Wie fliegt ein Rentier?
« Antwort #3 am: Dezember 12, 2013, 18:22:31 »
@Erich
Was für eine Besprechung. Danke für den Hinweis auf die fehlende Hebung. Zu "abgeklärt", ich wollte es im Sinne von "cool" "uns kannst du nichts mehr erzählen" :) verwenden.
@cyparis
Den "wissenschaftlichen" Teil sollte man auch nicht genauer unter die Lupe nehmen, man könnte da auf einige Ungereimtheiten stoßen. :D Freut mich jedenfalls, wenn du lachen konntest.

Danke euch
LG Ingo

gummibaum

Re:Wie fliegt ein Rentier?
« Antwort #4 am: Dezember 15, 2013, 22:24:16 »
Wahrhaft erheiternd. Ich liebe diese irrwitzigen Ausflüge in Physik und Technik. Sehr schön der letzte Paukenschlag am Ende.

Vielleicht widerlegst demnächst den dritten Hauptsatz und bringst das Perpetuum mobile doch noch hervor.

Gern gelesen und gelacht
gummibaum

Erich Kykal

Re:Wie fliegt ein Rentier?
« Antwort #5 am: Dezember 15, 2013, 22:52:51 »
Meinst du dieses Ding, das sich seit Jahrzehnten auf meinem Dachboden dreht? ;D
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.