Autor Thema: Hoch auf Mauern  (Gelesen 1109 mal)

gummibaum

Hoch auf Mauern
« am: Oktober 12, 2013, 11:03:43 »
   
Hoch auf Mauern balancieren,
im Galopp auf Rücken stehn,
elegant den Schwung parieren,
und im Hang den Himmel sehn.

Schaukeln im Trapez und fliegen,
glitzern in der Kuppel Licht,
ja, mit Wolken sich zu wiegen
in den Winden… kein Gewicht:

Alles das hat meine Seele
sich von Anbeginn erträumt.
Seltsam, dass ich es verfehle –
Was hat meinen Weg gesäumt?

wolfmozart

Re:Hoch auf Mauern
« Antwort #1 am: Oktober 12, 2013, 11:36:37 »
Ein schönes Stück Lyrik, gummibaum.

Schön in der Form und die Aussage tiefgreifend.

Liebe Grüße

wolfmozart

gummibaum

Re:Hoch auf Mauern
« Antwort #2 am: Oktober 12, 2013, 13:29:39 »
Hallo Wolferl,

danke für deine freundlichen Worte. Ein ganz schönes Wochenende wünscht dir

gummibaum

Erich Kykal

Re:Hoch auf Mauern
« Antwort #3 am: Oktober 12, 2013, 14:07:04 »
Hi, Gum!

Jeder hat wohl diese "unmöglichen" Träume von absoluter Freiheit, Autarkheit und grenzenlosem Glücks- und Wohlgefühl. Jeder vergisst, dass derlei ein kurzzeitiger Genuss ist, der von der Gewohnheit und ständiger Verfügbarkeit nur allzu rasch korrumpiert wird. Das Ideal wird zur schlichten Selbstverständlichkeit, wird nicht mehr als solches nachvollzieh- und erlebbar. Das hat nichts mit Stumpfheit oder Taubheit zu tun, es ist nur ein menschlicher Zug - entspricht eben unserer Natur.
Abgesehen davon, dass Freiheit - gleich welcher Art - nur eine Illusion ist, der wir uns gerne hingeben, ebenso wie Unabhängigkeit und Glück. Alles eine Frage der augenblicklichen Perspektive und Einstellung zu einer Vielzahl von begleitenden und beeinflussenden Faktoren. Ich denke, solche Träume sollten besser solche bleiben - die Erfüllung (oder deren nächstmögliches Substitut) bringt weder Erlösung noch Segen, nur eine neue Palette von Problemstellungen und Fragen.
Das Pferd wird immer der vor ihm baumelnden Karotte nachtraben, solange es gelernt hat, dass es sie irgendwann auch bekommt. Wir Menschen sind wohl dümmer: Wir jagen einem Traum nach, ohne uns je bewusst zu machen, ob und wie gut seine Erfüllung uns tatsächlich täte! Aber vielleicht brauchen wir dieses diffuse Streben nach "etwas Höherem", Sinnvollerem, auch wenn die meisten Menschen nie wirklich den Finger darauf legen könnten, was und warum sie nun tatsächlich begehren. Oberflächlich vorgeschobene Gründe reichen jederzeit zu dieser unbewusst gewollten Selbsttäuschung aus...

Ach, wir sind schon ein eigen Völkchen! ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Hoch auf Mauern
« Antwort #4 am: Oktober 15, 2013, 13:52:21 »
Hallo Erich,

tut mir leid, dass ich deinen sehr ausführlichen Kommentar erst jetzt aufgreife. Der Inhalt der letzten Strophe stand mir noch nicht vor Augen, als ich die Zeilen begann. Er hätte auch anders ausfallen können, denn ich bin, mehr als früher, im Lot mit mir und dankbar für mein Leben. Eien Spur von dem Gefühl, nicht aus den Startblöcken loszukommen, wenn das Signal ertönt ist, ist mir aber noch gegenwärtig und ich habe es hier umgsetzt, weil ich die Gegenbewegung zu der Entfaltung der Schwerelosigkeit am wirkungsvollsten fand. Es ist also kein tiefes Resignieren dahinter, dem aufgeholfen werden müsste. Alle deine Einwürfe kann ich sofort unterschreiben. Herzlichen Dank für alles.

Mit lieben Grüßen
gummibaum
 

cyparis

Re:Hoch auf Mauern
« Antwort #5 am: November 18, 2013, 17:42:19 »
Ja, Gummibaum,

was hat Deinen Weg gesäumt?
Hier die Pflicht, dort die Bindung, da die Verantwortung, an jener Stelle ein anderes Interesse, eine
Ablenkung, ein Verbot?
Wer kann das wissen?

Vielleicht fehlte es ganz einfach an Wagemut?

Ein sehr interessantes Gedicht, das mich tief berührt hat.


Grübelnden Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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