Hi, wm!
Bei Gedichten, vor allem den gereimten, gibt es einen Takt, den man halten sollte. Man zählt dazu die Anzahl der Heber in den Zeilen. Wichtig ist auch, ob man die Zeilen betont oder unbetont beginnt. (Dann gibt es noch betonte und unbetonte Zeilenenden, die sog. männlichen oder weiblichen Kadenzen, aber die sind nicht ganz so entscheidend)
In diesem Falle haben wir 4 Heber pro Zeile, unbetont beginnend:
Du LANgst in MEIne GrUFT hiNEIN
Schon die 2. Zeile beginnt aber betont, was den Rhythmus stört. Ich korrigiere die Rhythmusfehler mal in deinem Zitat:
Du langst in meine Gruft hinein,
O Alserkind vom Ammenhaus.
Greifst zart nach meinen Äugelein
Und holst noch einmal sie heraus.
Du führst sie in den Blätterwald
Von fahlem Glanz und Mondenschein.
Wir schweben durch den Äther kalt,
Und keine Seele lädt uns ein.
Ich seh Dich an der Ecke stehen,
Dein heller Flachs zerstrählt im Wind.
Ich werde in die Wüste gehen,
Wo keine bösen Menschen sind.
S2Z4 war um einen Heber zu kurz, ebenso S3Z2 und S3Z4.
Bei S2Z1 war das Betonungsschema des Einstiegs indifferent - normalerweise tendiert man dazu, das "Führst" zu betonen, und das wäre hier falsch. Daher die Korrektur, die den unbetonten Einstieg nun eindeutig macht.
S4 ist mE. so verquer konstruiert und so wirr formuliert - die würde ich schlicht streichen!
So wie es nun dasteht, liest es sich rund und rhythmisch einwandfrei. Qualitativ übrigens bereits Welten von deinen "frühen" Werken entfernt, wie ich betonen möchte - richtig gut sogar!
Inhaltlich allerdings stellen sich noch logische Fragen - wie zB man laut S3 "in die Wüste gehen" kann, wenn man schon "in der Gruft" liegt, wie S1 erklärt. Auf solche Details solltest du zukünftig deutlicher achten, denn sie werfen den Leser beim Verfolgen deines roten Fadens sozusagen "aus der Bahn".
Gern gelesen und beklugfummelt!
LG, eKy